Wie die Bundeskanzlerin auf dem EU-Gipfel hat auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die geplante Gasleitung "Nord Stream 2" verteidigt. Die soll ermöglichen, dass Gas nicht mehr wie bisher über die Ukraine transportiert werden muss, sondern direkt von Russland nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern. Damit würden Polen und die Ukraine als Transitländer geschwächt, Deutschland würde zum Hauptverteiler für russisches Erdgas in Westeuropa.
Die Leitung liege im deutschen Interesse, da sei er sich mit der Bundeskanzlerin einig, sagte Gabriel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Es gebe allerdings politische Bedingungen für das Projekt. Die Wichtigsten seien, dass Russland die Transitpipeline durch die Ukraine auch nach 2019 in ausreichenden Umfang aufrechterhalte, dass die Versorgungssicherheit in Osteuropa garantiert sei und dass sich das Projekt an die europäischen und deutschen Regeln halte.
Gabriel kritisiert ideologische Scheingefechte
Sein Eindruck aus einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Putin sei, dass die russische Seite dies akzeptiere und nach konstruktiven Lösungen suche. Dies solle auch die EU tun und keine ideologischen Scheingefechte führen. Auf dem EU-Gipfel diese Woche hatten Polen, Ungarn, Litauen und Italien das Projekt stoppen wollen.
Angela Merkel hatte dagegen gehalten, zuerst einmal handele es sich um ein wirtschaftliches Projekt. Beteiligt an "Nord Stream 2" sind neben Russland auch die deutschen Konzerne Eon und BASF sowie das britisch-niederländische Unternehmen Shell, die österreichische OMV und die französische Engie-Gruppe. Doch auch in der CDU gibt es Kritiker.
"Man muss es kritisch sehen, weil es nicht nur ein wirtschaftliches privates Geschäft ist, sondern weil, wie Energie immer, es hochpolitisch ist und eine strategische Bedeutung hat", sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen. "Nord Stream 2" widerspreche dem Ziel, die Abhängigkeit von Russland in der Energiefrage zu reduzieren.
Linksfraktion: Kein wirklicher Bedarf
"Wir haben ja gesehen, dass einseitige Anhängigkeit von Energieversorgung natürlich eine eminente Sicherheitsfrage ist. Und wenn in Zukunft Russland/Gazprom Europa nicht mehr dadurch beliefert, dass es als Transitland durch die Ukraine und Polen muss, sondern diese beiden Länder umgehen kann durch die Ostsee, dann wird aus einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis viel stärker vom Lieferanten, von Russland."
Deutschland solle Nachbarn wie Polen keinen Anlass zur Beunruhigung geben, sagte der Abgeordnete Christoph Bergner der FAS; der Zusammenhalt der Europäischen Union sei wichtiger als das Verhältnis zu Russland. Auch Dieter Janecek, der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sieht den Einsatz der Kanzlerin für das neue Leitungsprojekt kritisch:
"Wir haben keinen wirklichen Bedarf für diese weiteren Leitungen. 55 Milliarden Kubikmeter Gas jedes Jahr werden bereits potentiell zur Verfügung gestellt durch Nord-Stream in der bisherigen Form."
"Nebenaußenpolitik mit Russland"
Die 2011 eröffnete Nord-Stream Pipeline transportiert russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland. Anteile an der Betreiberfirma halten Gazprom, BASF über die Tochterfirma Wintershall, Eon, Gasunie und GDF Suez.
"Das ist alles nur in dem Kontext zu erklären, dass Teile der Bundesregierung so eine Art Nebenaußenpolitik formulieren mit Russland und sagen, da ist das deutsch-russische Interesse im Vordergrund."
Das schüre, sagt Janecek, berechtigte Ängste bei den europäischen Partnern. Europa bezieht rund ein Drittel seines Gases aus Russland.