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Nobelpreis für Chemie
Auszeichnung für drei Molekularforscher

Der Nobelpreis für Chemie geht an Jean-Pierre Sauvage, James Fraser Stoddart und Bernard Feringa. Das verkündete das Komitee des Karolinska-Instituts in Stockholm. Geehrt werden die Forscher für ihre Entwicklung von molekularen Maschinen - wie zum Beispiel das kleinste Auto der Welt.

    Die künftigen Nobelpreisträger Sauvage, Stoddart und Feringa (von links nach rechts) auf einem Bildschirm bei der Pressekonferenz in Stockholm.
    Die künftigen Nobelpreisträger Sauvage, Stoddart und Feringa (von links nach rechts). (AFP - JONATHAN NACKSTRAND)
    "Die diesjährigen Preisträger haben extrem kleine Maschinen gebaut und sind in eine neue Dimension der Chemie vorgedrungen", hieß es bei der Pressekonferenz in Stockholm. "Sie haben Moleküle mit kontrollierbaren Bewegungen entwickelt, die eine Aufgabe erfüllen können, wenn Energie zugefügt wird", erklärte die Nobelpreisjury. Vermutlich würden aber molekulare Maschinen für die Entwicklung von neuen Materialien, Sensoren und Energiespeichersystemem verwendet werden. Zudem werden mit der Entwicklung von solchen Maschinen oder sogenannten Mini-Robotern die Hoffnung verbunden, das sie im menschlichen Körper Krankheiten heilen oder im Reagenzglas jede gewünschte chemische Substanz aufbauen können.
    Die Arbeiten der drei Forscher befänden sich, laut Professor Michael Famulok, zwar noch "im Stadium der Grundlagenforschung". Doch für den Professor für Chemische Biologie der Universität Bonn stecke auch ganz viel Potenzial in den Erkenntnissen über die molekularen Maschinen. Es sei die Frage, wo Moleküle dieser Art irgendwann eingesetzt werden könnten. Das sei derzeit noch nicht absehbar, so der Forscher.
    Arndt Reuning aus der Redaktion "Forschung aktuell" erklärt kurz, worum es bei den Arbeiten geht:
    Kleinstes Auto der Welt und Ringe sowie Knoten aus Molekülen
    Der 71-jährige Franzose Sauvage ist emeritierter Professor an der Universität von Strasbourg in Frankreich. 1983 unternahm er die ersten Schritte bei der Entwicklung molekularer Maschinen, als es ihm gelang, zwei ringförmige Moleküle zu einer Kette zu verbinden. Zudem hat er mithilfe von dem Designer-Molekül Rotaxan einen molekularen Muskel konstruiert.
    "Für unseren Muskel verbinden wir zwei Rotaxanmoleküle auf eine bestimmte Weise miteinander. Wenn man das richtige Signal gibt, indem man Zink und Zyanid hinzusetzt, verändert sich die chemische Bindung zwischen den beiden Rotaxanmolekülen, und sie schieben sich ein Stück ineinander. Das ganze Gebilde zieht sich also zusammen, genauso wie es bei der Kontraktion eines richtigen Muskels passiert. Setzt man dann Kupfer hinzu, so dehnt sich das Molekül wieder aus." Erklärte der Chemiker im März 2004 gegenüber dem Deutschlandfunk. Mit dieser Konstruktion verbinden Forscher die Hoffnung, dadurch beweglichere Roboter bauen zu können oder sogar irgendwann Querschnittgelähmten das Laufen zu ermöglichen.
    Der gebürtige Brite und Chemiker Stoddart arbeitet an der Northwestern University Evanston in den USA. Er hatte ein Molekül hergestellt, das aussieht wie die Ziffer 8. Auch andere verschlungene und verknotete Strukturen hat der Forscher von der Northwestern University Illinois aus Molekülen im Reagenzglas erzeugt.
    Der Niederländer Feringa ist Professor an der Unversität Groningen und entwickelte 1999 einen Nano-Propeller, mit dem er den nächsten Schritt bei der Entwicklung von molekularen Maschinen erzielte.
    Im Deutschlandfunk erklärte er bereits im März 2004 zu diesem Konstrukt: "Es ist ein künstliches molekulares Gebilde, bestehend aus zwei Teilen, einem oberen und einem unteren. Diese beiden Teile sind durch eine Achse miteinander verbunden. Normalerweise steht die Achse still. Aber sobald wir sie mit Licht bestrahlen, wird die Achse locker, und das eine Teil kann sich wie ein Propeller um die Achse drehen."
    Danach konnte er an der Universität Gronigen mit weiteren Forschern an einer molekularen Maschine arbeiten, die als das kleinste Auto der Welt bezeichnet wurde. Es war gerade einmal zwei Nanometer groß und wurde durch Strom in Bewegung gesetzt. Damit konnten die Wissenschaftler zeigen, dass man Moleküle konstruieren kann, die wie makroskopische Maschinen funktionieren.
    Da die Arbeiten der Chemiker aufeinander aufbauen, sei es auch gerechtfertigt, dass diese drei ausgezeichnet werden, so der Wissenschaftsjournalist Arndt Reuning.
    Reaktion von einem künftigem Preisträger
    Feringa konnte per Telefon zur Pressekonfernz zugeschaltet werden und zeigte sich überrascht von der Auszeichnung: "Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und war ein bisschen geschockt, weil das so eine große Überraschung war." Eine Stunde vor der Verkündung wurde er von der Nobelpreis-Jury informiert.
    "Ich fühle mich ein Bisschen wie die Gebrüder Wright. Als die vor 100 Jahren das erste Mal abhoben, fragten die Leute: Wozu brauchen wir ein Fluggerät? Heute haben wir Jumbo Jets und Airbusse. Bei uns ist es ähnlich. Die Möglichkeiten sind riesig. Denn wenn es uns gelingt, Werkstoffe und molekulare Maschinen zu bauen, die dynamisch auf äußere Reize reagieren, ergeben sich unzählige Anwendungen. Wir werden künftig smarte Materialien entwickeln, die sich rekonfigurieren und anpassen können. Wir können winzige Maschinen bauen, die Energie ernten, speichern und nutzen. Unsere Arbeit weist den Weg zum völlig neuen Feld der Nanomaschinen", sagte er am Telefon. Er wolle mit seinem gesamten Team, also seinen talentierten Studenten und Postdoktoranden, diesen Erfolg feiern.
    Richard P. Feyman über "Tiny Machines"
    Der Nobelpreisträger und Physiker Richard P. Feyman hat in einem bekannten Vortrag ("Plenty of Room at the Bottom") aus dem Jahr 1959 die winzigen Maschinen vorhergesagt, die nun mit dem Nobelpreis geehrt werden:
    Die Nobelpreise 2016
    Im vergangenen Jahr erhielten die Erbgut-Forscher Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar den Nobelpreis für Chemie.
    Die Nobelpreise sind mit umgerechnet rund 830.000 Euro dotiert. Sie werden am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel, verliehen. Am Montag wurde bereits bekanntgegeben, dass der Zellforscher Yoshinori Ohsumi mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet wird. Gestern verkündete das Komitee des Karolinska-Instituts in Stockholm, dass die in den USA tätigen Wissenschaftler David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz für ihre theoretische Arbeiten in der Physik den Nobelpreis erhalten werden.
    Der Friedensnobelpreis wird am Freitag verkündet, am darauffolgenden Donnerstag gibt die Jury den Literaturnobelpreisträger bekannt.
    (copi/fwa)