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Nik Bärtsch: "Continuum"
Groove bewegt sich wie ein Perpetuum Mobile

Der Pianist Nik Bärtsch schließt einen Klangkreis: Mit seiner ursprünglichen Formation "Mobile" und einem Streichquintett kommt der Jazzmusiker auf seinem neuen Album "Continuum" zurück zu seinen akustischen Wurzeln. Bärtschs fünftes Album erscheint auf seinem Label ECM - dieses Mal nicht mit der Formation "Ronin", sondern mit "Mobile".

Von Florian Fricke | 17.03.2016
    Der Schweizer Jazzmusiker Nik Bärtsch.
    Der Jazzmusiker Nik Bärtsch (Deutschlandradio - Andreas Buron)
    Vor 20 Jahren schließt Nik Bärtsch die Musikhochschule Zürich ab und plant für sein Abschlusskonzert etwas Besonderes. Mit seiner Band Mobile führt er ein 36-stündiges Musikritual auf, ein radikales Experiment.
    "Ich wollte eigentlich dort schon beginnen mit dieser Kombination von Rhythmen des 20. Jahrhunderts und dem Einfügen des Schlagzeug als Phänomen des 20. Jahrhunderts in Kombination mit klassischer Musik und der Idee der Kammermusik. Es war eine radikale Phase, nicht mehr in Clubs spielen, nur noch akustisch spielen und diese sozialen und musikalischen Energien wieder neu ausloten."
    Zen Funk - fasziniert vom Gleichgewicht
    Mit Mobile hat Nik Bärtsch also begonnen, was er mit seiner verstärkten Formation Ronin zur Perfektion getrieben hat. Das Verzahnen von komplexen Rhythmen, das Ausloten der tieferen Frequenzen, die Suche nach harmonischen Spannungsfeldern und der Verzicht auf unmotivierte Soloeinlagen. Den Stil von Ronin hat Bärtsch einst passenderweise Zen Funk genannt, den Oberbegriff Ritual Groove Music stellt er über alle seine Projekte.
    "Ronin funktioniert eigentlich so wie ein Dynamo. Das Licht entsteht durch die Bewegung, es gibt so eine Art Perpetuum Mobile aus der Grooveenergie heraus, während bei Mobile selber das Ganze eher wie ein Mobile von Alexander Calder funktioniert. In Zürich auf dem Kunsthausplatz hing immer so ein großes, schweres, altes Mobile von Calder. Ich bin mit meiner Mutter immer ins Kunsthaus gegangen als Kind und habe immer dieses Mobile gesehen. Was mich fasziniert hat, war das Gleichgewicht."
    Mobile ist strenger und feiner als Ronin
    Mit dem neuen Album "Continuum" will Nik Bärtsch seine Fans wieder zurück zu den Ursprüngen seiner Musik führen. Personell gibt es einige Überschneidungen mit Ronin. Mit Schlagzeuger Kaspar Rast spielt Bärtsch seit über 30 Jahren zusammen, auch der Bassklarinettist Sha ist schon lange an seiner Seite. Neu dabei ist der zweite Schlagzeuger Nikolas Stocker. Auf ein paar Stücken wird die Gruppe mit einem Streichquintett auf ein Kammermusikensemble erweitert.
    Die Musik von Mobile wirkt strenger und feiner als von Ronin, die Entwicklung der rhythmischen Strömungen dauert länger. Der Hörer muss sich ein bisschen mehr Zeit und Konzentration nehmen als gewohnt, wird dafür aber reichlich belohnt. Mit "Continuum" liefert Nik Bärtsch einen weiteren Beweis seiner Sonderstellung im Grenzbereich Jazz und Neuer Musik.
    Verzicht auf Verstärkung auf der Bühne
    Live wird Mobile in diesem Jahr ausgiebig spielen. Nicht nur für den Hörer, auch für die Musiker bedeutet der Verzicht auf Verstärkung eine nicht alltägliche Herausforderung, denn so fehlen auch die Monitore auf der Bühne, über die sich die Musiker gegenseitig hören. Das akustische Gleichgewicht müssen sie so ganz ohne Hilfsmittel finden.
    "Das ist genau was wir auch suchen in dieser Formation. Man steht da auf der Bühne zusammen und muss den Klang machen auch mit dem Bewusstsein, dass der vielleicht vier Meter weiter vorne sich wieder ganz anders mischt. Und das ist eine Musichianship, ein Handwerksverständnis, das ungeheuer wichtig ist, wenn man damit zurück in den verstärkten Kontext geht."