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Niggemeier: Zeitungen berichten "nicht zuverlässig" über Leistungsschutzrecht

Die Kritik am Gesetzesentwurf zum Leistungsschutz werde in den großen deutschen Tageszeitungen unterschlagen, moniert der Medienjournalist Stefan Niggemeier. Es gäbe jedoch eine "technisch ganz einfache Lösung" für die umstrittene Arbeit der Suchmaschinen.

Das Gespräch führte Karin Fischer | 30.11.2012
    Karin Fischer: Das Leistungsschutzrecht, gestern Nacht in erster Lesung in den Bundestag eingebracht, nimmt jetzt den langwierigen und auch etwas langweiligen Weg durch die Ausschüsse. Die übernächtigten, auch nicht mehr ganz so zahlreichen Abgeordneten fielen nach der Debatte müde ins Bett, während draußen im Land schon der Debattenkrieg weiter tobte im Netz, das ja bekanntlich ohnehin nie schläft.

    Stefan Niggemeier, Netz-Experte und Journalist, hat die veröffentlichte Meinung zum Leistungsschutzrecht verfolgt und er hat schon gestern einen nicht ungewichtigen Vorwurf erhoben: Die großen überregionalen Blätter, die allesamt für das Leistungsschutzrecht kämpfen, würden Kritik zum Gesetzentwurf schlicht unterschlagen. Er nennt das das "Verschwinden missliebiger Informationen" und schreiben, auch auf andere Beispiele bezogen: "Manch einer irgendwo könnte da schon von 'Zensur' sprechen." Herr Niggemeier, wie sieht das Bild denn heute für Sie aus?

    Stefan Niggemeier: Ja leider nicht viel besser. Ich würde mir wünschen, dass gerade in einer solchen Debatte, wo die Zeitungen ja selber Partei sind, dass die beweisen, was die Gesellschaft an ihnen hat, also an der Stelle wirklich zu zeigen, dass man sich auch bei einem solchen Thema umfassend informieren kann aus einer Zeitung wie der "Frankfurter Allgemeinen" oder der "Süddeutschen", und nicht zum Beispiel eine Information, dass wirklich namhafte Urheberrechtsexperten und das Max-Planck-Institut sich öffentlich gegen dieses Leistungsschutzrecht ausgesprochen haben, weil die sagen, es ist gefährlich. Das ist eine relevante Information, finde ich. Die findet sich überhaupt nicht in der "FAZ" und in der "SZ", obwohl die ansonsten breit über dieses Thema berichten, aber, wie ich finde, nicht zuverlässig und nicht vollständig.

    Fischer: Michael Hanfeld hat in der "FAZ" in einer kurzen Meldung im Feuilleton heute die Kritik der Jugendorganisationen der Parteien am Leistungsschutzrecht nachgeliefert. Aber noch mal zum Inhalt der Kritik der Wirtschaftsfachleute, die Sie erwähnt haben. Das erschließt sich mir nicht ganz, wenn es doch nur darum geht, Google als zweiten Inhalte-Anbieter, der ja auch an Werbung verdient, zur Kasse zu bitten.

    Niggemeier: Na ja, es geht um eine grundsätzliche Frage, wie frei Informationen sind. Der Plan des Leistungsschutzrechtes ist ja, dass ich eine Lizenz dafür brauche, eine Genehmigung, wenn ich mit einem Link und auch nur einem kurzen Anriss auf den Inhalt einer Verlagsseite verweise, wie das Google systematisch macht. Und natürlich kann man aus so einem emotionalen Gefühl sagen: Google geht es blendend, denen tut das nicht weh und die Zeitungen können das Geld gebrauchen. Es geht aber wirklich um eine ganz fundamentale Frage: Sollten nicht diese Informationen, wo ich niemandem etwas wegnehme, wo ich nicht einen ganzen Artikel kopiere oder klaue, sondern wo ich eine Dienstleistung bringe für den Leser zu sagen, hier ist ein interessanter Artikel und wir haben automatisch zwei Sätze daraus schon mal angerissen, ob das nicht frei bleiben muss.

    Fischer: Nun handelt es sich aber natürlich ja um aufbereitete Inhalte, also um einen Teil des Qualitätsjournalismus, um den die Presse ja jetzt auch sozusagen finanziell immer ringt. Und andererseits ist die sogenannte "Freiheit im Netz" ja auch ein großes und von Aktivisten vielfältig missbrauchtes Wort, wo man sich immer fragt: Geht’s denn bitte schön auch ein bisschen kleiner oder wenigstens ehrlicher. Bei Google sind natürlich auch handfeste Interessen im Spiel.

    Niggemeier: Gar keine Frage, und natürlich geht es für Google da genauso um Eigeninteressen, also ganz konkret ums Geld, ich glaube nur, wie halt auch auf der anderen Seite den Verlagen auch. Beide Seiten tun so, als würden sie für das Gemeinwohl kämpfen und kämpfen natürlich am Ende einfach um ihr Recht, um ihr Geld und um ihre eigenen Geschäftsmodelle.

    Fischer: Es soll ja eine einfache technische Lösung geben, wie die Verlage selbst ihre Inhalte von einer solchen Erfassung durch Google ausschließen könnten. Jimmy Schulz, FDP-Abgeordneter, sagte das und ergänzte: "Code is Law". Will also heißen: die Hard- und die Software machen heute eigentlich die Gesetze des Handelns. Was ist denn das für eine Lösung?

    Niggemeier: Das ist eine technisch ganz einfache Lösung, dass ich, wenn ich etwas veröffentliche im Internet, wie es auch die Verlage tun, den Suchmaschinen mitteilen darf, was sie damit machen dürfen: Ob die das ganz aus ihrem Index, aus ihren Suchergebnissen weglassen müssen, oder ob sie es verwenden dürfen, aber nicht diese berühmten Snippets zitieren. Das sind diese automatisch generierten kurzen Anläufe, ein, zwei Sätze. Es ist also jetzt schon technisch möglich, und Google und auch die anderen Suchmaschinen halten sich daran, wenn ich als Verlag sagen würde, okay, ich möchte bitte gefunden werden von Google, weil das ist wichtig, das ist auch für mein Geschäftsmodell unverzichtbar, aber ich möchte nicht, dass Leser im Grunde vorher schon so einen ersten Blick auf den Artikel erhaschen können und dann womöglich gar nicht mehr draufklicken. All das ist technisch seit, ich glaube, 15 Jahren möglich, und wie gesagt: das müsste man jetzt auch nicht in einem eigenen Gesetz festschreiben, sondern die Suchmaschinen halten sich daran.

    Fischer: Nun wollen die Verlage ja aber tatsächlich gefunden werden. Was also ist die wirkliche Lösung?

    Niggemeier: Ich fürchte, dass die wirkliche Lösung erst mal überhaupt nicht in diesem Themenbereich liegt. Selbst wenn das Leistungsschutzrecht käme, ist nicht abzusehen, dass die Verlage damit genug Geld verdienen, dass ihre Probleme gelöst sind. Die Frage ist wirklich: Wie schaffen es Verlage, ihre Angebote online selber zu refinanzieren. Oft fehlt jetzt auch einfach die Möglichkeit, wenn ich sage, ich möchte irgendwas Interessantes lesen, was heute veröffentlicht ist in einer Zeitung, und ich habe gar nicht die Möglichkeit, diesen Artikel dann zu kaufen, selbst wenn ich es wollte. Diese Möglichkeiten müssten auf jeden Fall geschaffen werden.

    Fischer: Herzlichen Dank, Stefan Niggemeier, für diese Einschätzungen zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Die erste Diskussion gestern fand Nachts im Bundestag statt.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.