Physik-Nobelpreis 2024
Auszeichnung für die Urväter der künstlichen Intelligenz

John Hopfield und Geoffrey Hinton erhalten den Physik-Nobelpreis für ihre Forschung zum Maschinellen Lernen. Mit ihrer Arbeit haben sie die Grundlagen für die KI-Revolution gelegt. Beide betonen den Nutzen der Technik, warnen jedoch auch vor Risiken.

Von Anneke Meyer |
    John Hopfield und Geoffrey Hinton, auf einer Präsentation, bei der Vorstellung der Preisträger des Physiknobelpreises 2024.
    John Hopfiel und Geoffrey Hinton bekommen den Physik Nobelpreis 2024. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Christine Olsson)
    Von Sprachassistenzen wie Siri oder Alexa über Navigation mit Google Maps bis zu Chatbots: Künstliche Intelligenz ist aus unserem Leben fast nicht mehr wegzudenken. Dabei hatten künstliche neuronale Netze, die die Grundlage für die Entwicklung bilden, lange als Rohrkrepierer gegolten. Die Entwicklungen von John Hopfield und Geoffrey Hinton haben maßgeblich dazu beigetragen das Potential, das in lernenden Maschinen steckt, zu entdecken.

    Überblick

    Vom menschlichen Gehirn zur lernenden Maschine

    Angefangen hat alles mit dem Gehirn: In den 1940er Jahren begannen Forschende zum ersten Mal darüber nachzudenken, ob sich die Verschaltungen des Gehirns, seine Synapsen und Verarbeitungspfade, in mathematischen Prinzipien lassen.
    Die ersten künstlichen neuronalen Netze waren Computermodelle, mit deren Hilfe bestimmte Theorien über die Funktionsweise des Gehirns getestet wurden. Ihr Nutzen war jedoch sehr beschränkt. Auch als Computer schon Teil des Alltags geworden waren, zweifelten viele daran, dass vom Gehirn inspirierte Algorithmen jemals für echte Anwendungsfälle geeignet wären.
    Das änderte sich langsam in den 1980er Jahren: John Hopfield gelang es als Erstem, ein Netzwerk zu programmieren, das Muster erkennen konnte. Geoffrey Hinton entwickelte dieses „Hopfield-Netzwerk“ weiter zum sogenannten „Boltzmann-Modell“, mit dem Muster nicht nur erkannt, sondern auch zugeordnet werden können. Entwicklungen, die den Siegeszug der Künstlichen Intelligenz (KI) in Gang brachten.

    Bessere medizinische Versorgung und mehr Produktivität - die einen Preis hat

    Heute ist der Nutzen von KI offensichtlich. In der Medizin ermöglicht sie genauere und schnellere Diagnosen. In der Industrie bieten KI-Anwendungen viele Chancen, Abläufe effizienter zu gestalten oder komplexe Probleme zu lösen.
    Vieles könne sich durch KI verbessern, bekräftigte der frisch gekürte Nobelpreisträger Geoffrey Hinton nach der Bekanntgabe der Preisträger. Der Urvater der lernenden Maschinen gehört aber auch zu den lautesten Kritikern der Entwicklung, die seine Entdeckungen mit angestoßen haben.
    „Es gibt zwei Arten von Reue“, erklärte er in einem Telefoninterview mit Journalisten in Stockholm. Er bedauere nicht seine Forschung, sehr wohl aber die Folgen, die sie auch haben könnte. Der Einfluss von KI sei mit der industriellen Revolution zu vergleichen. Nur, dass die Maschinen dieses Mal nicht die physische Stärke des Menschen übertrumpften, sondern seine intellektuellen Fähigkeiten.

    Kritik am Nobelpreis: Weiß, männlich, Einzelkämpfer

    Der Nobelpreis gebührt jenen, die „einen bedeutenden Beitrag zur Menschheit und zur Verbesserung des Wissens, der Kultur, der Gesundheit oder des Friedens geleistet haben“. So hat es der Stifter Alfred Nobel festgelegt. Dem humanitären Grundgedanken zum Trotz gibt es aber auch immer wieder Kritik am Nobelpreis.
    In der öffentlichen Debatte standen bisher vor allem Entscheidungen zur Vergabe des Friedensnobelpreises im Mittelpunkt. Laureaten wie Abyi Ahmed oder Barack Obama werfen immer wieder die Frage auf, wie sehr es im Sinne des Stiftungsgedankens ist, aktiven Politikern den Preis zu verleihen.
    Bei den naturwissenschaftlichen Preisen gibt es nur selten Kritik an den ausgezeichneten Personen; diskutiert wird dafür immer häufiger, wie fair die Strukturen und Systeme sind, die dem einen zum Erfolg verhelfen und der anderen nicht.
    Viele der Laureaten stehen als einzelne Stellvertreter für ein großes Team von Forschenden, die zu einer Erkenntnis beigetragen haben. Nach wie vor werden deutlich mehr Männer als Frauen geehrt. Und: Vier von fünf aller Nobelpreisträger und -trägerinnen kommen aus Europa oder Nordamerika. Der Nobelpreis ist damit auch ein Spiegel dafür, dass Chancengleichheit noch lange nicht erreicht ist.