Mehr Platz und weniger Tiere, das sind laut Christian Meyer wichtige Voraussetzungen für eine umweltschonendere Landwirtschaft. In Gebieten, in denen zu wenig Fläche für das Ausbringen von Gülle vorhanden sei, solle man über einen Rückbau der Tierhaltung nachdenken.
Dafür müsse man den Landwirten allerdings mehr Geld zu Verfügung stellen. Statt der bisherigen "Gießkannenförderung" sei es sinnvoll, mindestens eine Milliarde Euro der EU-Agrarsubventionen für eine bessere Tierhaltung zu nutzen, betonte Meyer.
Mehr Transparenz und bessere Kontrollen
Wichtig sei außerdem eine neue Düngeverordnung - mit mehr Transparenz und einer besseren Kontrolle der Betriebe, um das illegale Ausbringen von Gülle zu unterbinden. Zwar halte sich der Großteil der Landwirte an die Regeln, es gebe aber immer noch schwarze Schafe, die ihre Gülle einfach auf dem nächsten Maisacker entsorgten. Auch Biogasanlagen müssten besser kontrolliert werden, forderte der niedersächsische Landwirtschaftsminister. Sie würden bisher noch gar nicht erfasst.
Aus dem neuen Nitratbericht, den die Bundesregierung an die EU-Kommission übermittelt hat, geht hervor, dass an 28 Prozent der Messstellen in Deutschland der Grenzwert für Nitrat im Grundwasser überschritten wurde. Auslöser ist nach Ansicht des Bundesumweltministeriums der Einsatz von Gülle und Kunstdünger in der Landwirtschaft.
Das Interview in voller Länge:
Ann-Kathrin Büüsker: Wir Deutschen essen gerne Fleisch, mehr als gesundheitlich empfohlen, das ist das Ergebnis des Ernährungsreports 2017, den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am Dienstag vorgelegt hat. Das hat Auswirkungen auf uns, auf die Haltung der Tiere – Stichwort Massentierhaltung –, die zu Problemen wie zu dem Einsatz von Antibiotika führt, was dann Antibiotikaresistenzen nach sich ziehen kann. Forscher fürchten zudem einen negativen Einfluss zu vieler Kühe auf das Klima. Zu viel Gülle auf deutschen Äckern sorgt für zu viel Nitrat im Grundwasser, der neueste Nitratbericht der Bundesregierung zeigt, in landwirtschaftlich genutzten Bereichen sind die Grenzwerte an 28 Prozent der Messstellen überschritten. Diese Woche wurde der Bericht an die EU-Kommission weitergeleitet, die ja schon im November ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hatte, eben wegen Verstößen gegen die EU-Nitratrichtlinie. Deutschland muss darauf reagieren, sonst drohen hohe Geldstrafen. Also, was machen wir nun gegen das viele Nitrat? Am Telefon ist Christian Meyer, niedersächsischer Landwirtschaftsminister und Mitglied der Grünen, guten Morgen, Herr Meyer!
Christian Meyer: Guten Morgen!
Büüsker: Herr Meyer, bei Ihnen in Niedersachsen liegen 50 Prozent der Messstellen über dem zulässigen Nitratgrenzwert. Was muss passieren, um das Grundwasser bei Ihnen zu schützen?
"Wir haben Seen, die umkippen, das darf nicht sein"
Meyer: Wir brauchen endlich eine bessere Düngeverordnung. Also, die Kontrolle. Die Ursache ist ja sozusagen landwirtschaftlich begründet und wir haben in einigen Regionen Niedersachsens eben sehr, sehr viele Tiere, wir haben über 100 Millionen Stück Geflügel, über zehn Millionen Schweine und wir haben auch sehr viele Biogasanlagen, die zum Beispiel gar nicht erfasst werden, was passiert damit, mit den Gärresten aus Biogasanlagen? Und wir müssen dazu kommen, dass nur so viel gedüngt wird, was die Pflanzen brauchen, ohne dass unser wichtiges Grundwasser gefährdet wird.
Büüsker: Eine neue Düngeverordnung ist ja in der Mache. Was muss da aus Ihrer Sicht drinstehen, damit sie nutzt?
Meyer: Wir brauchen vor allem endlich Transparenz. Es müssen alle Ströme erfasst werden, eben auch Biogasanlagen, wir brauchen die großen Tierhaltungen, die dort mit kontrolliert werden. Denn wir haben eben eine große Belastung des Grundwassers dadurch, dass es Regionen gibt, wo man zu viel Gülle und Kot auf die Äcker wirft und damit die Grundwasserbelastung erreicht oder auch die Oberflächengewässer, die Flüsse. Wir haben Seen, die umkippen, weil zu viele Exkremente der Tiere ins Wasser gelangen, und das darf nicht sein.
Büüsker: Aber Herr Meyer, wie darf man sich das praktisch vorstellen? Ich meine, weniger Gülle wird man nicht produzieren können, also muss man regeln, wohin die kommt, oder wie?
"Die große Mehrheit der Landwirte verhält sich da vorbildlich"
Meyer: Genau, es geht zum einen auch um die Verteilung. Und wir müssen in Regionen, wo wir zu viele Tiere haben, aber zu wenig Fläche, um die Gülle auszubringen, dann muss man dann auch über einen Rückbau der Tierhaltung nachdenken. Wir haben eben nicht ein flächendeckendes Problem, auch nicht in Niedersachsen, sondern wir haben in einigen Regionen sehr, sehr viele Tiere, die dort stehen, und nicht genug Fläche, um das auszubringen. Und deshalb müssen wir jetzt im ersten Schritt erfassen, dass alle wirklich dann, die zu wenig Fläche haben, es ordnungsgemäß verbringen. Also, allein in Niedersachsen fällt, wenn man Lkw-Ladung hat, einmal um den Äquator Güllewagen an Güllewagen an. Also, diese … Nur mal, das ist ein Volumen von 60 Millionen Tonnen, das dort entsteht. Und da haben wir noch eine große Dunkelziffer und eine Grauzone, weil es immer noch Unternehmen gibt, die meinen, sie müssten nicht mitteilen dem Staat, der Überwachung, wo sie eigentlich … wo das Zeug herkommt und wo es hingeht. Und das ist nicht in Ordnung, deshalb ist das Wichtigste Transparenz, Datentransparenz, damit wir eine wirksame Kontrolle haben. Die große Mehrheit der Landwirte verhält sich da vorbildlich, aber es gibt eben schwarze Schafe, die meinen, es ist billiger, auf dem nächsten Maisacker Gülle zu, ja, in dem Sinne dann zu entsorgen. Und das ist nicht in Ordnung, das ist eine große Gefahr für unser Wasser.
Büüsker: Herr Meyer, jetzt haben Sie aber eben schon gesagt, eigentlich bräuchte es weniger Tiere. Ist dann nicht so eine neue Düngeverordnung eigentlich eher Augenwischerei, müssen wir dann nicht eher dahin, die Tierhaltung zu reduzieren?
"Wir brauchen Anreize für mehr Tierwohl"
Meyer: Ja, das ist richtig, weil man in einigen Regionen, wo man zu viel hat. Deshalb brauchen wir Anreize zum Beispiel für mehr Tierwohl. Wenn unsere Schweine, Hühner 30 Prozent mehr Platz im Stall kriegen, in den Käfigen, habe ich auch 30 Prozent weniger Schweine und 30 Prozent weniger Hühner. Das heißt, ich habe dann auch weniger Anzahl von Kot und Gülle. Deshalb ist die Verbindung von Agrarwende, Tierwohl, bessere Tierhaltung auch ein Beitrag, um die Umweltbelastung, die Emissionen aus der Tierhaltung zu reduzieren. Dazu machen wir Anreize. Und die neue Düngeverordnung, wenn sie denn jetzt nach drei Jahren endlich mal kommt – da warten wir ja als Länder drauf, das ist ja Bundesgesetz, und verhandeln mit dem Bund –, da wird die natürlich dazu führen, dass gerade in den Regionen, die ein großes Problem haben, es auch besonders teuer wird. Niedersachsen hat als einziges Bundesland schon eine Güllegebühr gemacht, also, wir nehmen vier Cent für Betriebe, die nicht genug Fläche haben und ihre Gülle verbringen. Solche Sachen sind natürlich Anreize, dass man seinen Tierbestand an die Fläche anpasst, denn das ist es, um einen richtigen Nährstoffkreislauf zu haben.
Büüsker: Sie haben die Anreize angesprochen, die haben bisher in Niedersachsen nicht funktioniert. Die Zahl der Schweine bei Ihnen im Bundesland ist gestiegen.
"Da ist Deutschland ein großer Umweltversager"
Meyer: Ja, wir haben aber auch letztes Jahr schon einen leichten Rückgang gehabt, wir haben keinen Zubau mehr der großen Tierhaltung. Wir haben eine leichte Abnahme der Zahl der Schweine, der Hühner und Geflügel gehabt, wir werden das jetzt dieses Jahr noch mal sehen, und wir haben vor allem auch geschafft, dass wir die Grauzone etwas mehr schließen. Wir haben eine eigenständige Düngebehörde gemacht, wir haben dort noch mal zusätzliche Stellen gemacht. Letztes Jahr wurden Bußgelder quasi verdoppelt, also, die Verfolgungen. Aber es bleibt dabei, Düngegesetz ist Bundesrecht. Und solange ich keine Handhabe habe, bestimmte Unternehmen, also Güllebörsen, Transportunternehmen dazu zu bringen, uns zu melden, wo was hingeht, damit wir überprüfen können, ob dort, wo es hingeht, auch genug Platz ist, werden wir unser Grundwasser nicht so schützen können, wie es die EU-Umweltrichtlinien vorschreiben. Da ist Deutschland ein großer Umweltversager, und das seit vielen, vielen Jahren.
Büüsker: Herr Meyer, bei all dem sind Sie auf die unmittelbare Zusammenarbeit mit den Landwirten angewiesen. Jetzt wollen Sie denen noch mehr Bürokratie aufhalsen, die sollen noch weniger Tiere halten. Wie wollen Sie das schaffen, das gemeinsam mit denen zu lösen?
"Wir wollen gar nicht neue Daten haben"
Meyer: Wir haben jetzt schon einen guten Konsens mit unseren Landwirten in Niedersachsen, weil wir die schwarzen Schafe auch von denen abgrenzen wollen. Wir haben dort eine ganze … die Beratung sehr stark verstärkt, wir fördern sozusagen umweltschonende Gülleausbringung, dass sie sozusagen weniger riecht, wir haben verboten diese Schleppschläuche nach oben, also sozusagen, das ist dieser Weg, dass die Emission … Also, man bringt sozusagen die Gülle nach oben, auch so was ist nicht mehr erlaubt. Und das haben wir im Konsens mit den Landwirten gemacht und dafür fördern wir eben aber auch neue Technologien, fördern eine bessere Tierhaltung, die den Tieren mehr Platz gibt, und haben mit den Landwirten eben auch den Konsens, das nicht bürokratisch zu machen, sondern … Wir wollen gar nicht neue Daten haben, sondern wir wollen die vorhandenen Daten, die aber an unterschiedliche Behörden gehen – man meldet dem Bauamt im Kreis X, wo ich was hinbringe, aber das andere Land weiß das schon wieder nicht mehr –, dass wir diese Daten transparent erfassen. Das ist hoffentlich auch vorgesehen, denn das ist ein wesentlicher Baustein im neuen Düngegesetz.
Büüsker: Herr Meyer, bei Ihnen im Bundesland gibt es viele Betriebe, die auf Massentierhaltung setzen. Ist Massentierhaltung aus Ihrer Sicht ein Problem für unsere Umwelt?
"Mit der Zahl der Tiere steigt natürlich die Zahl der Exkremente"
Meyer: Natürlich haben wir dort enorme Umweltemissionen, weil, mit der Zahl der Tiere steigt natürlich die Zahl der Exkremente, steigen auch die Emissionen von Ammoniak, Gerüchen et cetera. Und deshalb sind wir dabei, den Ausbau der Massentierhaltung haben wir gestoppt, wir haben dort keine nennenswerte Zunahme mehr. Aber es wird eben wichtig sein, auch viele Regeln im Baurecht, im Umweltrecht so anzupassen, dass wir die Tierhaltung grundlegend umwelt-, klimaschonender machen. Und deshalb ist das dann eben auch ein Paket. Aber die Landwirte brauchen dafür mehr Geld, deshalb fordern wir ja, dass man mindestens eine Milliarde Euro EU-Agrarsubvention zum Beispiel für eine bessere Tierhaltung nimmt. Und das heißt dann eben mehr Platz und das heißt immer eben auch, weniger Tiere dann zu halten und damit gleichzeitig unsere Gewässer, unsere Flüsse, unsere Seen, aber auch unser wichtiges Gut, das Grundwasser zu schützen, aus dem wir unser Trinkwasser gewinnen.
Büüsker: Herr Meyer, wenn Sie Massentierhaltung als Problem sehen, wie stehen Sie dann zu dem neuen Vorschlag des Umweltbundesamtes, den vollen Mehrwertsteuersatz auf Fleisch- und Milchprodukte anzuwenden?
"Wir brauchen vermehrt Tierschutz"
Meyer: Das wird ja immer wieder diskutiert. Der Vorsitzende des Kompetenzkreises von Herrn Schmidt zum Tierwohl, das ist mein Vorgänger, der CDU-Agrarminister Lindemann, der hat das auch schon vor Kurzem gefordert, man sollte doch die Mehrwertsteuer auf Fleisch erhöhen. Die Niedersachsen-CDU hat eine Tierschutzabgabe auf Fleischprodukte gemacht. Finde ich sehr spannend, aber es ist so, ich glaube, grundsätzlich muss man klimaschädliche Subventionen, dass Steuern-, Abgabensystem überprüfen, auch im Verkehrsbereich. Aber ich sehe da vor der Bundestagswahl jetzt keine Mehrheiten dafür. Deshalb, ich bin dafür, dass wir lieber Anreize setzen und die Milliarden, die die EU gibt für die Landwirtschaftspolitik, wenn wir die so einsetzen, dass wir damit Anreize geben, dass ökologische Tierhaltung, dass Umweltbelastung minimiert werden. Momentan ist das eher eine Gießkannenförderung, die Bauern nicht nutzt, weil es weiter das Höfesterben voranbringt. Deshalb wäre mein Vorschlag, wir brauchen – so wie es viele Experten auch sagen –, wir brauchen vermehrt Tierschutz, für die Agrarwende sollten wir endlich die über 50 Milliarden Euro der EU, die in die Agrarpolitik kommen, so ausgeben, wie die Gesellschaft es eigentlich will, nämlich dafür, dass es den Tieren besser geht, dass es der Umwelt besser geht und dass auch die Landwirte anständige Preise kriegen, wenn ich zum Beispiel an die Milchbauern denke.
Büüsker: Sagt Christian Meyer, niedersächsischer Landwirtschaftsminister und Mitglied der Grünen. Herr Meyer, vielen Dank für das Gespräch!
Meyer: Bitte schön!
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