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Noch ein Mauermuseum?
Umstrittene Pläne für den Checkpoint Charlie

Am Berliner Checkpoint Charlie wird die ehemalige Teilung Deutschlands sicht- und spürbar. Zugleich handelt es sich um eine städtebauliche Lücke. Erste Städtebau-Entwürfe wurden vorgestellt. Die Bebauung sei jedoch umstritten, sagte Architekturkritiker Nikolaus Bernau im Dlf.

Nikolaus Bernau im Gespräch mit Mascha Drost |
    Der "Checkpoint Charlie" ist einer der letzten Orte, der an die Teilung Berlins erinnern
    Der "Checkpoint Charlie" ist einer der letzten Orte, der an die Teilung Berlins erinnern (Friedhelm Denkeler)
    Mascha Drost: Kein Park sondern ein ziemlich häßliches Stück Straßenszene ist der Checkpoint Charlie. Einer jener Punkte, die man als Berliner kaum, als Tourist aber unweigerlich aufsucht – je jünger, desto eher.Eine Straßenkreuzung mit viel Platz – und dieser Platz, mitten in der Stadt, weckt Begehrlichkeiten. Ein Investor hat sich die freistehenden Grundstücke gesichert, im Grundbuch vorgemerkt, und will ausgerechnet am 9. November nächsten Jahres loslegen: Mit einem Hotel, und allem, was ein Investorenherz höher schlagen läßt.Stehen bald Wolkenkratzer auf dem Checkpoint Charlie?Die Zukunft des Areals wird derzeit heiß diskutiert, und an unseren Architekturkritiker Nikolasu Bernau geht deshalb die Frage, worin genau denn die Brisanz dieser geplanten Neubebauung liegt.
    Nikolaus Bernau: Die Brisanz liegt einfach daran, dass einerseits dieser Ort wirklich mythisch aufgeladen ist – durch die Fotos des Kalten Krieges, von den sowjetischen und den US-Panzern, die einander gegenüberstehen et cetera. Das Zweite ist, es ist der einzige Ort in Berlin, an dem man wirklich noch spüren kann, dass die Mauer nicht nur so ein Stück Beton war, sondern dass sie ein richtiger Schnitt durch die Stadt war. Dort ist nämlich auch noch das zu sehen – oder nicht mehr zu sehen, besser gesagt –, was weggerissen wurde für die Mauer. Da ist ja eine richtige Lücke, ein Loch mitten in einer ganz dichten Stadtstruktur der ehemaligen Friedrichstadt. Da sind noch Brandwände zu sehen, die eben nur deswegen freiliegen, weil dort mal etwas weggerissen wurde. Dort gibt es eben diese ganzen kleinen Symbole von Zerteilung, die es an anderen Stellen einfach nicht mehr zu sehen gibt. Und deswegen ist das so ein hochbrisanter Ort.
    Drost: Nun haben verschiedenste Architekturbüros, darunter sehr, sehr prominente, Entwürfe entwickelt, wie man diesen Ort gestalten kann. Wie sehen diese Entwürfe aus?
    Lücke in der Stadtstruktur
    Bernau: Ja, es geht - das muss man davor sagen - wirklich noch um einen Städtebauwettbewerb. Das heißt, es geht noch nicht darum, wie die Häuser im Detail aussehen werden, obwohl natürlich schon so eine gewisse Anmutung auf den Plänen gezeigt wird, aber es geht erst mal darum, wie werden die Raummassen, wie werden die Baumassen verteilt. Und da gibt es schon erhebliche Unterschiede. Sehr auffällig ist, dass von den sieben eingeladenen Architekten sechs sich dazu entschlossen haben, möglichst viel Freiraum zu lassen, dadurch, dass man Hochhäuser baut und dass man eben einen richtigen Turm in die Gegend stellt und damit Platz freihält. Das ist nämlich eine der großen Forderungen der Denkmalpflege und von ganz vielen Bürgerinitiativen, man muss diese Lücke weiter sehen können. Da gibt es dann ganz unterschiedliche Gestaltungen, also zum Beispiel von Hild und K, das ist ein Berliner Büro, die machen so aufgetürmte Berge, wenn man so will. Oder GRAFT, das ist so das In-Berlin-Büro, die haben geradezu den Investorentraum gemacht: Die haben nämlich zwei so schräge Schichten gebaut und dann noch einen hohen Turm, und im Grunde genommen ist alles vollständig überbaut, und eine der Brandwände, die kann man dann künftig so als Hinterhofdekoration quasi noch sehen. Oder es gibt dann tatsächlich auch einen Entwurf, wie den von Sauerbruch Hutton, die gesagt haben, wir kriegen alles unter in einer Bebauung, die etwa bis 37 Meter hoch geht – das ist in der Friedrichstadt inzwischen die fast übliche berühmte Traufkante –, indem man eben extrem dicht packt und kleine Höfe nur hat und den Freiraum dadurch freihält und übrigens auch noch die Brandwände freihält. Es geht also durchaus, es sind sehr unterschiedliche Entwürfe, muss man sagen, aber eben doch immer stark in diese Stadt eingreifend. Und letztlich geht es immer wieder darum, die Investoren wollen viel Masse sehen, und der Senat will offensichtlich diese Masse auch genehmigen.
    Umstrittene Planung
    Drost: Und kommen Sie sich in diesen Interessen mit den Entwürfen näher oder geht die Schere immer weiter auseinander?
    Bernau: Also Politik und Investoren kommen sich dort insofern näher, als der Senat ja gesagt hat, wir genehmigen diese Pläne, solange wir 3.000 Quadratmeter anmieten können - wohlgemerkt - für ein neues Museum oder für eine neue Gedenkstätte an dieser Stelle, die eben an den Checkpoint Charlie, an seine spezifische welthistorische Rolle erinnern soll. Das ist heftigst umstritten schon mal, weil im Ursprungsplan waren 300 Quadratmeter vorgesehen, der Senat will jetzt 3.000 Quadratmeter haben, das Zehnfache, will dafür aber Miete bezahlen, nämlich 25 Euro pro Quadratmeter. Das heißt, das sind schon mal 900.000 Euro, die der Investor bar Kralle kriegt. Und Trockland, das ist der Hauptinvestor dort, das ist eine Firma, die wissen sehr genau zu rechnen und die wollen natürlich maximale Ausnutzung dort und auch schicke Architektur. Dafür ist diese Firma übrigens durchaus bekannt, dass sie sich immer so glamouröse Architekten nimmt, deswegen gibt es da zum Beispiel dann eben auch einen Entwurf von David Chipperfield, der wahrscheinlich derjenige ist, der am meisten öffentlich durchfallen wird, der will nämlich ein Hochhaus mitten auf die Friedrichstraße stellen.
    Drost: Bleibt als letzte Frage, ob Berlin überhaupt ein 3.000 Quadratmeter – haben Sie gerade gesagt – großes Areal als Freiluftmuseum braucht.
    Bernau: Es dreht sich darum, dass Berlin eben glaubt, es müsse noch mehr für dieses Mauergedenken tun. Andererseits gibt es bereits die Mauergedenkstätte, es gibt bereits die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum, es gibt natürlich in der Nähe die Ausstellung auch von der Topographie des Terrors, die irgendwie ja auch Mauerausstellungen sind gleichzeitig, weil da die Mauer direkt dransteht. Zudem man immer nicht vergessen darf, dass direkt daneben das ausgesprochen populäre und sehr erfolgreiche, aber privatrechtlich organisierte Mauermuseum ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.