Archiv

No-Deal-Brexit
Eine Gefahr für die Atomsicherheit?

Großbritannien bereitet sich auf einen ungeordneten Brexit vor. Davon betroffen ist auch die Atombranche. Komponenten etwa für das Kernkraftwerk Hinkley Point könnten nicht mehr ohne weiteres geliefert werden - wie auch wichtige radioaktive Isotope für Krebspatienten.

Stefan Römermann im Gespräch mit Anne Demmer |
    Die Computergrafik des EDF-Konzerns zeigt das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point.
    Ein No-Deal-Brexit könnte auch den geplanten neuen Reaktor Hinkley Point C verzögern (picture-alliance / dpa / EDF Energy)
    Römermann: Welche Rolle spielt die EU denn überhaupt bei der Atomkraft?
    Demmer: Es gibt den EURATOM-Vertrag aus dem Jahr 1957. EUROATOM ist zwar eine eigenständige Gemeinschaft, sie ist jedoch vollständig an die EU angegliedert. Und die EURATOM-Verträge regulieren alle Nukleartechnologierelevanten Felder - von Reaktorsicherheit über die Bewegungsfreiheit von Atomexperten hin zur Endlagerung. Und die Verteilung von Brennstoffen wird über die EURATOM-Versorgungsagentur abgewickelt, um einen gleichen Zugang der Mitgliedstaaten sicherzustellen und eben im Falle eines No-Deal-Brexit, das heißt, wenn Großbritannien ohne Abkommen aus der EU tatsächlich stolpern sollte, dann scheidet das Land aus diesen EURATOM-Vertrag aus und dieser Austritt hätte tatsächlich weitreichende Folgen.
    Lebensgefahr für Krebspatienten?
    Römermann: Wie sehen da die Notfallpläne jetzt der Regierung für diesen harten Brexit aus. Notfallplan ist vielleicht auch etwas übertrieben als Wort.
    Demmer: In Großbritannien sollen nach dem Brexit neue Sicherheitsregularien etabliert werden. Großbritannien hat laut diesen "technical notes", die Sie gerade angesprochen haben, für diesen Bereich, da steht drin: Dass ein Abkommen mit der internationalen Atomenergiebehörde abgeschlossen wurde. Darüber hinaus würde man auch eigene Sicherheitsrichtlinien festschreiben, heißt es da nur lapidar. Großbritannien kann dann wohl nicht mehr auf die Nuklearförderung der EU zurückgreifen. Die britische Atomindustrie hängt aber maßgeblich von europäischen Gütern und Dienstleistungen ab. Das heißt aber steigende Kosten für die Briten und weitere Verzögerungen von Lieferungen wären die Folge.
    Dann wäre es beispielsweise für die Franzosen auch nicht mehr möglich Komponenten für den geplanten neuen Reaktor Hinkley Point C in Großbritannien einfach zu liefern und jetzt ist es ja so, die EURATOM hat Sicherheitsrichtlinien aufgestellt, an die sich die Mitgliedstaaten halten müssen. Wenn Großbritannien nicht mehr dabei ist, hat das natürlich Nachteile auch für das Vereinigte Königreich selbst, denn so ist die britische Nuklearbranche, sind britische Unternehmen nicht mehr so wettbewerbsfähig, weil sie damit ja auch an Sicherheit einbüßen.
    Die britische Nuklearindustrie würde den Zugang zu Kontrollsystemen, zur internationalen Atomtechnik und Uran verlieren, denn bislang wird das ganze von EURATOM für die gesamte EU geregelt.
    Folgen hätte das auch für die Forschung. Kraftwerke bekommen nicht mehr ohne weiteres Kernbrennstoff, weil er nicht so einfach mehr legal über die Grenze gebracht werden kann. Es wird ohnehin lange Schlangen geben an der Grenze, weil es generell zu Zoll- und Passkontrolle kommt. Für Krebspatienten könnte es lebensbedrohlich werden, weil radioaktive Isotope nicht rechtzeitig geliefert werden können. Und für all das ist ein neues Regelwerk notwendig, es müssten viele einzelne bilaterale Verträge geschlossen werden. Experten gehen davon aus, dass es Jahre dauern könnte die derzeitigen Abkommen zu ersetzen.
    Neue Kontrollinstanz für sauberes Wasser und saubere Luft
    Römermann: Gibt es denn auch Auswirkungen in anderen Bereichen von Umwelt und Naturschutz, die vom Brexit betroffen wären - was hätte da ein Austritt ohne geregelten Vertrag für Auswirkungen?
    Demmer: Viele Umweltschutzregularien aus Brüssel fallen dann eben auch einfach weg ohne adäquaten Ersatz. Sauberes Wasser, saubere Luft - das wird ja jetzt alles noch über die EU geregelt. Die britische Regierung will eine nationale Aufsichtsbehörde für Umweltschutz nach dem EU-Austritt schaffen und da läuft gerade eine öffentliche Konsultation. Da ist natürlich auch die Frage, welche Funktionen und Befugnisse diese neue Überwachungsinstanz innehaben soll. Das ist ja alles noch nicht wirklich geklärt. Die britische Umwelt Rechtsorganisationen "ClientEarth" findet diese aktuellen Pläne der britischen Regierung sehr schwach. Sie begrüßt zwar, dass die Regierung anerkenne, wie wichtig eine unabhängige Umweltschutzbehörde in den Post-Brexit-Zeiten sei, aber derzeit sehe es so aus, als dass es dieser Kontrollinstanz an rechtlicher Durchschlagskraft fehle.