In Nigeria vergeht kaum eine Woche, in der es nicht zu tödlichen Zusammenstößen zwischen Bauern und Viehhirten kommt. Alleine im Süden Kadunas starben dabei in den vergangenen zwei Wochen weit mehr als 100 Menschen.
Goodwin Akala schwitzt in der Mittagssonne. Er läuft gebückt und entfernt mit einer Spitzhacke das Unkraut aus seinem Yamsfeld. Das kostet viel Kraft und Energie. Doch nach und nach sieht er den Erfolg. Die grünen Blätter der Yamspflanzen versprechen eine gute Ernte. Der Bauer, der im Dorf Duduguru im nigerianischen Bundesstaat Nassarawa lebt, strahlt. Für seinen Yams, eine Wurzel, die mitunter ein wenig nach Kartoffel schmeckt, würde er so ziemlich alles tun:
"In unserer Gegend essen wir jeden Tag Yams. Wir zerstampfen ihn zu einem festen Brei und essen ihn mit einer Soße. Diese Yamsart nennen wir Mbakwase. Das heißt: schöne Frau."
Der Yamsanbau ist für ihn und die übrigen Farmer eine Art Lebenseinstellung, weshalb die Felder so wichtig sind. Sie werden gehegt und gepflegt, erklärt Godwin Akala:
"Wenn man sich das anschaut, sieht man den Unterschied zum Busch. Wir halten das sehr ordentlich. Das sieht man sofort und weiß, hier wird etwas angepflanzt, und niemand darf diese Fläche betreten."
Doch genau das passiert immer häufiger. Die Bauern klagen: Die Felder werden von den Viehherden der Fulani zerstört. Die Fulani sind Halbnomaden. Viele von ihnen legen mit ihren Kühen auf der Suche nach Weidegründen täglich weite Strecken zurück. Für sein Vieh tut ein Fulani schließlich alles, lacht Bello J. Inusa:
"Wir Fulani sind sehr an unseren Kühen interessiert. Das ist unsere Kultur. Mit unserem Vieh darf niemand Scherze machen. Wenn also bei Streitigkeiten die Farmer beispielsweise unsere Kühe abschlachten, ist das sehr schmerzhaft für uns."
Friedliche Koexistenz über Jahrhunderte
Die Fulani ziehen bereits seit vielen Hundert Jahren durch die Region. Ebenso lange wird Landwirtschaft betrieben. Doch Nigeria platzt mittlerweile sprichwörtlich aus allen Nähten. 170 Millionen Einwohner soll Afrikas Riesenstaat heute haben. Täglich werden es mehr, was auch die Fulani spüren.
"In ganz Nigeria haben wir einfach kein Land mehr für unsere Kühe. Unser Land wird ja nicht größer. Aber es gibt immer mehr Kühe und immer mehr Fulani. Und die Bauern wollen sich auch ständig vergrößern, obwohl es die Flächen nicht hergeben. Das ist unser Problem."
Früher, so berichten Farmer und Viehhirten übereinstimmend, ließen sich Konflikte problemlos regeln. Zerstörte eine Herde ein Feld, erhielt der Farmer eine Entschädigung. Mitunter forderte er die Viehhirten auch nur auf: Passt zukünftig besser auf eure Kühe auf!
Doch das ist vorbei. Fast wöchentlich berichten nigerianische Medien über Überfälle auf ganze Dörfer. Täter sollen Fulani gewesen sein. Die wiederum sagen: Zuvor hätten Bauern einen Teil ihrer Kühe abgeschlachtet. Mitunter sind es auch bewaffnete Banditen, die den Konflikt für sich nutzen und Überfälle begehen.
Dass die Konflikte so blutig wie im Moment ausgehen, liegt auch daran, dass durch andere Konflikte in der Region - etwa in Libyen und der Zentralafrikanischen Republik - immer mehr Kleinwaffen nach Nigeria gelangen, die problemlos und für wenig Geld zu kaufen sind. Hunderte wenn nicht Tausende Opfer hat der Farmer-Fulani-Konflikt so in diesem Jahr schon das Leben gekostet.
Wie angespannt die Stimmung deshalb ist, erlebt auch Paulinus Auta Michael vom Komitee für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden der katholischen Kirche im Bundesstaat Nassarawa. Er ist "Friedensbeauftragter" und organisiert Workshops für Viehhirten und Farmer:
"Heute sehen wir auch viele kriminelle Entwicklungen zwischen den Bauern und Viehhirten. Farmer nutzen zum Beispiel die Korridore, die für die Fulani vorgesehen sind. Dann heißt es: Die Kühe haben unsere Felder zerstört. Man versucht, den Viehhirten zur Polizei zu bringen und eine Wiedergutmachung zu bekommen. Und die soll höher sein als das, was der Farmer tatsächlich verloren hat."
Falsche Darstellung als Religionskonflikt
Was den Konflikt außerdem schwierig macht, sind falsche Interpretationen. Gerade in internationalen Medien ist oft davon die Rede, bei den Streitigkeiten bekämpften Muslime Christen. Sambo Dasuki, nationaler Sicherheitsberater des nigerianischen Präsidenten, lehnt diese Darstellung vehement ab:
"Vieles wird falsch interpretiert, und man arbeitet mit Stereotypen. Man stellt sich vor, dass jeder Viehhirte ein Muslim ist und jeder Bauer ein Christ. Da sich viele Konflikte in vorwiegend christlichen Gegenden abspielen, geht man automatisch von einem Religionskampf aus. Aber es hat nichts mit Religion zu tun. Wenn das Vieh Felder zerstört, ist es egal, ob der Besitzer ein Christ oder ein Muslim ist."
Immerhin beobachtet mittlerweile auch die nigerianische Regierung den Konflikt genau. Das hat erst kürzlich eine große Sicherheitskonferenz in der Stadt Kaduna bestätigt, an der auch Vizepräsident Namadi Sambo teilnahm. Kritik, die Aufmerksamkeit komme reichlich spät, lässt Sicherheitsberater Sambo Dasuki nicht gelten:
"Ich weiß nicht, ob das der richtige Moment ist, nach einem Schuldigen zu suchen. Wir haben alle unsere Prioritäten. Wir haben schwerwiegende Sicherheitsprobleme. Dabei schauen wir alle Bereiche an und versuchen, uns damit zu befassen. In der Vergangenheit sah die Lage vielleicht anders aus."
Es ist eine Antwort, bei der Fulani Bello J. Inusa nur mit dem Kopf schütteln kann. Er fühlt sich noch immer vom Staat alleine gelassen:
"Hier in Nigeria fehlen uns Gesetze, um zu sagen: Das Land gehört den Bauern und das den Farmern. Sie lassen uns damit alleine. Es gibt keine Kontrolle. Und niemand hilft uns, damit wir wieder friedlich zusammen leben können."