Es ist zu spät für Nike, der Imageschaden durch das Nike Oregon Project wird immer größer. Immer mehr unschöne Details über Trainings- und Umgangsmethoden von Cheftrainer Alberto Salazar kommen ans Licht.
So erklärt die ehemalige Spitzenläuferin Mary Cain gerade in einem Video der New York Times:
"Ich wurde emotional und körperlich missbraucht von einem System, das Alberto entworfen und Nike gefördert hat. Alberto hat ständig versucht, mich zum Abnehmen zu bewegen. Üblicherweise wog er mich vor meinen Teamkollegen und machte mich öffentlich herunter, wenn ich nicht aufs richtige Gewicht kam. Er wollte mir Antibabypillen und Diuretika zum Abnehmen geben, von denen viele in der Leichtathletik verboten sind."
Keine Unterstützung bei Ermittlungen
Nike erklärt, die Vorwürfe extrem ernst zu nehmen. Aber vieles deutet darauf hin, dass einige Verantwortliche schon seit langem von Missständen rund um das Elite-Laufteam Bescheid wussten und Salazar deckten. Travis Tygart, Chef der US-amerikanischen Antidoping-Agentur USADA bekam vom Konzern keine Unterstützung bei seinen Ermittlungen gegen Salazar.
"Als wir Fragen stellten zu Medikamenten, Dopingmitteln, zum Besitz, Anwendung von und Experimenten mit Testosteron – da ging die Zugbrücke nach oben. Sie setzten den Burggraben in Brand, ließen die Alligatoren los, postierten Scharfschützen auf allen Türmen."
In einer vertraulichen E-Mail aus dem Jahr 2015, die der ARD-Dopingredaktion vorliegt, wurde der damalige Chef des Nationalen Olympischen Komitees der USA, Scott Blackmun, unter Druck gesetzt, etwas gegen die Untersuchungen der USADA gegen Salazar zu unternehmen. Absender: Ein Anwalt aus dem Umfeld des Nike Oregon Projects.
Klosterhalfen-Trainer Pete Julian im Visier der USADA
Die deutsche Top-Läuferin Konstanze Klosterhalfen, die seit Herbst 2018 Mitglied im Nike Oregon Project war, will nie direkt mit Salazar gearbeitet haben. "Mein Trainer ist ja auch Pete Julian und deshalb lasse ich das alles auf mich zukommen", sagte Klosterhalfen.
Doch Pete Julian war einem internen USADA-Bericht zufolge viel tiefer in die Machenschaften Salazar verstrickt, als er selbst zugibt: Der Klosterhalfen-Trainer galt sogar als rechte Hand Salazars. Julian habe eine Athletin des Oregon Projects zu Salazars Komplizen, dem Mediziner Dr. Jeffrey Brown, gebracht, damit sie dort eine Infusion verabreicht bekommt.
Im USADA-Bericht heißt es: "Julian hat ihr nicht erklärt, warum sie es nehmen sollte und was sie dort taten."
Offensichtlich handelte es sich um eine Infusion des Fettverbrenners L-Carnitin. Die USADA hält es für sehr wahrscheinlich, dass die Verabreichung die nach den Anti-Doping-Regeln erlaubte Menge von 50 Millilitern überschritten hat.
Auf ARD-Anfragen hat Pete Julian nicht reagiert. Auch Klosterhalfen und ihr Management wollen sich nicht äußern.