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Nord-Mali
In der Region Meneka geht der Friedensprozess voran

Der mühsam ausgehandelte Friedensprozess in Mali ist überschattet von Anschlägen und wachsender Kriminalität. Im Norden des Landes versuchen die Menschen dennoch voranzukommen. Es gibt eine Übergangsverwaltung, Armee und ehemalige Rebellen versuchen gemeinsam, die Sicherheitslage stabil zu halten. Dazu kommt Hilfe aus Deutschland.

Von Jens Borchers | 13.05.2017
    Malische Milizionäre patroullieren in der nordmalischen Stadt Sevare,
    Malische Milizionäre patroullieren in der nordmalischen Stadt Sevare, Aufnahme von 2013 (picture alliance / dpa )
    "Das ist feierlicher, historischer Tag für uns!" Adoulwahab Mohamed wirkt aufgeregt, als er bei dieser offiziellen Zeremonie in Ménaka redet. Der 27jährige wird gerade in sein Amt als Chef der Übergangsverwaltung für die Region Ménaka im Norden von Mali eingeführt. Vor fünf Jahren waren die staatlichen Verwaltungen in Nord-Mali vor dem Ansturm von Aufständischen und Islamisten geflohen. Jetzt soll der junge Adoulwahab Mohamed dafür sorgen, dass wieder etwas für die Bevölkerung in Ménaka getan werden kann. Was? Mohamed rattert eine Prioritäten-Liste herunter.
    "Die Herausforderungen sind enorm", sagt er. Die Versorgung mit Wasser und Strom, der Zustand der Straßen, Investitionen in Handel, Viehzucht und Jobs für junge Menschen, die Liste sei erschöpfend.
    Und dann sagt Adoulwahab Mohamed noch etwas vor den versammelten Honoratioren und Gästen:
    "Klar ist: Niemand wird kommen, um an unserer Stelle für Sicherheit, Versöhnung und Entwicklung zu sorgen."
    Mohamed meint damit: Wir, die Menschen in Ménaka, wir müssen das selbst machen. Zwei Wochen später wird der Chef einer regierungsfreundlichen Miliz in seinem Haus in der Regionalhauptstadt Ménaka ermordet. Fast täglich gibt es Überfälle, Diebstähle, Banden-Kriminalität. Mitten in der Stadt, aber auch in der Umgebung. Die Frage ist: Wer kann für Sicherheit sorgen?
    "Die Menschen haben die Nase voll von Unsicherheit, Raubüberfällen und Mordanschlägen"
    In Ménaka gibt es einen kleinen Stützpunkt mit Soldaten der Blauhelm-Mission Minusma. Auch einen Stützpunkt der malischen Armee. Außerdem sind da die Kämpfer verschiedener Milizen. Und eine Bevölkerung, so schildert es Daouda Maiga, der Gouverneur der Region, die endlich in Sicherheit leben will:
    "Die Menschen haben die Nase voll von Unsicherheit, Raubüberfällen und Mordanschlägen. Das hat dazu geführt, dass sich in Ménaka alle zusammengeschlossen haben, um diese Unsicherheit zu beenden. Alle wissen: Einzelne, sei es die Regierung, die Minusma oder eine Miliz. Einzelne schaffen das nicht."
    Deshalb sollen regierungsfreundliche Milizen, malische Armee, Minusma und die Bürger in der Region gemeinsam für Sicherheit sorgen. Bürger melden es, wenn sie etwas Verdächtiges bemerken. An Kontrollpunkten überprüfen Bewaffnete jedes Fahrzeug, das nach Ménaka hinein will. Und Soldaten der malischen Armee patrouillieren gemeinsam mit den Milizen auf den Straßen. All das wurde auf einer Bürgerversammlung Ende März beschlossen. Die Bürger stimmten sogar einer nächtlichen Ausgangssperre zu.
    Als die neue Übergangsverwaltung ihre Arbeit aufnahm, rechneten viele damit, dass es Machtkämpfe mit dem Gouverneur geben würde. Dass einzelne Milizen Sonderrechte einfordern könnten. Momentan sieht es anders aus. Übergangsverwaltung, Gouverneur, Milizen und Bürger beraten sich untereinander. Sie tauschen sich aus, suchen gemeinsam nach Lösungen. Das ist häufig mühselig und aufwendig. Aber es hat einen großen Vorteil: Alle übernehmen Verantwortung. So sieht es der junge Chef der Übergangsverwaltung von Ménaka, Adouwahab Mohamed:
    "Wir sind auf einem gutem Weg. Der muss jetzt durch gemeinsame Aktionen und Motivationsmaßnahmen ausgebaut werden. Damit nicht nur die verschiedenen bewaffneten Gruppen mitmachen, sondern die ganze Bevölkerung."
    Wie viel Schutz die gemeinsam beschlossenen Sicherheitsmaßnahmen wirklich bieten können, das ist schwer einzuschätzen. Aber sie sind der Versuch, die notwendige Sicherheit für eine langsame wirtschaftliche Entwicklung der Region zu schaffen. Hohe Arbeitslosigkeit, mangelnde Infrastruktur, fehlende Investitionen – die Mängelliste ist lang. Ménaka ist – wie die anderen Regionen in Nord-Mali auch – strukturschwach. Wie strukturschwach, dass lässt sich etwa 150 km östlich der Regionalhauptstadt Ménaka besichtigen. Der kleine Ort Inékar hat keine Stromversorgung. Fließendes Wasser gibt es auch nicht. Nach Inékar führt auch keine richtige Straße. Der Bürgermeister sagt, wir brauchen dringend Wasser. Strom. Schulen. Aber ein Projekt habe Top-Priorität:
    "Eine Straßenverbindung von Ansongo über Ménaka bis ins Nachbarland Niger - das würde uns neue Chancen eröffnen. Für den Handel. Das würde uns helfen."
    Eine Straße, auf der zügig Waren transportiert werden könnten. Auf der Händler unterwegs wären. Gouverneur Daouda Maiga sagt, etliche Studien für dieses Projekt seien bereits in Arbeit:
    "Wir haben unsere Partner um Hilfe gebeten, denn mit dieser Straße wäre schon mal ein Großteil unserer Sorgen behoben."
    Jugendverband: Viele müssen vor dem Abitur die Schule abbrechen
    Ob die Straße wirklich gebaut wird, das ist noch offen. Die Region Ménaka plagt sich allerdings noch mit anderen Sorgen: beispielsweise, wie die vielen jungen Menschen in Ménaka Arbeit finden können. Für Mamadou Jiba, Vorsitzender des Jugendverbandes der Region, ist das die Schlüsselfrage. Jiba sagt: Wir brauchen Wasser, Strom, Straßen und ärztliche Versorgung. Das seien die Voraussetzungen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Nur wenige in der Region schaffen es bis zum Abitur. Viele müssen vorher die Schule abbrechen, sagt Mamadou Jiba:
    "Neben diesen Schul-Abbrechern gibt es noch den großen Teil der Jugendlichen, die nie eine Schule besucht haben. Sie alle sind es, die instrumentalisiert werden. Die gehen zu den bewaffneten Banden, weil sie sonst keine Perspektive für sich sehen. Ich glaube, der Staat muss sich vor allem um Beschäftigungsmöglichkeiten für die jungen Leute kümmern."
    Gouverneur Daouda Maiga sagt, er habe einen Entwicklungsplan für die kommenden zehn Jahre. Mit Hilfe von außen will er ihn umsetzen. Deshalb kümmert sich die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die GIZ, im Auftrag der Bundesregierung um kleine Stabilisierungsprojekte in Ménaka: Sie organisiert Bürgerdialoge, damit Vorschläge für Projekte in der Region erarbeitet werden. Sie Mitarbeiter der neuen Übergangsverwaltung aus. Die GIZ arbeitet dabei mit lokalen Nichtregierungsorganisationen zusammen. Eigene Mitarbeiter nach Ménaka zu entsenden – das erscheint wohl noch zu gefährlich. Die Sicherheitsrisiken komplizieren alles, woran in Ménaka gearbeitet wird: Infrastruktur, Arbeitsplätze, Verwaltung - immer wieder gibt es Anschläge und Überfälle. Gouverneur Daouda Maiga sagt:
    "Für Nord-Mali ist es wichtig, in der Entwicklung voranzukommen. Die Unsicherheit ist teilweise immer noch da. Aber wir können ja nicht einfach die Hände in den Schoß legen, bis die Waffen komplett verstummt sind."