Eigentlich stimmt der Titel nicht. Ein Schwarzbuch klagt wegen der Opfer an, die eine Politik oder eine Ideologie gefordert haben. Wie immer man zum Feminismus steht, man kann ihm schwerlich vorwerfen, dass die Gleichberechtigung noch nicht so weit gediehen ist, wie sie sollte. Also wäre das Schwarzbuch eher den konservativen Kräften zu widmen, die eine volle Emanzipation bisher verhindert haben. Aber wie dem auch sei – die Autorin Ursula Caberta hat mit ihrem "Schwarzbuch Feminismus. Vom Mythos der erreichten Gleichberechtigung" den Finger in alle offenen Wunden gelegt, die unsere Gesellschaft unterm Aspekt der Geschlechtergleichheit noch aufweist und dabei den Feminismus nicht geschont – sofern er ihrer Meinung nach in die Irre leitete, versagte oder sich mit faulen Kompromissen abfand. Die Liste der Versäumnisse ist lang. Und damit auch die To-do-Liste für die Zukunft.
Wie war das zum Beispiel in den Jahren nach 1968?
"Die Revolution hatte die Frauen erreicht, und sie hielten sich nicht mit langen Reden auf. Die Zeit war gekommen, den Männern ihre Herrschaft abspenstig zu machen. Das spektakulärste Flugblatt dieser Zeit, das den Männern den Kampf ansagte, galt auch den linken, den sozialistischen Männern. Die seinerzeit gegründeten Weiberrräte hatten keine Lust auf vorsichtige, verständnisvolle Äußerungen. Die Parole hieß: 'Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen.' Als sogenanntes 'Schwanz-Flugblatt' ging dieses Werk in die Geschichte der Neuen Frauenbewegung ein."
Die Emanzen der ersten Stunde also waren militant. Und wie sieht es heute aus? Man redet sich doch, meint Caberta, die Lage schön. Alt-Feministinnen wie Alice Schwarzer klopfen sich unablässig selbst auf die Schulter, und die jungen Frauen sehen überhaupt keinen Handlungsbedarf. Dabei hat sich im harten Kern der Dinge nicht allzu viel verändert. Frauen ziehen immer noch in weit überwiegender Anzahl die Kinder groß und zahlen dafür mit einer unterbrochenen bzw. aufgegebenen Berufslaufbahn, also letztlich wie gehabt mit der Abhängigkeit von Männern – die nach wie vor das Geldverdienen dem Kinderhüten vorziehen. Und wenn eine Frau, ob nun Mutter oder nicht, es schafft, im Job zu bleiben, lernt sie bald, dass der Aufstieg an die Spitze sie eine Extra-Energie kostet, die Männer nicht aufbringen müssen. Und für die Entlohnung gilt: Im Schnitt liegen Frauen um 20 Prozent hinter den Männern. Erfolgreiche Gleichstellung? Davon kann keine die Rede sein.
Ursula Caberta, Jahrgang 1950, hat sich als SPD-Mitglied den Blick für soziale Fragen bewahrt; sie lässt sich nicht beeindrucken von jener anderen Ursula, Arbeitsministerin von der Leyen, die als vielfache Mutter, Ärztin und Politikerin den Schein erweckt, das Problem mit dem Konflikt zwischen Beruf und Familie sei gelöst, man müsse es ihr nur gleich tun. Wo genug Geld für eine Nanny und auch sonst für allerlei Unterstützung sorgt, meint Caberta, ist Vieles möglich. Die kleine Frau von der Straße hat diese Vorzugsbedingungen nicht, sie guckt in die Röhre. Und was macht sie, um sich zu trösten? Sie rennt zum Fitness-Training oder zum Schönheitschirurgen, um ihr Glück auf die älteste Tour der Welt zu versuchen: den Männern zu gefallen und vermittelt über deren Gunst ein besseres Leben zu gewinnen. Fortschritt? Null.
"Das Gewerbe mit der Schönheit boomt seit Jahren. Trotz energischer und autonomer Frauenbewegung im 20. Jahrhundert ist für heute heranwachsende Frauen anscheinend der ideale Körper schon im Teenageralter eines der erstrebenswertesten Ziele. Es stellt sich hier die Frage: Wo sind die Mütter? Ist es ein Zeichen der Resignation einer Frauengeneration, dass sie zusehen, wie ihre Töchter sich mit einem dem propagierten Medienbild entsprechenden perfekten Körper ausstatten lassen? Musste die Generation der Mütter vielleicht in der Mehrheit feststellen, dass, trotz der angeblich besseren Chancen für Frauen durch die Errungenschaften der Frauenbewegung der eigene Weg unverändert steinig geblieben ist? Und raten sie deshalb ihren Sprösslingen, auf Altbewährtes – die 'Waffen der Frauen' – zurückzugreifen, nach dem Motto: Gefalle den Männern, dann stehen dir alle Türen offen?"
Es fällt nicht leicht, die pessimistische Einschätzung der Lage, wie sie Ursula Caberta vorträgt, zu widerlegen. Und es ist auch ganz gut, wenn die klaffenden Lücken in Sachen Gleichstellung deutlich beim Namen genannt werden. Womöglich aber würde ein genauer Zahlenvergleich den Anschein, es habe sich seit 40 Jahren fast nichts verändert, korrigieren. Dass Frauen – keineswegs blitzartig, eher im Schneckentempo – das Arbeitsleben auch da besetzen, wo sie vorher kaum zu finden waren, in der Politik, der Wissenschaft, der Technik und sogar beim Militär, neuerdings in der Wirtschaft zunehmend in Spitzenjobs, dürfte nachzuweisen sein. Wenn man sich klar macht, wie viele Jahrhunderte die Herrschaft des Patriarchats, sprich der Ausschluss von Frauen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, der höheren Bildung und der akademischen Berufe, gedauert hat, so kann man kaum erwarten, dass diese enorme Umwälzung, die mit dem Programm der Gleichstellung einhergeht, sich innerhalb einiger Jahrzehnte erledigt. Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern – Männer in der Welt, Frauen im Haus – hat eine sehr lange Geschichte, deren Ausläufer uns immer noch zu schaffen machen. Geschlechtscharaktere bilden sich evolutionär, und so ist der Wunsch der Männer, eine schöne Frau zu finden, immer noch höchst lebendig, während Frauen auf männliche Schönheit weniger Wert legen und sich stattdessen beeilen, den Ansprüchen, welche die Männer an sie stellen, nachzukommen.
Wir sind noch weit entfernt von wahrer Gleichheit – und es gibt berechtigte Zweifel, ob totale Gleichheit in allen Dingen möglich und erwünscht sei. Gleichheit der Rechte und Chancen aber muss verteidigt werden, ebenso wie die politische Arbeit an der Auflösung von Herrschaft des einen Geschlechtes über das andere. Aber wer mag bestreiten, dass bezüglich dieser Ziele seit dem berühmten Flugblatt gegen die sozialistischen Eminenzen eine Menge passiert ist? Jedenfalls schien eine Bundeskanzlerin damals noch völlig undenkbar. Caberta widmet Angela Merkel ein kleines anerkennendes Kapitel und erläutert die Bedingungen, unter denen die Frau aus dem Osten antrat und gewann. Die Frauenbewegung nennt sie nicht. Dabei hat Merkel selbst gesagt, dass sie es ohne die feministischen Vorkämpfe nicht geschafft hätte.
Ursula Caberta: "Schwarzbuch Feminismus. Vom Mythos der erreichten Gleichberechtigung", Gütersloher Verlagshaus 2012
Wie war das zum Beispiel in den Jahren nach 1968?
"Die Revolution hatte die Frauen erreicht, und sie hielten sich nicht mit langen Reden auf. Die Zeit war gekommen, den Männern ihre Herrschaft abspenstig zu machen. Das spektakulärste Flugblatt dieser Zeit, das den Männern den Kampf ansagte, galt auch den linken, den sozialistischen Männern. Die seinerzeit gegründeten Weiberrräte hatten keine Lust auf vorsichtige, verständnisvolle Äußerungen. Die Parole hieß: 'Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen.' Als sogenanntes 'Schwanz-Flugblatt' ging dieses Werk in die Geschichte der Neuen Frauenbewegung ein."
Die Emanzen der ersten Stunde also waren militant. Und wie sieht es heute aus? Man redet sich doch, meint Caberta, die Lage schön. Alt-Feministinnen wie Alice Schwarzer klopfen sich unablässig selbst auf die Schulter, und die jungen Frauen sehen überhaupt keinen Handlungsbedarf. Dabei hat sich im harten Kern der Dinge nicht allzu viel verändert. Frauen ziehen immer noch in weit überwiegender Anzahl die Kinder groß und zahlen dafür mit einer unterbrochenen bzw. aufgegebenen Berufslaufbahn, also letztlich wie gehabt mit der Abhängigkeit von Männern – die nach wie vor das Geldverdienen dem Kinderhüten vorziehen. Und wenn eine Frau, ob nun Mutter oder nicht, es schafft, im Job zu bleiben, lernt sie bald, dass der Aufstieg an die Spitze sie eine Extra-Energie kostet, die Männer nicht aufbringen müssen. Und für die Entlohnung gilt: Im Schnitt liegen Frauen um 20 Prozent hinter den Männern. Erfolgreiche Gleichstellung? Davon kann keine die Rede sein.
Ursula Caberta, Jahrgang 1950, hat sich als SPD-Mitglied den Blick für soziale Fragen bewahrt; sie lässt sich nicht beeindrucken von jener anderen Ursula, Arbeitsministerin von der Leyen, die als vielfache Mutter, Ärztin und Politikerin den Schein erweckt, das Problem mit dem Konflikt zwischen Beruf und Familie sei gelöst, man müsse es ihr nur gleich tun. Wo genug Geld für eine Nanny und auch sonst für allerlei Unterstützung sorgt, meint Caberta, ist Vieles möglich. Die kleine Frau von der Straße hat diese Vorzugsbedingungen nicht, sie guckt in die Röhre. Und was macht sie, um sich zu trösten? Sie rennt zum Fitness-Training oder zum Schönheitschirurgen, um ihr Glück auf die älteste Tour der Welt zu versuchen: den Männern zu gefallen und vermittelt über deren Gunst ein besseres Leben zu gewinnen. Fortschritt? Null.
"Das Gewerbe mit der Schönheit boomt seit Jahren. Trotz energischer und autonomer Frauenbewegung im 20. Jahrhundert ist für heute heranwachsende Frauen anscheinend der ideale Körper schon im Teenageralter eines der erstrebenswertesten Ziele. Es stellt sich hier die Frage: Wo sind die Mütter? Ist es ein Zeichen der Resignation einer Frauengeneration, dass sie zusehen, wie ihre Töchter sich mit einem dem propagierten Medienbild entsprechenden perfekten Körper ausstatten lassen? Musste die Generation der Mütter vielleicht in der Mehrheit feststellen, dass, trotz der angeblich besseren Chancen für Frauen durch die Errungenschaften der Frauenbewegung der eigene Weg unverändert steinig geblieben ist? Und raten sie deshalb ihren Sprösslingen, auf Altbewährtes – die 'Waffen der Frauen' – zurückzugreifen, nach dem Motto: Gefalle den Männern, dann stehen dir alle Türen offen?"
Es fällt nicht leicht, die pessimistische Einschätzung der Lage, wie sie Ursula Caberta vorträgt, zu widerlegen. Und es ist auch ganz gut, wenn die klaffenden Lücken in Sachen Gleichstellung deutlich beim Namen genannt werden. Womöglich aber würde ein genauer Zahlenvergleich den Anschein, es habe sich seit 40 Jahren fast nichts verändert, korrigieren. Dass Frauen – keineswegs blitzartig, eher im Schneckentempo – das Arbeitsleben auch da besetzen, wo sie vorher kaum zu finden waren, in der Politik, der Wissenschaft, der Technik und sogar beim Militär, neuerdings in der Wirtschaft zunehmend in Spitzenjobs, dürfte nachzuweisen sein. Wenn man sich klar macht, wie viele Jahrhunderte die Herrschaft des Patriarchats, sprich der Ausschluss von Frauen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, der höheren Bildung und der akademischen Berufe, gedauert hat, so kann man kaum erwarten, dass diese enorme Umwälzung, die mit dem Programm der Gleichstellung einhergeht, sich innerhalb einiger Jahrzehnte erledigt. Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern – Männer in der Welt, Frauen im Haus – hat eine sehr lange Geschichte, deren Ausläufer uns immer noch zu schaffen machen. Geschlechtscharaktere bilden sich evolutionär, und so ist der Wunsch der Männer, eine schöne Frau zu finden, immer noch höchst lebendig, während Frauen auf männliche Schönheit weniger Wert legen und sich stattdessen beeilen, den Ansprüchen, welche die Männer an sie stellen, nachzukommen.
Wir sind noch weit entfernt von wahrer Gleichheit – und es gibt berechtigte Zweifel, ob totale Gleichheit in allen Dingen möglich und erwünscht sei. Gleichheit der Rechte und Chancen aber muss verteidigt werden, ebenso wie die politische Arbeit an der Auflösung von Herrschaft des einen Geschlechtes über das andere. Aber wer mag bestreiten, dass bezüglich dieser Ziele seit dem berühmten Flugblatt gegen die sozialistischen Eminenzen eine Menge passiert ist? Jedenfalls schien eine Bundeskanzlerin damals noch völlig undenkbar. Caberta widmet Angela Merkel ein kleines anerkennendes Kapitel und erläutert die Bedingungen, unter denen die Frau aus dem Osten antrat und gewann. Die Frauenbewegung nennt sie nicht. Dabei hat Merkel selbst gesagt, dass sie es ohne die feministischen Vorkämpfe nicht geschafft hätte.
Ursula Caberta: "Schwarzbuch Feminismus. Vom Mythos der erreichten Gleichberechtigung", Gütersloher Verlagshaus 2012