Der Wechsel in der Bundesregierung dürfte auch Veränderungen in der Sportpolitik mit sich bringen. Wie wird die Sportförderung in Deutschland in den kommenden Jahren aussehen? „Meines Erachtens bedarf es ganz klar einer gesellschaftspolitischen Diskussion. Wo soll der Sport hingehen? Wo soll vor allen Dingen der Spitzensport hingehen? Diese Diskussion muss unbedingt geführt werden. Da hinken wir schon lange hinterher. Solange wir das nicht diskutiert haben und auch Lösungen sehen, wird es immer wieder schwer werden, eine Förderung des Spitzensports zu rechtfertigen“, sagte Norbert Stein im Deutschlandfunk.
Stein war über 40 Jahre lang Dozent für Leichtathletik an der Deutschen Sporthochschule Köln und war dort auch als Rektoratsbeauftragter für Spitzensport tätig. Als Trainer war er zudem auch bei Olympischen- und Paralympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften im Einsatz - ein Mann "aus dem Maschinenraum" des Sports.
"Wir haben ein Nachwuchsproblem"
Besonders der fehlende Nachwuchs wurde im Spitzensport in den vergangenen Jahren bemängelt. „Wir haben ein Nachwuchsproblem, das kann man so konstatieren“, sagte Stein. Das Problem sei jedoch kein generelles Problem. Vielmehr liege des daran, dass im Sport eine flächendeckende Talentsichtung fehle. „Ich könnte es jetzt böse formulieren und sagen, jede Sportart wurschtelt vor sich hin. Da müssen wir zu klaren Lösungen kommen und da spielen dann auch die Schulkontakte eine Rolle.“
"Wir wollen tolle Vorbilder schaffen"
Eine neue Bundesregierung dürfte auch einen Wechsel in der Sportpolitik bedeuten. Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland, wünscht sich im Verhältnis zwischen Politik und Sport wieder mehr Vertrauen. Erfolge sollten zudem nicht nur an Medaillen gemessen werden, sagte Herber im Dlf.
Eine neue Bundesregierung dürfte auch einen Wechsel in der Sportpolitik bedeuten. Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland, wünscht sich im Verhältnis zwischen Politik und Sport wieder mehr Vertrauen. Erfolge sollten zudem nicht nur an Medaillen gemessen werden, sagte Herber im Dlf.
Wenn talentierte Kinder es in den Spitzensport schaffen sollen, müsse eine solche flächendeckende Talentsichtung eingefordert werden, sagte Stein. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr. Wir müssen uns also um das Hänschen kümmern und rechtzeitig sehen, dass wir wirklich talentierte Kinder für uns gewinnen und dann auch der richtigen Sportart zuführen.“
Früher habe es dafür eine engere Verzahnung von Schulen und Vereinen gegeben, so Stein. „Heute, wo wir sehr viel Ressourcenmangel kennen, ist das gerade im Bereich des Schulsports ein großes Problem geworden. Wenn Lehrermangel herrscht, fällt der Schulsport meistens als erstes aus. Das zeigt den Stellenwert des Schulsports. Natürlich müssen wir uns an pädagogischen Perspektiven orientieren, aber was mir auch ein bisschen fehlt, ist die allgemeine Leistungsorientierung, unter anderem durch die Notendiskussion, die sich hier nicht unbedingt positiv auswirkt. Vom Sport in den Grundschulen will ich erst gar nicht reden. Das ist noch ein sehr weites Entwicklungsfeld, um es freundlich auszudrücken.“
"Immer Gesamtpaket des Kindes sehen"
Die Notengebung müsse im Schulsport Fähigkeiten bezogen gedacht werden. „Auch im Sinne der Wertevermittlung ist es wichtig, dass man das, was im Sportunterricht passiert, nicht rein auf eine motorische Fähigkeit bezieht, sondern es muss immer das Gesamtpaket des Kindes gesehen werden. Und dazu gehören auch Mittel und Wege, die eingesetzt werden müssen, um ein Kind zum Sporttreiben zu motivieren und es vielleicht dann irgendwann in den Spitzensport überführen zu können.“
Karla Borger: "Können etwas erreichen"
Beachvolleyballerin Karla Borger ist neue Präsidentin von Athleten Deutschland. Im Deutschlandfunk sagte Borger, warum die Mitglieder sie gewählt haben und spricht über die kommenden Aufgaben.
Beachvolleyballerin Karla Borger ist neue Präsidentin von Athleten Deutschland. Im Deutschlandfunk sagte Borger, warum die Mitglieder sie gewählt haben und spricht über die kommenden Aufgaben.
Dazu brauche es mehr Sportstunden pro Woche, so Stein. „Dann brauchen wir eine deutlich höhere Anerkennung des Unterrichtsfachs Sport. Wir brauchen eine Wiederbelebung der Kooperationen zwischen Schule und Verein. Wir brauchen gegebenenfalls eine höheren Anteil an Sportschulen. Und wir brauchen eine einfache, aber regelmäßige Leistungsdiagnostik, um den Fähigkeitsstand der Kinder beurteilen zu können. Das passiert bei uns nicht, das ist auch eine Personalfrage.“
"Duale Karriere ist ein unverzichtbares Kriterium"
Bei vielen Jugendlichen Leistungssport käme nach dem Abitur der Zeitpunkt, wenn sich viele gegen den Sport und für ein Studium entscheiden. Im Bereich der dualen Karriereförderung habe Deutschland „einen deutlichen Nachholbedarf“, so Stein. Konkret gehe es darum, Studienpläne an Trainingspläne anzupassen und so Überschneidungen von Trainingslager und Prüfungsphasen zu verhindern. „Da müssen wir uns was einfallen lassen. Vor allem, wenn wir berücksichtigen, dass mehr als Drittel aller deutschen Spitzensportler Studierende sind.“ Das Ganze ließe sich dann auch auf den Schul- und Ausbildungsbereich transferieren, so Stein. „Duale Karriere ist ein unverzichtbares Kriterium in unserem Land, um Spitzensport zu bewerkstelligen.“
Um das zu schaffen, müsse an den Universitäten fachkundiges Personal wie Mentoren oder Leistungssportbeauftragte eingesetzt werden. Dort könnte auch der Hebel der Finanzierung angesetzt werden, sagte Stein.
"Systemfehler" bei der Bezahlung von Trainerinnen und Trainern
Ein genauso großes Problem wie die Nachwuchsförderung sei im deutschen Sport das Thema Trainerinnen und Trainer, vor allem Trainerinnen im Spitzensport. „Da haben wir noch Riesen-Nachholbedarf, weil es viel zu wenige gibt.“
Klar kritisiere Stein die Rekrutierung von Trainerinnen und Trainern. „Da gibt es nicht so etwas wie eine Talentsuche.“ Der zweite Punkt sei die Bezahlung. „Da liegt für mich eigentlich ein Systemfehler vor. Trainerinnen und Trainer werden mit ihren Athletinnen und Athleten groß und wachsen dann in den Leistungssport rein. Das sind dann Leute, die beruflich anderweitig engagiert sind und keine hauptberufliche Trainerkarriere anstreben. Aber genau die brauchen wir und die müssen wir vernünftig ausbilden und das kostet Geld. Wir haben eigentlich ein gutes Ausbildungssystem in Deutschland. Aber wir müssen sehen, dass wir die, die wir einsetzen wollen, weil sie gut sind, gut ausbilden und bezahlen.“