Von einer Revolution in der Krebsbehandlung spricht die Nobel-Jury: Der US-Amerikaner James Patrick Allison und der Japaner Tasuku Honjo haben erforscht, wie das Immunsystem gegen Krebs scharf gestellt werden kann. Für ihre wegweisenden Arbeiten erhalten sie gemeinsam den Nobelpreis für Medizin.
Die beiden Krebsforscher entwickelten in getrennten Forschungsprojekten Immuntherapien, um Tumore zu bekämpfen. Sie haben entdeckt, dass bestimmte Eiweiße wie eine Bremse auf das Immunsystem wirken. Dadurch wird es davon abgehalten, Krebszellen zu bekämpfen. Die von den beiden frisch gekürten Nobelpreisträgern erarbeiteten Therapien beruhen nun darauf, die Bremsen zu lösen, so dass die Immunzellen die Tumore attackieren.
Krebsbehandlung revolutioniert
James P. Allison konzentrierte sich auf die Biologie von T-Zellen: Immunzellen, die wie Wächter durch den Körper patrouillieren, und nach Eindringlingen und Verletzungen suchen.
"Ich dachte, man könnte diese T-Zellen gegen Krebs richten. Der erste Schritt war, dass wir herausfanden, woran sie erkennen, was fremd und gefährlich ist. Dann sahen wir: Damit sie aktiv werden, reicht es nicht aus, dass sie auf etwas Fremdes stoßen. Sie brauchen bestimmte Signale, durch die sie aktiviert werden. Die bekommen sie von anderen Zellen. Sobald dann alles läuft, wird schon wieder eine molekulare Bremse gezogen, die dafür sorgt, dass sich die T-Zellen wieder abschalten. Es gibt also eine ganze Reihe von Checkpoints, die sicherstellen dass die T-Zellen nicht unkontrolliert wüten. Sonst würden wir von unserem eigenen Immunsystem zerstört."
Das Immunsystem entfesseln
Seit den 1990er Jahren befasste er sich vor allem mit dem Protein CTLA-4, das wie eine Bremse für T-Zellen wirkt. Er entwickelte einen Antikörper, der die Funktion des Proteins blockiert und dadurch den Bremseffekt aufhebt. Im Versuch mit Mäusen erwies sich der Mechanismus 1994 als erfolgreich. 2010 zeigte eine klinische Studie auch Erfolg bei menschlichen Patienten mit fortgeschrittenem schwarzen Hautkrebs. Tasuku Honjo entdeckte 1992 das Eiweiß PD-1, das den Wirkmechanismus des Immunsystems auf anderem Weg ausbremst als CTLA-4. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass die Blockade von PD-1 effizient gegen unterschiedliche Krebsformen wirkt, darunter Lungen- und Nierenkrebs, Lymphome und schwarzer Hautkrebs.
Neue klinische Studien weisen inzwischen auch darauf hin, dass eine Kombinationstherapie, die sowohl das Protein CTLA-4 als auch PD-1 betrifft, in bestimmten Fällen vorteilhaft sein könnte.
Im Interview mit Ralf Krauter spricht der Immunologe Markus Feuerer von der Universität Regensburg von einem "ganz großen Erfolg", der von den beiden Nobelpreisträgern errungen wurde.
Immuntherapie als eine Säule der Krebstherapie
Diese Form der Immuntherapie habe die Krebsbehandlung revolutioniert und die Ansichten, wie Krebs unter Kontrolle zu bringen ist, fundamental verändert, so die Nobel-Jury.
Die Immuntherapie gilt als kommende vierte Säule in der Krebsbehandlung neben Strahlentherapie, Chemotherapie und Operationen. Welche Therapieformen in welcher Kombination am ehesten Heilung versprechen, unterscheidet sich offensichtlich je nach Krebsart und Patient. Warum die Immuntherapie in manchen Fällen anschlägt in anderen aber nicht, ist nach wie vor ungeklärt. Hören Sie hier das Fallbeispiel eines Krebspatienten, der mittels Immuntherapie behandelt wurde; aufgezeichnet von Katrin Zöfel.
Die Idee, das Immunsystem zu aktivieren und so Krebszellen anzugreifen kam bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf. Trotz anschließender Erfolge in der Grundlagenforschung zum Immunsystem erwies es sich als schwierig, daraus Strategien für den Kampf gegen Krebs zu entwickeln. Wie sich die Idee entwickelt hat, hören Sie hier im Beitrag von Katrin Zöfel.
James P. Allison wurde 1948 in Alice im US-Bundesstaat Texas geboren. Nach Forschungsstationen unter anderem in Berkeley und New York, arbeitet er seit 2012 als Professor am University of Texas MD Anderson Cancer Center, einer der größten Krebskliniken den USA. Als er zehn Jahre alt war, starb seine Mutter an Krebs. Auch Allison selbst litt bereits unter Tumoren. Vor einigen Jahren wurde ihm ein Melanom an der Nase entfernt. Außerdem erkrankte er an Blasen- und Prostatakrebs. Bislang habe er nicht die Immuntherapie in Anspruch genommen. Sollten die bösartigen Geschwulste zurück kommen, würde er aber auf die Immuntherapie setzen. Hören Sie hier ein Porträt von James P. Allison, zusammengestellt von Michael Lange.
Der zweite Preisträger Tasuku Honjo wurde 1942 im japanischen Kyoto geboren. Er forschte an verschiedenen Einrichtungen in den USA, bevor er nach Japan zurückkehrte und an den Universitäten von Tokio und Osaka arbeitete. Seit 1984 ist er Professor an der Universität Kyoto. Er habe seine Forschung begonnen, nachdem ein Kommilitone an der medizinischen Hochschule an Magenkrebs gestorben sei. Der 76-Jährige will auch nach der Auszeichnung mit dem Nobelpreis weiter machen. Damit noch mehr Kranke geheilt werden können, werde er noch eine Weile weiter seine Forschung fortsetzen, sagte er in Kyoto vor Journalisten. Den Erhalt des Nobelpreises, habe er unzähligen Menschen zu verdanken, vor allem seinen Kollegen, Studenten und anderen Unterstützern sowie seiner Familie.
Mit knapp 900.000 Euro dotiert
Der Nobelpreis gilt international als eine der wichtigsten wissenschaftlichen Auszeichnungen. Die Auszeichnung ist in diesem Jahr mit umgerechnet knapp 900.000 Euro dotiert. Im vergangenen Jahr hatten die drei US-Wissenschaftler Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young den Preis für Untersuchungen zur inneren Uhr des Menschen und anderer Lebewesen erhalten. Als bislang letzter Deutscher bekam Thomas Südhof im Jahr 2013 den Medizinnobelpreis.
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