Der Saal des Landhotels in Walsrode ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die meisten der Anwesenden sind Tierhalter, einige davon hatten bereits Wolfrisse in der Herde. Die Situation in Niedersachsen: vor rund sechs Jahren wurde im Land das erste Rudel heimisch, mittlerweile sind es 20 Rudel mit bis zu 250 Tieren, die sich von Westen her bis an die Küste und tief ins Emsland verbreiten.
"Erstmal müssen wir feststellen, dass die Wolfspopulation sehr schnell und dynamisch wächst."
Konsequenter Herdenschutz
Sagt Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft und agrarpolitischer Sprecher der CDU.
"Niedersachsen ist ein Agrarland mit zur Zeit noch sehr viel Weidehaltung, auch noch mit Schafhaltung, mit 2000 Kilometer Deichlinie. Wir prophezeien, man wird nicht umhin kommen, sich über kurz oder lang Gedanken im Hinblick auf Regulation zu machen."
Regulation bedeutet, den Wolf bejagen zu dürfen. Das ist bisher nur dann möglich, wenn er Menschen gefährdet. Angriffe auf Weidetiere sollen die Halter mit Herdenschutzmaßnahmen abwehren. Dafür plädiert auch Thomas Nitschke, Vorsitzender vom Naturschutzbund Lüneburg.
"Alle denken, wenn wir hier ein paar Wölfe rausschießen oder auch ein Rudel entnehmen, haben wir das Problem gelöst. Nein, das haben wir nicht, denn die Reviere werden neu besetzt. Auch eine Bejagung ersetzt nicht den konsequenten Herdenschutz, deswegen müssen wir beim konsequenten Herdenschutz ansetzen."
Immer wieder kommt es in Deutschland vor, dass Wölfe Weidetiere reißen - für Tierhalter bedeutet das existenzbedrohlich hohe Schäden. Aufklärung und Herdenschutzmaßnahmen reichen offenbar nicht aus, um das Problem zu lösen. Nun fordern Tierhalter in Niedersachsen eine regulierte Bejagung der Wölfe.
Mehr Aufklärung und Herdenschutzmaßnahmen lösen hier offenbar nicht alle Probleme, die der traditionellen Hütehaltung nicht.
"Die Hütehaltung ist auch schon bedroht durch den Wolf, weil der Wolf sehr nah an die Schafherden herankommt. Wir hatten auch mittags schon Wölfe, die sich ein Schaf beim Hüten gegriffen haben. Dadurch sind auch unsere Hütehunde bedroht - und ein Schäfer kann nicht hüten ohne Hütehunde."
Problem: Wölfe passen ihr Verhalten an
Barbara Guckes ist verantwortlich für rund 4.500 Schafe der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide. Ihre Schäfer ziehen mit den Herden durch die Heide - auch, um die Landschaft zu erhalten. Nachts werden die Tiere aufwendig eingepfercht, aber tagsüber geht das nicht. Die reine Zahl der Wölfe sei nicht das Hauptproblem, sondern vor allem ihre Verhaltensanpassung. Die intelligenten Tiere würden immer besser verstehen, dass vom Menschen keine Gefahr ausgehe.
"Der Wolf hat überhaupt keine Scheu mehr vor dem Menschen, der hat bei uns - das ist auch gefilmt worden vom Kollegen - das Auto angegriffen, der Kollege hat dann schnell die Scheibe hoch gemacht und weitergefilmt, das kann man sehen. Wir haben ein Gebiet, wo es einen Wolf gibt, der sich durch Steinwürfe kaum noch vertreiben lässt."
Herdenschutzmaßnahmen allein würden daher nicht ausreichen. Ihr Plädoyer:
"Den Wolf müsste man ins Jagdrecht aufnehmen und auch bejagen dürfen, aber in engen Grenzen bejagen dürfen."
Hohe Schäden bei Tierhaltern
Das fordert auch Kay Krogmann, ein junger Deichschäfer aus Cuxhaven. 50 seiner Tiere wurden seit 2012 schon gerissen, dazu kommen Schäden durch Stress in der Herde, der die Geburtenzahlen senkt. Für ihn ist die Situation schon jetzt existenzbedrohend.
"Seit der Wolf da ist, haben wir geschätzt 70.000 bis 80.000 Euro Schäden, die mir nicht ersetzt wurden. Durch indirekte Maßnahmen, Mehrarbeit, Futterzukauf, Stallhaltung, und so weiter, schlechtere Ablammergebnisse, keine geborenen Lämmer."
Die umfassenden Schutzmaßnahmen waren bisher wirkungslos.
"Wir haben versucht aufzurüsten, zauntechnisch, Wir haben Lichtanlagen aus Neuseeland kommen lassen, hat auch nicht funktioniert. Wir sind letzten Winter, als allerletzte Maßnahme gegen die Wölfe, mit den Schafen im Stall gewesen, das hat uns finanziell fast ruiniert."
Ab wann können Wölfe bejagt werden?
Nicht nur die Tierhalter, auch Tourismusverbände oder der Landfrauenverband werden unruhig. Bisher reagiert die Politik vor allem mit Kostenerstattung für Herdenschutzmaßnahmen und einer bürokratisch aufwendigen und zu geringen Schadensregulierung. Zu wenig, finden hier viele - und auch der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies. Gemeinsam mit Sachsen und Brandenburg fordert er ein nationales Wolfskonzept, ein Antrag dazu liegt nun im Bundesrat.
"Ich muss versuchen, die jetzigen Instrumente zu nutzen, aber wir brauchen auf Bundesebene einen Rahmen, der es uns ermöglicht, auch zu zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist, wenn Bedarf ist."
Eine der zentralen Fragen: Wann ist die Wolfspopulation stabil genug, um reguliert zu werden? Lies erwartet, dass im Verbund mit Polen dazu verlässliche Zahlen erhoben werden.
"Und das wäre die erste Grundlage um zu sagen: Von jetzt an geht es nicht mehr um das Aufwachsen der Population, von jetzt an kann es darum gehen, wie managen wir denn die Population?"
Parallel dazu müsse man auf europäischer Ebene tätig sein. Lies nimmt wahr ...
"Dass der Druck hier groß ist und ich versuche, diesen Druck auch zu transportieren, dass man in Berlin wahrnimmt, wie der Druck hier vor Ort ist und es nicht abtut mit der Botschaft 'das kriegen die schon irgendwie hin'."