Silvia Engels: Das Gipfeltreffen zwischen den Staatschefs Nord- und Südkoreas hat symbolträchtige Bilder produziert: Händeschütteln, gemeinsames Bäumepflanzen und freundliches Lächeln zwischen Kim Jong-un und Moon Jae-in. Doch unter der Oberfläche der schönen Bilder schlummern weiterhin große politische Differenzen. Die will man nun Zug um Zug beilegen.
Ein Friedensvertrag soll mittelfristig den bisherigen Zustand des Waffenstillstands zwischen den beiden Koreas ablösen. Außerdem Denuklearisierung, der Austausch auf hoher Militärebene ist ein Thema, und bei der Familienzusammenführung will man auch vorankommen. – Am Telefon ist Sven Schwersensky. Er leitet das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Seoul. Ich grüße Sie, Herr Schwersensky.
Sven Schwersensky: Guten Tag, Frau Engels.
"Das Entscheidende ist das Treffen zwischen Kim Jong-un und Trump"
Engels: Wie bewerten Sie diese ersten Ergebnisse? Welches finden Sie das Herausragende?
Schwersensky: Nun, das ist eine schwierige Frage. Ich denke, das Entscheidende bei dieser ganzen Gipfeldiplomatie ist letztendlich das Treffen zwischen Kim Jong-un und Trump. Der Gipfel heute hat dafür ein sehr hohes Niveau gesetzt, was allein schon das Atmosphärische angeht.
Engels: Damit spielen Sie wahrscheinlich auf diese Pläne an, dass man die koreanische Halbinsel frei von Atomwaffen haben will. Da ist ja bekanntlich das Hauptstreitthema das nordkoreanische Atomprogramm. Sehen Sie hier ohne Zustimmung der USA eigentlich keine praktischen Möglichkeiten voranzukommen?
Schwersensky: Genauso ist es. Was wir am 21. April von Kim Jong-un gehört haben, ist eine einseitige begrenzte Erklärung zu einem Moratorium, und darüber muss es weit hinausgehen, wenn man von einer Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel spricht.
Engels: Was muss dazukommen?
Schwersensky: Zunächst einmal: Es reicht nicht, wenn hier Atomtests eingestellt werden oder Langstreckenraketentests eingestellt werden. Es muss eine Einstellung des gesamten Plutoniumprogramms kommen und es muss auch vor allen Dingen zu einem kontrollierbaren Regime des Abbau der bestehenden Waffenbestände kommen.
USA und China müssen mit an den Tisch
Engels: Wir haben ja zu Anfang den O-Ton unseres Experten Klitz gehört, der gesagt hat, genau das hatten wir eigentlich schon alles mal zwischen den beiden Koreas vereinbart. Es hat dann nicht gehalten. Sind Sie da ähnlich skeptisch, dass wir hier nur eine Scheinblüte erleben?
Schwersensky: Nein, bin ich nicht. Ich denke, dass wir heute eine ganz andere strategische Situation haben mit den Fähigkeiten, die Nordkorea entwickelt hat, amerikanisches Territorium mit Interkontinentalraketen zu erreichen. Das war 2007 oder 2002 oder auch 1994 noch nicht der Fall. Die Filme, wie Herr Klitz gesagt hat, haben wir noch nicht gesehen.
Engels: Dann schauen wir auf die anderen Themen, die ja auch vorangebracht werden sollen. Ganz vorneweg, dass es endlich einen Friedensvertrag zwischen den beiden Koreas geben soll. Was kann dann ganz praktisch hier der nächste Schritt sein?
Schwersensky: Da müssen auch wiederum die USA und diesmal auch die Volksrepublik China mit am Tisch sitzen, weil sie Signatarstaaten des Waffenstillstandsabkommens sind, und letztendlich ist das auch eine Angelegenheit der Vereinten Nationen. Ich bin da etwas skeptisch, ob das innerhalb eines Jahres erreicht werden kann, aber es ist aus meiner Sicht ein ganz wesentliches Element, um vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber Nordkorea in die Wege zu leiten.
Engels: Nehmen wir an, dass die Mandatarstaaten da bereit wären mitzuziehen. – Was könnte mit einem Friedensschluss anders werden als es jetzt ist?
Schwersensky: Dann würden bestimmte militärische Vorkehrungen in der sogenannten entmilitarisierten Zone abgebaut werden. Darauf haben sich ja schon die beiden Seiten Nord- und Südkorea heute geeinigt, dass sie da einen Abbau von Bedrohung vornehmen wollen. Aber es bedarf dann auch im Rahmen der UN – und das ist das ausschlaggebende Argument hier – anderer Maßnahmen, was die Sanktionen angeht.
Besuchsrecht: "Das kennen wir ja aus Deutschland, was das bedeutet"
Engels: Dann versuchen wir es auch noch mal praktischer zu machen. Es gibt ja auch das Thema der Familien, die derzeit getrennt sind. Auch hier will man näher zusammenarbeiten. Was könnte dahinter stecken?
Schwersensky: Das fand ich am interessantesten eigentlich, dass man darüber gesprochen hat, dass neue Verkehrswege aufgetan werden sollen. Das kennen wir ja auch aus Deutschland, was das bedeutet. Und, dass es nicht nur zu Familientreffen kommen soll, die dann ein oder zwei Tage stattfinden, sondern dass die Bürger aus Nord- und Südkorea sich gegenseitig besuchen dürfen sollten. Das fand ich eigentlich das Wichtigste bei diesem Gipfel heute.
Engels: Wenn Sie unter all diese Themen einen Strich ziehen, wer hat sich da jetzt mehr bewegt, Nordkorea oder Südkorea?
Schwersensky: Die Bewegung war interessant heute. Sie haben ja davon gesprochen, dass der eine auf die andere Seite gegangen ist und dann der andere wieder auf die andere Seite zurückgegangen ist. Aber ich denke, es war einfach faszinierend, wie jemand, der eigentlich nur daran gewöhnt ist, Medien zu steuern und sich in den Medien so darzustellen, dass er das wahrscheinlich auch irgendwo noch mal nachzensiert, sich so offen gegeben hat und vor allen Dingen bei der Schlusspressekonferenz der einzige war, der den Journalisten noch mal für ihr Interesse gedankt hat.
Engels: Das heißt, Sie sehen durchaus auch vom ganzen Auftreten her die stärkere Bewegung bei Kim Jong-un, dem Nordkoreaner?
Schwersensky: Ja. Er hatte durchaus einen schwierigen Tag heute. Er ist aber auch derjenige, der viel zu bringen hat. Daher ist allein das schon eine Geste, die wir noch mal ganz genau bewerten sollten.
Engels: Auf was für einen Rückhalt kann denn der südkoreanische Präsident bei seiner Annäherungspolitik in der Bevölkerung in Südkorea setzen?
Schwersensky: Überraschenderweise haben alle Parteien im Parlament heute sich positiv dazu geäußert, mit unterschiedlichen Bedingungen verbunden. Es gab auch eine kleine Demonstration, die gefordert hat, dass man jetzt die Gelegenheit nutzen sollte und Bomben auf Nordkorea abwerfen müsste. Aber ich denke, die allgemeine Akzeptanz dieser neuen Öffnungspolitik ist gegeben. Interessanterweise gab es eine Anekdote: Es gab kalte Nudeln beim Menü heute Abend und viele Leute in den Mittagsstunden sind in Kalte-Nudel-Restaurants gegangen, um einfach ihre Zustimmung zu diesen ganzen Ereignissen auszudrücken.
Engels: Kalte Nudeln als mögliches Hoffnungszeichen im Korea-Konflikt – vielen Dank für Ihre Einschätzungen. Das war Sven Schwersensky. Er leitet das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Seoul. Ich bedanke mich.
Schwersensky: Ich danke Ihnen.
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