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Niedrigzinsen
Baukredite werden "nicht kühl und nüchtern durchgerechnet"

Niedrige Zinsen locken derzeit zum Häuslebau. Thomas Hentschel von der Verbraucherzentrale begegnen Verbraucher, die Immobilien aber teils ohne Eigenkapital kaufen wollen - deshalb rät er zu einer ehrlichen Betrachtung des eigenen Budgets. Auch sollte man im Auge haben, dass Anschlusskredite wesentlich teurer sein könnten.

Thomas Hentschel im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Stefan Römermann: Sein Geld aufs Sparbuch bringen, das macht schon lange keinen Spaß mehr, denn die Zinsen, die man dort bekommt, sind inzwischen niedriger als die Inflationsrate. Das Geld wird also von Jahr zu Jahr weniger. Doch was die Sparer ärgert, freut die Häuslebauer, denn auch die Zinsen für Baukredite waren wohl noch nie so günstig wie jetzt. – Mir zugeschaltet ist jetzt Thomas Hentschel, Experte für Immobilienfinanzierung der Verbraucherzentrale NRW. Herr Hentschel, sollten Verbraucher denn jetzt, wenn sie irgendwie einen Kredit bekommen könnten, zugreifen, oder was würden Sie raten?
    Thomas Hentschel: Zunächst mal einen schönen guten Tag. Zu Ihrer Frage: Auf jeden Fall sollte man nicht ohne Weiteres zugreifen. Man sollte von vornherein auch schauen, was man sich leisten kann, denn hier liegt natürlich die große Gefahr, dass aufgrund der niedrigen Zinsen dem Angebot an Immobilien entsprochen wird und man sich so ohne Wissen über Baufinanzierungen in Schulden stürzt, die man hinterher nicht bewältigen kann.
    Römermann: Was sind denn da die wichtigsten Grundvoraussetzungen? Über was muss ich mir da zunächst Gedanken machen?
    Hentschel: Auf jeden Fall sollte man selbstkritisch eine persönliche Budget-Betrachtung machen. Das heißt, man sollte seine Einkommenssituation selber betrachten, man sollte vor allen Dingen auch die Ausgabensituation im Griff haben, heißt mal reflektieren, wie viel Geld gebe ich denn für meine Lebensführung, sich zusammensetzend aus Ernährung, aus Bekleidung, aus Freizeit etc., aus, um damit dann ein Saldo zu bilden. Wir haben durchaus auch schon Verbraucher und Verbraucherinnen kennengelernt, die gerade den Bereich des Freizeitkonsums für eine vierköpfige Familie mit 10 oder mit 15 Euro pro Monat angesetzt haben. Da ist die Gefahr, dass man sich das von vornherein selber schön rechnet, schon vorgegeben.
    Römermann: Und inwiefern fühlen sich die Verbraucher, die jetzt in Ihre Beratung kommen, von diesen niedrigen Zinsen verlockt? Merken Sie, dass das vielleicht, ich sage mal, einen kleinen Run auslöst?
    Hentschel: Auf jeden Fall haben wir im Bereich der Immobilienfinanzierung mehr Nachfrage als in den vergangenen Jahren, und wir stellen auch fest, dass vielfach Verbraucherinnen und Verbraucher kommen, die vielleicht in der Vergangenheit nie daran gedacht haben, überhaupt Eigentum erwerben zu können. Das fußt auf den niedrigen Zinssätzen.
    Römermann: Rechnen die dann auch kühl und nüchtern alles durch, oder was ist Ihr Eindruck da?
    Hentschel: Es wird eher nicht kühl und nüchtern durchgerechnet. Es sind Finanzierungen, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern teilweise vorschweben, ohne den Einsatz von Eigenkapital. Teilweise geht man auch davon aus, dass sogenannte Kaufnebenkosten wie Grunderwerbssteuer, Maklergebühren, Notariatsgebühren auch noch eben durch einen Kredit zu finanzieren sind.
    Römermann: Die Zinsen sind ja jetzt erst mal für zehn Jahre ziemlich niedrig. Das Stichwort ist da Zinsbindung. Was passiert denn nach diesen zehn Jahren, wenn ich jetzt einen wirklich günstigen Hauskredit abgeschlossen habe? Was passiert denn da im schlimmsten Fall mit meinem Hauskredit?
    Hentschel: Man tilgt ja dieses Darlehen innerhalb der ersten zehn Jahre. Dann hat man noch eine Restschuld. Diese Restschuld kann man, wenn man dieses Kapital komplett hat, auf jeden Fall tilgen. Im Fall, wenn man das nicht hat, wird man da eine Anschlussfinanzierung notwendig haben mit dem dann gängigen Marktzins. Das heißt: Wenn ich heute zum Beispiel drei Prozent Zinsen bezahlen muss und in zehn Jahren das Zinsniveau gestiegen ist, auf sechs Prozent oder auf sieben Prozent, dann verdoppelt sich fast meine monatliche Belastung, die ich heute hatte, und das muss ich dann in zehn Jahren auch stemmen können. Entsprechende Empfehlungen in dem Kontext sind natürlich auch, dass man sich nicht für zehn Jahre mit dem Kreditinstitut arrangiert, sondern dass man auch längere Zinsbindungen von vornherein wählt, 15 Jahre oder 20 Jahre, vielleicht auch länger, wenn das Kreditinstitut dem zustimmt.
    Römermann: Lassen sich die Banken darauf denn tatsächlich ein?
    Hentschel: Durchaus lassen sich Kreditinstitute darauf ein. Und eine weitere Empfehlung ist natürlich, dass man von vornherein mit mehr als einem Prozent tilgt. Viele Kreditinstitute entsprechen dem auch und sagen von vornherein, bei uns sind zwei Prozent Tilgung mindestens möglich. Aber es gibt gerade für diejenigen, die sich von vornherein die Finanzierung irgendwo schön rechnen, auch immer ein paar windige Schafe auf dem Markt, die dann doch Finanzierungen mit einem Prozent möglich machen.
    Römermann: Thomas Hentschel war das, Experte für Immobilienfinanzierung der Verbraucherzentrale NRW. Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.