Sandra Pfister: Dass es Russland schlechter geht, das liegt auch am sinkenden Ölpreis. Der Preis für amerikanisches Rohöl liegt schon längst unter 60 Dollar pro Barrel, und zwar deutlich. Jetzt ist auch der Preis für die Nordseesorte Brent unter 60 Dollar abgestürzt. Die OPEC weigert sich, die Ölmenge zu drosseln, die Amerikaner praktizieren Fracking im großen Stil. Wie weit kann der Ölpreis unter diesen Umständen noch fallen? Darüber reden wir mit Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst in Hamburg. Herr Wiek, die derzeitige Entwicklung ist ja erfreulich für alle, die tanken gehen. Für wen denn noch?
Rainer Wiek: Ja, erst mal natürlich die Autofahrer. Dann natürlich - wir laufen auf den Winter zu - die Heizölkunden. Die, die jetzt Bedarf haben und ihren Tank voll machen müssen, werden sich natürlich auch freuen, wenn sie jetzt zum Heizölhändler gehen. Des Weiteren gibt es natürlich bestimmte Wirtschaftszweige, die jetzt deutlich entlastet werden - denken Sie an Fluggesellschaften, die weniger für Kerosin bezahlen müssen. Gerade für westeuropäische Gesellschaften ist das wichtig, weil sie im enormen Wettbewerb stehen. Das sind Elemente, Wirtschaftszweige, aber auch private Verbraucher, die ganz unmittelbar von diesen niedrigen Preisen jetzt profitieren.
Pfister: Für welche Konzerne brechen dadurch schwierige Zeiten an, wenn der Ölpreis niedrig ist?
Wiek: Na ja. Insbesondere gibt es natürlich auch im Bereich der Ölwirtschaft Unternehmen, die jetzt Probleme bekommen. Viele Ölprojekte, die neue Reserven aufschließen müssen, rechnen sich im Prinzip erst bei höheren Ölpreisen. Sie haben eben schon die Shale-Ölförderung in den USA genannt, auch eher ein kostenintensiver Bereich. Viele Reserven, die wir vermutlich für die Zukunft brauchen und jetzt entwickelt werden müssen, liegen in Tiefseegebieten. Das ist auch ein teures Geschäft. Also es gibt nicht nur Sonnenseiten, sondern auch eher Schattenseiten der niedrigen Ölpreise.
Pfister: Kann es denn sein, dass bestimmte Konzerne ganze Ölvorkommen stilllegen und sich dann dieser Trend sehr schnell wieder dreht?
Wiek: Ja, das wird jetzt zu beobachten sein. Wir haben wie gesagt bei den großen Förderländern momentan noch keine Bereitschaft erkennen können, Mengen zu reduzieren. Ich glaube, das hat mitunter ganz profane Gründe. Momentan ist wenig Vertrauen darin, dass eine Fördersenkung tatsächlich auch den Preis stabilisieren würde, was dann bedeutet, man fördert weniger zu den gleichen niedrigen Preisen. Wo die Bodenbildung ist, bei welchem Ölpreis Projekte verschoben werden - und von einzelnen Unternehmen hört man das tatsächlich ja auch schon -, aber wo dann großflächig rangegangen wird von großen Fördernationen, das wird spannend sein zu beobachten, welcher Preis dafür erforderlich ist.
Pfister: Da sind wir ja schon so ein bisschen im prophetischen Bereich, den wir natürlich gerne mit Ihnen abdecken würden. Die Prophetenfrage ist: Wie weit geht es noch runter? Haben Sie irgendeine Prognose?
Wiek: Nein. Ich bin leider auch kein Prophet. Ich glaube, jeder, der zur Jahreshälfte befragt wurde, dass es in diesem Jahr diesen Preissturz geben könnte, wäre auch irgendwie verspottet worden, vermutlich, obwohl es schon Anzeichen gab, dass die Preise sinken könnten. Momentan erleben wir einen Preisrutsch, der tatsächlich getrieben ist von dieser Situation eines sehr, sehr großen Angebots, einer sich nicht entsprechend entwickelnden Nachfrage und gepaart damit der Sorge um die Weltkonjunktur als Resultat der vielen Krisen, die wir haben, was bedeuten würde: Stürzt die Konjunktur international weiter ab, sinkt auch der Energiebedarf, dann könnte der Druck noch zunehmen. Ich habe auch keinen Plan davon, welcher Preis notwendig ist, damit große Förderländer beispielsweise sich tatsächlich durchringen zu reduzieren. Das ist die Frage der Zukunft.
Pfister: Viele Konjunktive, ist ja auch verständlich. Spricht irgendwas dagegen, ganz kurz noch gefragt, dass Öl auch in den nächsten Wochen wenig kosten wird?
Wiek: Momentan sieht es so aus, als könnten wir dieses Niveau beibehalten. Diese Situation aus hohem Angebot und Nachfrage, vermengt mit all den Aspekten, die wir eben schon besprochen haben, die sieht sehr stabil aus. Einen weiteren Blick in die Zukunft zu werfen, ist allerdings sehr schwierig.
Pfister: Aber versucht hat es Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst in Hamburg. Danke Ihnen, Herr Wiek.
Wiek: Danke auch.
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