Martin Zagatta: Verbunden sind wir jetzt mit dem Bundestagsabgeordneten und Rechtsexperten Norbert Geis von der CSU. Einen schönen guten Morgen, Herr Geis!
Norbert Geis: Guten Morgen!
Zagatta: Herr Geis, juristisch, so sagt jetzt der Haushaltsausschuss, kann man die Auszahlung dieses sogenannten Ehrensolds an Christian Wulff nicht verhindern, aber die Empörung eines Großteils unserer Hörer, die deckt sich auch mit dem Deutschlandtrend der ARD, dem zufolge 84 Prozent der Deutschen diese Zahlung an Wulff ablehnen. Ist das kleinkariert oder können Sie diese Empörung irgendwie nachvollziehen?
Geis: Ja, nach dieser großen Kampagne, die da gelaufen ist, kann ich diese Empörung nachvollziehen, aber vielleicht werden spätere Zeiten anders über diese ganzen Vorfälle urteilen. Die Geschichte hat ihr Urteil noch nicht gesprochen. Dazu ist der Zeitraum auch zu kurz. Ich meine, man sollte die Dinge jetzt einmal ruhen lassen, man sollte sie betrachten – es werden darüber Dissertationen geschrieben werden, es werden darüber Bücher geschrieben werden. Warten wir ab, wie die Meinung dann in zehn, in 15 Jahren ist. Das ist die eine Seite, die man auch bedenken muss bei der ganzen Sache. Denn es kam eine Wortmeldung vorhin durch den Rundfunk, die sagte, man hatte eigentlich einem Menschen so etwas noch nie angetan in Deutschland, wie das so geschehen ist. Ein wenig meine ich, müssen wir uns hüten davor, dass wir jetzt in eine Art Vernichtungswillen verfallen.
Zagatta: Also das war eine Einzelmeinung, und egal jetzt, wie man zu den Vorwürfen gegen Herrn Wulff steht – er ist ja da nicht ohne Grund zurückgetreten. Herr Geis, wenn …
Geis: Darf ich mal unterbrechen? Er ist zurückgetreten, weil er – und das ist wichtig für seinen Anspruch, für seinen Rechtsanspruch – er ist zurückgetreten, weil er keine Chance mehr gesehen hat, sein Amt richtig auszuüben, und das ist der politische Grund, den das Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten vorsieht. Deswegen ist der Beschluss des Haushaltsausschusses vollkommen korrekt, und kein Gericht in Deutschland wird – wenn sich nicht noch andere Tatsachen herausstellen sollten – wird Herrn Wulff diesen Anspruch aberkennen. Das ist ein Rechtsanspruch.
Zagatta: Also so hat es Herr Wulff dargestellt, andere sagen, er hat sich da persönlich Fehler geleistet, es waren keine politischen Gründe, aber lassen wir doch diese Diskussion mal beiseite, Herr Geis. Wenn neun von zehn oder acht von zehn Deutschen der Meinung sind, Wulff sollte diesen Ehrensold nicht erhalten, dann wird doch zumindest ein Gerechtigkeitsgefühl verletzt. Kann man sich darüber einfach so hinwegsetzen?
Geis: Nein. Da bin ich schon der Meinung, dass das genauso ernst zu nehmen ist, und das darf man auch nicht ohne Weiteres wegschieben, denn die Menschen urteilen ja, weil sie es so sehen, und dieses Urteil haben wir ja auch irgendwo zu respektieren. Aber ich meine, man muss auf der anderen Seite sehen, dass wir klare rechtliche Regelungen haben, und hier macht ein Mensch nichts anderes geltend als einen Anspruch, der ihm rechtlich zusteht. Auch das muss man erkennen. Wenn die Rechtsordnung das zulässt, dann muss man das auch akzeptieren. Wie soll sich denn einer sonst verhalten? Ich meine, wenn er sich rechtmäßig verhält, und das ist in diesem vorliegenden Fall so gegeben, denn wir wissen ja, dass er … Es gibt ja keine Stimme in Deutschland, die sagt, es steht im rechtlich oder juristisch nicht zu. Er hat einen Rechtsanspruch, und nichts anderes als diesen Rechtsanspruch macht er geltend. Und das ist nicht verboten und das ist auch nicht moralisch jetzt zunächst einmal für sich genommen verwerflich.
Zagatta: Haben Sie da kein schlechtes Gefühl dabei, jemanden nach so kurzer Amtszeit, der noch unter so merkwürdigen Umständen auch diese Amtszeit beenden musste, mit so viel Geld zu entlohnen? Sorgt das nicht für Politikverdrossenheit erst recht?
Geis: Ja, da ist auf jeden Fall viel dran, das sehe ich genauso wie Sie, und da kann man schon, sagen wir mal, moralische Bedenken geltend machen. Aber ich wiederhole noch einmal: Wir haben einen Rechtsstaat, der Mann hat einen Rechtsanspruch, er macht nichts anderes geltend als das, was die Gemeinschaft – also das Parlament in diesem Fall, in Vertretung der Gemeinschaft des Volkes – so festgelegt hat. Wenn dies so sich verhält, dann muss man auch wieder auf der anderen Seite anerkennen, wenn das Recht es so vorsieht, dann habe ich auch irgendwo Respekt und Achtung vor dieser Entscheidung des Rechtes zu haben. Ich kann nicht einfach darüber hinweggehen. Ich sehe auf der anderen Seite die große Problematik, die Sie richtig bezeichnet haben, aber ich sehe auf der gegenüberliegenden Seite aber auch den ganz klaren Rechtsanspruch. Und deswegen tu ich mir als Jurist – entschuldigen Sie bitte – ich tue mich als Jurist schwer, zu sagen, es steht ihm aus moralischen Gründen dieser Rechtsanspruch nicht zu. Meine moralische Beurteilung, die ist eine ganz andere vielleicht, aber ich muss Achtung haben vor dem, was im Gesetzbuch drin steht, vor dem, was Recht ist. Ich will nicht jetzt auf dem Gesetz herumreiten, ich will auch nicht reinen Positivismus hier verkünden, sondern ich will schon sagen, wir müssen ein wenig darauf achten, dass wir nicht Menschen jetzt einen Anspruch aberkennen wollen, der ihm nun einmal gesetzmäßig und rechtmäßig zusteht.
Zagatta: Wobei Experten sagen, das ist ja höchst fragwürdig, wenn dann ausgerechnet ein enger Vertrauter von Wulff, den Wulff selbst mit nach Berlin geholt hat, mit dem er tagtäglich zusammengearbeitet hat, wenn der das ausgerechnet entscheidet. Aber Sie haben selbst gesagt, moralisch ist das eine andere Frage. Wie sehen Sie das moralisch, was würden Sie Wulff jetzt raten?
Geis: Also ich würde … Darf ich noch mal zurückkommen? Das hat so ein Geschmäckle, wenn Sie sagen, das hat einer beurteilt, der den Wulff gut kennt und der dem früheren Präsidenten gedient hat als Beamter. Ein Beamter dient nicht irgendeiner Person, sondern ein Beamter dient seinem Amt, und das muss man auch erkennen. Und darauf sind wir Deutsche ja auch stolz, dass wir den Beamten haben, der völlig losgelöst von irgendeiner politischen Meinung sein Amt versieht. Und das hat dieser Mann getan. Und jeder in Deutschland, der ein bisschen rechtskundig ist, weiß, dass dieser Mann, der dies so entschieden hat, kein umsichtiges Urteil gefällt hat und richtig gehandelt hat. Hätte er so nicht gehandelt, wie er gehandelt hat, hätte er nicht rechtmäßig gehandelt. Auch das muss man einmal erkennen, das ist auch eine moralische Frage. Und man darf diesen Menschen, die so geurteilt haben und die dem früheren Präsidenten den Anspruch zubilligen, weil er rechtens ist, denen darf man doch keinen Vorwurf machen.
Zagatta: Herr Geis, hören wir uns vielleicht doch kurz mal an, wie Wulff selbst unmittelbar nach seiner Wahl angekündigt hat, über Einschnitte in seine so üppige Versorgung nachzudenken und Abstriche hinzunehmen.
Christian Wulff: Ich halte es für ganz wichtig, dass man ein Zeichen setzt, denn wenn insgesamt das Zeichen gegeben werden muss, wir alle müssen mit weniger auskommen, dann gilt es natürlich in erster Linie auch für den Bundespräsidenten. Das habe ich im Übrigen immer so gehandhabt, auch als Ministerpräsident, deswegen konnte ich auch immer glaubhaft Appelle an andere richten, selber auch bereit zu sein, mit weniger auszukommen. Und das gilt auch in einem solchen Feld.
Zagatta: Wenn man so etwas hört, Herr Geis, wie hört sich das in Ihren Ohren an? Ist Wulff da für Sie überhaupt noch glaubwürdig?
Geis: Also zumindest ist diese Aussage, die er da gemacht hat, ein Widerspruch zu seinem Verhalten jetzt, wenn er diesen Ehrensold entgegennimmt, das muss man schon anerkennen. Und das sehen die Menschen draußen ja auch so. Und dieses Urteil – dieses moralische Urteil, nicht juristische Urteil, um es noch mal zu unterscheiden –, dieses moralische Urteil kann man voll und ganz nachvollziehen. Aber ich wiederhole noch einmal: Der Staat und die Menschen, also die Staatsdiener – darf ich das mal so bezeichnen –, die das so festgestellt haben, dass ihm das zusteht, der handelt nach den Vorgaben, die er sich selber gemacht hat, und danach muss er sich beurteilen lassen. Wenn er anders handeln würde, würde er unrechtmäßig handeln. Eine ganz andere Frage ist, wie Christian Wulff sich selbst dazu stellt. Das muss er aber dann auch für sich selbst entscheiden, und da möchte ich nicht reinreden. Ich möchte auch mich jetzt nicht … Noch einmal: Wissen Sie, gegen diesen Mann sind so viele Vorwürfe erhoben worden, und manche waren ja wirklich auch kleinkariert, das muss man ja auch nachträglich feststellen, aber es waren auch Vorwürfe drin, die man nachvollziehen kann und die als Vorwürfe man nachvollziehen kann. Aber ich möchte deswegen nicht noch einmal diese ganze Kampagne, wenn man sie als solche bezeichnen darf – auch das ist wieder sehr fragwürdig, das gebe ich ohne Weiteres zu, das ist mir jetzt gerade so über die Lippen gekommen –, wenn man diese Angriffe, die in den letzten zwei Monaten oder zweieinhalb Monaten gelaufen sind, wenn man die jetzt noch weiter fortzieht, was soll denn dieser Mann machen? Soll er sich aufhängen oder was, was soll er überhaupt machen? Ich meine, irgendwo muss man jetzt auch sagen, wir dürfen jetzt nicht in eine Art Vernichtungswillen verfallen, wir müssen jetzt auch einmal Respekt haben vor dem, was das Gesetz sagt, was rechtmäßig ist. Wir müssen in unserem Rechtsstaat Rechtmäßigkeit nicht als unmoralisch ansehen. Das ist ein fragwürdiges Urteil. Ganz anders ist die Frage, wie er persönlich sich dazu verhält, ob er sein Geld nimmt und irgendwo hin spendet, das ist eine ganz andere Frage.
Zagatta: Würden Sie ihm das raten?
Geis: Ich habe hier nichts zu raten, verstehen Sie, ich will hier nicht als Moralapostel auftreten gegenüber Christian Wulff, das steht mir auch gar nicht zu. Aber ich meine, dass er … Was ich machen würde, ist wieder eine andere Frage, aber jeder Mensch hat dies für sich selbst zu entscheiden.
Zagatta: Norbert Geis, der Rechtsexperte der CSU, Bundestagsabgeordneter der Union. Herr Geis, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch!
Geis: Ich danke Ihnen auch, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Norbert Geis: Guten Morgen!
Zagatta: Herr Geis, juristisch, so sagt jetzt der Haushaltsausschuss, kann man die Auszahlung dieses sogenannten Ehrensolds an Christian Wulff nicht verhindern, aber die Empörung eines Großteils unserer Hörer, die deckt sich auch mit dem Deutschlandtrend der ARD, dem zufolge 84 Prozent der Deutschen diese Zahlung an Wulff ablehnen. Ist das kleinkariert oder können Sie diese Empörung irgendwie nachvollziehen?
Geis: Ja, nach dieser großen Kampagne, die da gelaufen ist, kann ich diese Empörung nachvollziehen, aber vielleicht werden spätere Zeiten anders über diese ganzen Vorfälle urteilen. Die Geschichte hat ihr Urteil noch nicht gesprochen. Dazu ist der Zeitraum auch zu kurz. Ich meine, man sollte die Dinge jetzt einmal ruhen lassen, man sollte sie betrachten – es werden darüber Dissertationen geschrieben werden, es werden darüber Bücher geschrieben werden. Warten wir ab, wie die Meinung dann in zehn, in 15 Jahren ist. Das ist die eine Seite, die man auch bedenken muss bei der ganzen Sache. Denn es kam eine Wortmeldung vorhin durch den Rundfunk, die sagte, man hatte eigentlich einem Menschen so etwas noch nie angetan in Deutschland, wie das so geschehen ist. Ein wenig meine ich, müssen wir uns hüten davor, dass wir jetzt in eine Art Vernichtungswillen verfallen.
Zagatta: Also das war eine Einzelmeinung, und egal jetzt, wie man zu den Vorwürfen gegen Herrn Wulff steht – er ist ja da nicht ohne Grund zurückgetreten. Herr Geis, wenn …
Geis: Darf ich mal unterbrechen? Er ist zurückgetreten, weil er – und das ist wichtig für seinen Anspruch, für seinen Rechtsanspruch – er ist zurückgetreten, weil er keine Chance mehr gesehen hat, sein Amt richtig auszuüben, und das ist der politische Grund, den das Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten vorsieht. Deswegen ist der Beschluss des Haushaltsausschusses vollkommen korrekt, und kein Gericht in Deutschland wird – wenn sich nicht noch andere Tatsachen herausstellen sollten – wird Herrn Wulff diesen Anspruch aberkennen. Das ist ein Rechtsanspruch.
Zagatta: Also so hat es Herr Wulff dargestellt, andere sagen, er hat sich da persönlich Fehler geleistet, es waren keine politischen Gründe, aber lassen wir doch diese Diskussion mal beiseite, Herr Geis. Wenn neun von zehn oder acht von zehn Deutschen der Meinung sind, Wulff sollte diesen Ehrensold nicht erhalten, dann wird doch zumindest ein Gerechtigkeitsgefühl verletzt. Kann man sich darüber einfach so hinwegsetzen?
Geis: Nein. Da bin ich schon der Meinung, dass das genauso ernst zu nehmen ist, und das darf man auch nicht ohne Weiteres wegschieben, denn die Menschen urteilen ja, weil sie es so sehen, und dieses Urteil haben wir ja auch irgendwo zu respektieren. Aber ich meine, man muss auf der anderen Seite sehen, dass wir klare rechtliche Regelungen haben, und hier macht ein Mensch nichts anderes geltend als einen Anspruch, der ihm rechtlich zusteht. Auch das muss man erkennen. Wenn die Rechtsordnung das zulässt, dann muss man das auch akzeptieren. Wie soll sich denn einer sonst verhalten? Ich meine, wenn er sich rechtmäßig verhält, und das ist in diesem vorliegenden Fall so gegeben, denn wir wissen ja, dass er … Es gibt ja keine Stimme in Deutschland, die sagt, es steht im rechtlich oder juristisch nicht zu. Er hat einen Rechtsanspruch, und nichts anderes als diesen Rechtsanspruch macht er geltend. Und das ist nicht verboten und das ist auch nicht moralisch jetzt zunächst einmal für sich genommen verwerflich.
Zagatta: Haben Sie da kein schlechtes Gefühl dabei, jemanden nach so kurzer Amtszeit, der noch unter so merkwürdigen Umständen auch diese Amtszeit beenden musste, mit so viel Geld zu entlohnen? Sorgt das nicht für Politikverdrossenheit erst recht?
Geis: Ja, da ist auf jeden Fall viel dran, das sehe ich genauso wie Sie, und da kann man schon, sagen wir mal, moralische Bedenken geltend machen. Aber ich wiederhole noch einmal: Wir haben einen Rechtsstaat, der Mann hat einen Rechtsanspruch, er macht nichts anderes geltend als das, was die Gemeinschaft – also das Parlament in diesem Fall, in Vertretung der Gemeinschaft des Volkes – so festgelegt hat. Wenn dies so sich verhält, dann muss man auch wieder auf der anderen Seite anerkennen, wenn das Recht es so vorsieht, dann habe ich auch irgendwo Respekt und Achtung vor dieser Entscheidung des Rechtes zu haben. Ich kann nicht einfach darüber hinweggehen. Ich sehe auf der anderen Seite die große Problematik, die Sie richtig bezeichnet haben, aber ich sehe auf der gegenüberliegenden Seite aber auch den ganz klaren Rechtsanspruch. Und deswegen tu ich mir als Jurist – entschuldigen Sie bitte – ich tue mich als Jurist schwer, zu sagen, es steht ihm aus moralischen Gründen dieser Rechtsanspruch nicht zu. Meine moralische Beurteilung, die ist eine ganz andere vielleicht, aber ich muss Achtung haben vor dem, was im Gesetzbuch drin steht, vor dem, was Recht ist. Ich will nicht jetzt auf dem Gesetz herumreiten, ich will auch nicht reinen Positivismus hier verkünden, sondern ich will schon sagen, wir müssen ein wenig darauf achten, dass wir nicht Menschen jetzt einen Anspruch aberkennen wollen, der ihm nun einmal gesetzmäßig und rechtmäßig zusteht.
Zagatta: Wobei Experten sagen, das ist ja höchst fragwürdig, wenn dann ausgerechnet ein enger Vertrauter von Wulff, den Wulff selbst mit nach Berlin geholt hat, mit dem er tagtäglich zusammengearbeitet hat, wenn der das ausgerechnet entscheidet. Aber Sie haben selbst gesagt, moralisch ist das eine andere Frage. Wie sehen Sie das moralisch, was würden Sie Wulff jetzt raten?
Geis: Also ich würde … Darf ich noch mal zurückkommen? Das hat so ein Geschmäckle, wenn Sie sagen, das hat einer beurteilt, der den Wulff gut kennt und der dem früheren Präsidenten gedient hat als Beamter. Ein Beamter dient nicht irgendeiner Person, sondern ein Beamter dient seinem Amt, und das muss man auch erkennen. Und darauf sind wir Deutsche ja auch stolz, dass wir den Beamten haben, der völlig losgelöst von irgendeiner politischen Meinung sein Amt versieht. Und das hat dieser Mann getan. Und jeder in Deutschland, der ein bisschen rechtskundig ist, weiß, dass dieser Mann, der dies so entschieden hat, kein umsichtiges Urteil gefällt hat und richtig gehandelt hat. Hätte er so nicht gehandelt, wie er gehandelt hat, hätte er nicht rechtmäßig gehandelt. Auch das muss man einmal erkennen, das ist auch eine moralische Frage. Und man darf diesen Menschen, die so geurteilt haben und die dem früheren Präsidenten den Anspruch zubilligen, weil er rechtens ist, denen darf man doch keinen Vorwurf machen.
Zagatta: Herr Geis, hören wir uns vielleicht doch kurz mal an, wie Wulff selbst unmittelbar nach seiner Wahl angekündigt hat, über Einschnitte in seine so üppige Versorgung nachzudenken und Abstriche hinzunehmen.
Christian Wulff: Ich halte es für ganz wichtig, dass man ein Zeichen setzt, denn wenn insgesamt das Zeichen gegeben werden muss, wir alle müssen mit weniger auskommen, dann gilt es natürlich in erster Linie auch für den Bundespräsidenten. Das habe ich im Übrigen immer so gehandhabt, auch als Ministerpräsident, deswegen konnte ich auch immer glaubhaft Appelle an andere richten, selber auch bereit zu sein, mit weniger auszukommen. Und das gilt auch in einem solchen Feld.
Zagatta: Wenn man so etwas hört, Herr Geis, wie hört sich das in Ihren Ohren an? Ist Wulff da für Sie überhaupt noch glaubwürdig?
Geis: Also zumindest ist diese Aussage, die er da gemacht hat, ein Widerspruch zu seinem Verhalten jetzt, wenn er diesen Ehrensold entgegennimmt, das muss man schon anerkennen. Und das sehen die Menschen draußen ja auch so. Und dieses Urteil – dieses moralische Urteil, nicht juristische Urteil, um es noch mal zu unterscheiden –, dieses moralische Urteil kann man voll und ganz nachvollziehen. Aber ich wiederhole noch einmal: Der Staat und die Menschen, also die Staatsdiener – darf ich das mal so bezeichnen –, die das so festgestellt haben, dass ihm das zusteht, der handelt nach den Vorgaben, die er sich selber gemacht hat, und danach muss er sich beurteilen lassen. Wenn er anders handeln würde, würde er unrechtmäßig handeln. Eine ganz andere Frage ist, wie Christian Wulff sich selbst dazu stellt. Das muss er aber dann auch für sich selbst entscheiden, und da möchte ich nicht reinreden. Ich möchte auch mich jetzt nicht … Noch einmal: Wissen Sie, gegen diesen Mann sind so viele Vorwürfe erhoben worden, und manche waren ja wirklich auch kleinkariert, das muss man ja auch nachträglich feststellen, aber es waren auch Vorwürfe drin, die man nachvollziehen kann und die als Vorwürfe man nachvollziehen kann. Aber ich möchte deswegen nicht noch einmal diese ganze Kampagne, wenn man sie als solche bezeichnen darf – auch das ist wieder sehr fragwürdig, das gebe ich ohne Weiteres zu, das ist mir jetzt gerade so über die Lippen gekommen –, wenn man diese Angriffe, die in den letzten zwei Monaten oder zweieinhalb Monaten gelaufen sind, wenn man die jetzt noch weiter fortzieht, was soll denn dieser Mann machen? Soll er sich aufhängen oder was, was soll er überhaupt machen? Ich meine, irgendwo muss man jetzt auch sagen, wir dürfen jetzt nicht in eine Art Vernichtungswillen verfallen, wir müssen jetzt auch einmal Respekt haben vor dem, was das Gesetz sagt, was rechtmäßig ist. Wir müssen in unserem Rechtsstaat Rechtmäßigkeit nicht als unmoralisch ansehen. Das ist ein fragwürdiges Urteil. Ganz anders ist die Frage, wie er persönlich sich dazu verhält, ob er sein Geld nimmt und irgendwo hin spendet, das ist eine ganz andere Frage.
Zagatta: Würden Sie ihm das raten?
Geis: Ich habe hier nichts zu raten, verstehen Sie, ich will hier nicht als Moralapostel auftreten gegenüber Christian Wulff, das steht mir auch gar nicht zu. Aber ich meine, dass er … Was ich machen würde, ist wieder eine andere Frage, aber jeder Mensch hat dies für sich selbst zu entscheiden.
Zagatta: Norbert Geis, der Rechtsexperte der CSU, Bundestagsabgeordneter der Union. Herr Geis, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch!
Geis: Ich danke Ihnen auch, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.