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Nigeria
Hilflos im Kampf gegen den Terror

Die Terroristen von Boko Haram in Nigeria sind Brüder im Geiste der Islamisten im Irak und in Syrien. Sie haben die eroberte Stadt Gwoza zum Kalifat erklärt. Die nigerianische Armee scheint vollkommen überfordert, vor den Terroristen flüchten sogar nigerianische Soldaten.

Von Jens Borchers |
    Menschen demonstrieren für eine Suche und Freilassung der entführten Mädchen in Nigeria.
    Proteste gegen die Massenentführung von Mädchen. (dp/Epa/Str)
    Am vergangenen Sonntag hat die nigerianischen Terror-Gruppe Boko Haram kopiert, was die Brüder im Geiste vom "Islamischen Staat" vorexerziert hatten: Boko Haram hat ein Kalifat ausgerufen: Es soll für die Stadt Gwoza gelten, im Nordosten Nigerias und für die Gebiete, die die Terroristen zu kontrollieren glauben. Das nigerianische Militär hat dieses "Kalifat" sofort für nicht existent erklärt. Aber Nigerias Militärs können keine Erfolge gegen Boko Haram vorweisen: Seit April sind mehr als 200 nigerianische Mädchen in der Gewalt der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram. Am Wochenende verschwanden 35 Polizisten. Und Boko Haram schafft es offenbar zunehmend, junge Frauen als Selbstmord-Attentäterinnen in den Kampf zu schicken.
    "Bringt unsere Mädchen zurück - lebend. Und Jetzt!" Das fordern Eltern und Aktivisten, seit die Mädchen im Norden Nigerias am 14. April entführt wurden. Lange Zeit trafen sich die Demonstranten jeden Tag am gleichen Platz in der Hauptstadt Abuja. Jetzt nicht mehr. Jetzt wechseln sie Orte des Protestes. Sie seien bedroht worden und möchten niemanden gefährden, sagen sie.
    Die mehr als 200 Mädchen sind immer noch in der Gewalt von Boko Haram. Ihr Anführer Abubakar Shekau macht sich in einem Video lustig über die "Bringt-unsere-Mädchen-zurück"-Kampagne.
    Frauen als Selbstmordattentäterinnen
    Und die Terror-Gruppe hat längst für neue Schlagzeilen gesorgt. Sie hat die Stadt Gwoza im Nordosten Nigerias besetzt und sie dann zum islamischen Kalifat ausgerufen. Die nigerianischen Streitkräfte dementieren das zwar, aber sie waren bisher unfähig, die Stadt zurückzuerobern. Anfang dieser Woche hat Boko Haram eine Stadt an der Grenze zu Kamerun überfallen, tausende Menschen flohen ins Nachbarland.
    Im Nordosten Nigerias herrscht weiterhin der Ausnahmezustand. In jeder Beziehung. Angriffe und Terroranschläge reißen nicht ab. Boko Haram ist es offenbar gelungen, nicht nur Männer, sondern neuerdings auch Frauen zu Selbstmordattentaten anzustiften. Fünf Frauen sprengten sich im allein im Juni und im Juli an verschiedenen Orten in die Luft.
    Das nigerianische Militär behauptet dennoch weiterhin, die Lage im Griff zu haben. Die fortgesetzten Angriffe von Boko Haram und die Selbstmordanschläge sprechen eine andere Sprache. Außerdem werden die Streitkräfte beschuldigt, im Kampf gegen den Terrorismus von Boko Haram regelmäßig die Menschenrechte zu verletzen. Shehu Sani, von der nigerianischen Menschenrechtsorganisation CRC schildert die Situation im Nordosten des Landes so:
    "Es ist an einem Punkt, wo die Leute nicht mehr klar unterscheiden: Welche Gewalt- und Gräueltaten verüben die Terroristen? Und welche Brutalitäten verübt die Armee gegen unschuldige Menschen?"
    Vorwürfe auch gegen die nigerianische Armee
    Amnesty International hat belastendes Material gesammelt. Videos, auf denen Männer in Uniformen der nigerianischen Armee ihren Gefangenen die Kehlen durchschneiden und sie in ein Massengrab werfen. Der für den Anti-Terrorkampf zuständige General Chris Okulolade sagt dazu:
    "Die Verteidigungskräfte prüfen diese Anschuldigungen sehr ernsthaft. Umso mehr, als sie die Integrität unserer laufenden Anti-Terror-Operation berührt, die in unserem nationalen Interesse weiter gehen muss."
    Eine Arbeitsgruppe soll sich darum kümmern. Der britische Fernsehsender Channel 4 lässt in einer Dokumentation ehemalige Mitglieder von Bürgerwehren zu Wort kommen. Sie schildern, wie sie mit Terrorismus-Verdächtigen umgegangen sind:
    "Wir haben sie an Händen und Füßen gefesselt in die Sonne gesetzt. Wir haben sie mit dem Stock geschlagen bis sie schrien. Dann haben sie uns alles gesagt."
    Das ist Folter. Nigerianische Armee und Bürgerwehren arbeiten Hand-in-Hand im Nordosten Nigerias. Menschenrechtsorganisationen sagen, in den Gefängnissen der Streitkräfte seien in den vergangenen zwei Jahren etwa 4.000 Menschen umgekommen. Menschen, die der Zusammenarbeit mit Boko Haram verdächtigt wurden.
    Von den entführten Mädchen fehlt weiterhin jede Spur. Soweit wir es wissen, jedenfalls.