Ann-Kathrin Büüsker: Das Grundwasser in Deutschland ist nach wie vor in einigen Regionen stark mit Nitrat belastet. 28 Prozent der Messstellen zeigen erhöhte Nitratwerte, und zwar in einer Dosis, die gesundheitsschädlich sein kann. Das geht aus dem aktuellen Nitratbericht hervor, den die Bundesregierung an die EU-Kommission weitergeleitet hat. Erst im November hatte die Kommission die Bundesrepublik ja wegen Verstößen gegen die EU-Nitratrichtlinie verklagt. Deutschland drohen deshalb hohe Geldstrafen. Georg Ehring aus unserer Umweltredaktion ist bei mir im Studio. Herr Ehring, wie gefährlich ist diese Nitratbelastung für Mensch und Umwelt?
Georg Ehring: Für den Menschen gibt es in der Tat Gesundheitsgefahren. Wenn Nitrat in Nitrit umgewandelt wird, in der Nahrung oder auch im Körper, dann ist es nämlich krebserregend und für Säuglinge auch ganz akut unter Umständen lebensgefährlich. Deshalb empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung auch, die Aufnahme zu reduzieren. Und ganz oben in den Empfehlungen dieses Bundesinstituts ist weniger Düngen und mehr Freilandanbau von Gemüse.
Aber die Menschen bekommen noch relativ wenig davon ab, weil das Nitrat zum Beispiel aus dem Trinkwasser herausgefiltert wird mit hohem technischen Aufwand. Wir merken es also eher am Geldbeutel als an der Gesundheit. Die Hauptbelastung geht in die Umwelt. Sie haben es gesagt, die Nitratwerte sind nach wie vor hoch, das Grundwasser ist stark belastet. Bei den Flüssen hat sich die Lage etwas gebessert, geht ganz langsam zurück. Aber die Nord- und Ostsee in der Nähe von Mündungen von Flüssen, die viel Nitrat mit sich bringen, wie zum Beispiel die Ems, da ist die Lage auch nach wie vor schlecht. Das heißt, es geht vor allem um eine Umweltbelastung.
"Eine massive Überdüngung"
Büüsker: Das heißt, wir reden von Belastungen, die tatsächlich bis in die Meere reichen. Wie kommt diese hohe Nitratbelastung zustande?
Ehring: Vor allem durch die Landwirtschaft. Und da steht an erster Stelle die Viehhaltung. Zwölf Millionen Rinder, 80 Millionen Schweine und 177 Millionen Hühner. Die machen halt jede Menge Mist. Dazu kommt, dass es eine regionale Konzentration gibt, zum Beispiel in Westniedersachsen, das ist die Hauptviehregion. Und das Ergebnis heißt einfach, sehr viel Gülle kommt auf die Äcker, es gibt Gülle-Tourismus regelrecht in Regionen, wo weniger Vieh gehalten wird, um die Belastung ein bisschen zu senken. Aber das reicht offenbar alles nicht.
Eine weitere Quelle sind Biogasanlagen. Da gibt es stickstoffreiche Gärreste, die ebenfalls in den Boden kommen. Und zu allem Überfluss wird ja auch noch jede Menge gedüngt, und dieser Dünger kommt auch noch auf den Boden. Und die Folge ist halt eine massive Überdüngung. Man merkt es in der Ökologie, dass nährstoffarme Standorte, Magerrasen und solche Standorte kaum noch vorkommen.
Büüsker: Die Bundesregierung arbeitet deshalb ja auch an einer neuen Düngevorordnung, um dem Ganzen entgegenzuwirken. Aber wie kann denn tatsächlich etwas getan werden, um die Nitratbelastung zu verringern?
Ehring: Da gibt es jede Menge Mittel, zum Beispiel Sperrfristen in Zeiten, wo der Dünger schlecht abgebaut und schlecht verwertet werden kann, zum Beispiel im Winter. Die Bauern sollen mehr Lagerräume vorhalten, damit man die Ausbringung von Gülle nicht sozusagen als Abfallbeseitigung ansehen kann. Es gibt dann den Druck der EU-Kommission ja, die ihre Klage hat, und in den nächsten Monaten soll sich das entscheiden.
Aber es ist so, dass der Erfolg doch recht zweifelhaft ist, denn es gibt einen heftigen Widerstand aus der Landwirtschaft. Die Landwirtschaftslobby hat sich immer wieder dagegen gewandt mit Argumenten, das sei alles zu bürokratisch und die Nährstoff-, die Düngerversorgung sei halt nötig. Und da gibt es immer wieder Einwürfe vonseiten der Landwirtschaft. Man kann das an einem Knackpunkt sehen, das ist die Hoftorbilanz. Die wurde gefordert auch, um den Weg der Reste, der Gülle, überhaupt verfolgen zu können. Die soll jetzt eingeführt werden, aber nur für Betriebe mit ganz vielen Schweinen, ab 2.000 Schweine zum Beispiel. Bei anderen Tierarten gibt es andere Grenzen, sodass im Ergebnis nur vier Prozent der Bauernhöfe betroffen wären, und damit kann man das Problem wahrscheinlich nicht lösen.
Büüsker: Georg Ehring aus unserer Umweltredaktion war das.
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