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Noch mehr neue Energie braucht das Land

Wie lange Atomkraftwerke in Deutschland noch Strom produzieren sollen, hängt für Bundesumweltminister Norbert Röttgen davon ab, wann erneuerbare Energien 40 Prozent des Stroms liefern können. Der Bundesverband Erneuerbare Energien hat heute seine Prognose vorgelegt.

Von Dieter Nürnberger |
    Der Bundesverband Erneuerbare Energien nahm diesen Ball, den ihnen der Bundesumweltminister in den vergangenen Tagen zugespielt hat, durchaus auf. Bis 2020 will der Dachverband rund 47 Prozent des Strombedarfs in Deutschland abdecken. Das heißt, dass von Röttgen genannte Ausbauziel würde - aus Sicht des Verbandes - ungefähr 2018 oder 2019 erreicht werden.

    Wie sehen die Bilanzen für 2009 aus? Generell spricht die Branche weiterhin von einem Wachstumskurs. Die Energiebereitstellung sei auf nunmehr 10,8 Milliarden Kilowattstunden gestiegen. Die erneuerbaren Energien werden ja sowohl zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt und auch zur Herstellung von Kraftstoffen für den Verkehrsbereich. Und bei den Ergebnissen müsse man schon unterscheiden zwischen diesen einzelnen Segmenten des Marktes. Björn Klusmann ist der Geschäftsführer des Bundesverbandes.

    "Generell haben wir ein moderates Wachstum – der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch beträgt 16,1 Prozent. Beim Wärmeverbrauch haben wir inzwischen einen Anteil von 9,6 Prozent – auch hier ein deutliches Wachstum. Allerdings bei einem zurückgegangenen Wärmeverbrauch in Deutschland, das gilt generell auch für den Stromsektor. Das einzige stark negative Bild bietet der Anteil der erneuerbaren Energien am Kraftstoffverbrauch. Hier hält der Rückgang an – nunmehr 5,4 Prozent. Insgesamt haben wir mit den erneuerbaren Energien einen Marktanteil in Deutschland von gut 10,6 Prozent. Mehr als jede zehnte in Deutschland verbrauchte Kilowattstunde stammt aus den erneuerbaren Energien."

    Wichtig für einen weiteren Ausbau sei es allerdings, dass die derzeit stabilen Rahmenbedingungen erhalten blieben, hier geht es im Wesentlichen um das Erneuerbare-Energien-Gesetz. In diesem Zusammenhang forderte der Dachverband auch nochmals eine moderate Absenkung der Fördersätze für die Photovoltaik, die gegenwärtigen Kürzungspläne der Bundesregierung seien zu abrupt und auch zu hoch. Der BEE legte heute zudem eine Art Kosten-Nutzen-Rechnung vor. Gezahlte Subventionen werden hier Einsparungen gegenübergestellt. Björn Klusmann.

    "Wir haben inzwischen externe Kosten in Höhe von 7,9 Milliarden Euro vermieden. Durch CO2-Einsparungen, auch durch die Vermeidung anderer Emissionen. Hier rechnen wir auch Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden hinzu. Die wären ansonsten mit dem Betrag von 7,9 Milliarden Euro dazugekommen. Das ist eine Summe, die über dem Fördervolumen liegt: Die Umlage im Erneuerbare-Energien-Gesetz beträgt etwa 4,9 Milliarden Euro. Das heißt, allein die Betrachtung dieser externen Kosten zeigt schon, dass ein volkswirtschaftlicher Nutzen damit verbunden ist."

    Zudem konnten Importe fossiler Brennstoffe wie Öl oder Gas vermieden werden, der BEE nennt hier einen Gegenwert von rund 6,4 Milliarden Euro. Geld, welches somit in die heimische Wirtschaft geflossen sei.

    Man ist sich allerdings auch im Klaren, dass so manche Zahl dieser Bilanz etwas trügerisch ist. Allein auf dem Papier haben die Erneuerbaren im Wärmebereich beispielsweise auch zugelegt. Der Anteil stieg von 7,9 auf nun 9,6 Prozent. Aber: Hier gab es einen deutlichen Einbruch im zweiten Halbjahr 2009. Karl-Heinz Stawiarski ist Sprecher der AG Wärme im Bundesverband.

    "Das hat sich nicht nur in den Anträgen zur Förderung beim Marktanreiz-Programm niedergeschlagen. Sondern auch beim Gesamtabsatz. Also: Alle Erneuerbaren im Wärmemarkt haben im vergangenen Jahr rückläufige Werte gehabt – die Solarthermie, Biomasse und auch die Wärmepumpentechnik. Wir befinden uns in dieser Wirtschaftskrise, es ist eine Art Kaufrückhaltung. Die Leute haben Geld für anderes ausgegeben. Hinzu kommt der recht günstige Ölpreis als zusätzliche Problematik."

    Der Verband fordert nun von der Politik, die Anreize für den Einbau regenerativer Heizungssysteme zu forcieren. Auf der anderen Seite könne man sich auch eine Art Heizkessel-TÜV vorstellen, ineffiziente Anlagen könnten dann nach einer gewissen Zeit auch aus dem Verkehr gezogen werden, ähnlich wie beim Auto also. Und mit diesen ersten Informationen zurück nach Köln.