Der Begriff The extended self beschreibt die Erweiterung des Selbst, also einer Person beziehungsweise einer Persönlichkeit. Das kann auch durch ein Gerät passieren, etwa durch ein iPhone. Es gibt Nutzer, die emotional mit ihm verwachsen und ihr Smartphone als Teil ihres Daseins wahrnehmen. Grund genug für Glenn Leshner von der Universität von Oklahoma den Begriff um das kleine "i" für seine Studie zu erweitern - die Rede ist von "The Extended iSelf. Für das Interview ließ sich der US-Forscher auf seinem Mobilfunkgerät anrufen.
"I am talking on an iPhone, yes."
Für die Studie wurden Studenten eingeladen, einfache Wortpuzzles zu lösen. Zu gewinnen gab es einen 50-US-Dollar Gutschein. Da die meisten der Teilnehmer iPhone-Nutzer waren, konzentrierten sich die Forscher aus methodischen Gründen auf dieses Gerät.
"Wir wollten herausfinden, ob es wirklich physiologisch messbare Folgen gibt, wenn einem iPhone-User das Gerät abgenommen wird. Angstzustände kann man so besser messen als durch reines Abfragen. Zudem wollten wir überprüfen, ob und wie dies die Konzentration unserer Teilnehmer verändert."
Ohne iPhone besorgt und ängstlich
Die Studenten erledigten zunächst die Aufgabe mit ihrem iPhone in der Tasche oder in der Hand. Anschließend mussten sie es aber knapp anderthalb Meter weit weglegen. Angeblich, weil das Gerät die Messung von Blutdruck und Puls störte. Danach folgte ein weiteres Puzzle. In dieser Zeit riefen die Forscher das abgelegte Smartphone an und ließen es fünfmal klingeln. Die Studenten durften nicht an ihr iPhone gehen, sondern sollten sich auf den Test konzentrieren. Die Ergebnisse waren eindeutig, so Glenn Leshner.
"Sobald wir den Teilnehmern das iPhone abgenommen hatten, stieg bei ihnen der Blutdruck, der Puls ging hoch und die Konzentrationsfähigkeit ließ nach - vor allem, wenn wir sie anriefen. Hatten sie das iPhone wieder in der Tasche, waren alle Daten normal. Bei den anschließenden Befragungen bestätigten die Probanden die Messung. Ohne ihr iPhone waren sie besorgt und ängstlich. Bekamen sie ihr Gerät zurück, verschwanden das Unwohlsein und die anderen negativen Aspekte wieder."
"Handylosigkeit" löst Stress aus
Demnach kann unter gewissen Umständen "Handylosigkeit" phobische Reaktionen hervorrufen - Angst, für das soziale Umfeld nicht erreichbar zu sein. Doch, ob es sich bei dieser Angst um eine Erkrankung im Sinne einer Verhaltensstörung handelt, kann Glenn Leshner nicht beantworten.
"Es gibt Experten, die dieses Verhalten als Nomophobie bezeichnen, also als wirkliche Störung. Und wir haben ja gezeigt, dass es tatsächlich physiologische Beschwerden gibt. Wir können mit unseren Daten aber noch nicht absehen, ob langfristige Nachwirkungen daraus hervorgehen können.
Benutzungshäufigkeit altersbedingt
Deshalb geben die US-Forscher an Smartphone-Besitzer eine kuriose Empfehlung ab: Nur im Beisein ihres Mobilfunkgeräts sollten sie in Prüfungen oder Meetings gehen, damit sie nicht von emotionalen oder körperlichen Angstsymptomen abgelenkt werden. Dieses Verhalten muss aber nicht ausschließlich für Digital Natives gelten, sie seien nur besonders gefährdet. Bei den Tests gaben die Studenten an, ihr iPhone täglich im Schnitt dreieinhalb Stunden zu benutzen.
"Es liegt also vielleicht eher an der Benutzungshäufigkeit, denn am Alter. Aber es ist klar,- dass junge Leute ihr iPhone häufiger nutzen als ältere Menschen."