Nur wenige Stunden Aufenthalt in der nigrischen Hauptstadt Niamey, kein Treffen mit Militärmachthaber Tchiani - die Bemühungen einer Delegation der ECOWAS-Staaten zur Beilegung der Krise im Niger sind offenbar gescheitert. Das Scheitern der diplomatischen Bemühungen könnte nun die Wahrscheinlichkeit für eine militärische Auseinandersetzung in Westafrika erhöhen - zumal die nigrische Militärführung in dieser Woche schon deutlich gemacht hat, auf das Ultimatum der ECOWAS-Staaten nicht einzugehen. Diese hatten betont, ein militärisches Eingreifen könne nicht ausgeschlossen werden, wenn die Macht in dem Land bis Sonntag nicht an den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum zurückgegeben werde.
Demonstrationen für neue Militärregierung
Der selbsternannte Machthaber Tchiani hatte in einer Fernsehansprache erklärt, er verbitte sich jede Einmischung aus dem Ausland. Seine Landsleute rief er auf, sich auf eine Verteidigung des Landes vorzubereiten. Zugleich versprach er, die Bedingungen für einen friedlichen Übergang zu Wahlen zu schaffen. In der Folge gingen erneut zahlreiche Menschen im Niger auf die Straße, um ihre Unterstützung für die neuen Militärmachthaber zu zeigen.
Lokalen Medienberichten zufolge versammelten sich am Donnerstag Tausende Nigrer in der Hauptstadt Niamey. Die Organisatoren berichteten von etwa 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auch in anderen Städten des Landes gab es Kundgebungen für die neue Führung. Der Militärhistoriker Pierre Servent geht allerdings davon aus, dass die Demonstranten von Russland bezahlt werden. Dem Spiegel sagte er, nach seinen Informationen erhielten die Teilnehmer 30 bis 50 Euro für die Teilnahme an Kundgebungen. Warum viele Menschen im Niger möglicherweise dennoch unzufrieden mit der alten Regierung waren, darüber hat Josephine Schulz im DLF-Podcast "Der Tag" ausführlich mit dem Journalisten Jean-Marie Magro gesprochen.
Auch die Verbreitung prorussischer Propaganda nahm offenbar zu. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte in Berlin, im Niger sei eine Desinformationskampagne im Gange. In den letzten Tagen seien russische Flaggen verteilt worden.
Bazoum: "Geisel der Putschisten"
Unterdessen meldete sich der entmachtete nigrische Präsident Bazoum in einem Gastbeitrag für die Washington Post zu Wort: "Dieser Staatsstreich muss beendet werden und die Junta muss alle Personen freilassen, die sie unrechtmäßig verhaftet hat." Zudem schrieb Bazoum, er sei eine Geisel der Putschisten: "In dieser Stunde der Not rufe ich die US-Regierung und die gesamte internationale Gemeinschaft auf, uns bei der Wiederherstellung unserer verfassungsmäßigen Ordnung zu helfen."
Nur durch die Verteidigung gemeinsamer Werte wie Demokratie und Respekt für die Rechtsstaatlichkeit könne es Fortschritte im Kampf gegen Armut und Terror geben, heißt es in dem Gastbeitrag weiter. Ein erfolgreicher Putsch in Niger werde verheerende Folgen für sein Land, die Region und die ganze Welt haben.
Westliche Länder fliegen Staatsbürger aus
Am Freitagmorgen wurde bekannt, dass die Bundeswehr rund 30 Personen aus dem Niger ausgeflogen hat. Das Transportflugzeug vom Typ A 400 M landete in der Nacht im niedersächsischen Wunstorf. Unter den Passagieren waren laut Agenturberichten auch zehn europäische Zivilisten. Nach Informationen des Magazins "Der Spiegel" handelt es sich bei einem Großteil der Ausgeflogenen um Bundeswehrsoldaten.
Andere Länder bringen ihre Staatsangehörigen ebenfalls in Sicherheit: Die französische Regierung hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass sie mehr als 1.000 Menschen aus dem Land geflogen hat, darunter auch zahlreiche Deutsche. Großbritannien gab bekannt, Teile des Botschaftspersonals aus der Hauptstadt Niamey abzuziehen. Eine gleichlautende Ankündigung gab es auch aus den USA.
Diese Nachricht wurde am 04.08.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.