"An die Stelle der Monarchie tritt die Republik. Das tunesische Volk ist jetzt selbst verantwortlich für die Zukunft des Landes und das Ansehen in der Welt."
Habib Bourguiba am Ziel: Über 20 Jahre hatte der Anwalt und Anführer der Neo-Destour-Partei für ein unabhängiges Tunesien gekämpft. 15 Monate nach der Entmachtung der Franzosen setzte er das politische System durch, von dem er immer geträumt hatte: durch eine heimliche Abstimmung in der verfassungsgebenden Versammlung. Kmar Bendana, Professorin für Geschichte an der tunesischen Universität von Manouba:
"Das war quasi ein Staatsstreich. Denn Bourguiba war der Premierminister des damaligen Königs Lamine Bey. Er stürzte ihn, um aus Tunesien eine Republik zu machen. […] Nicht er selbst vollzog den Schritt, sondern er schickte seinen Justizminister vor. […] Bourguiba war ein gewiefter Mann: Er traf Vorsichtsmaßnahmen für den Fall, dass es schief geht."
Habib Bourguiba wusste aber, dass die große Mehrheit der Bevölkerung hinter ihm stand – auch die Frauen. Denn als Premierminister hatte er Tunesien 1956/57 mit einschneidenden Reformen in die Moderne geführt.
Mehr Rechte für Frauen
"Die bedeutendste seiner Reformen war das Personenstandsgesetz, das der Frau in der Familie ihre ehelichen Rechte gab. Das hieß: Verbot der Polygamie – und bedeutete die Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit der Frau innerhalb der familiären Gemeinschaft", sagt sie.
Und Habib Bourguiba war noch weiter gegangen: "Er führte Bildungsreformen durch […] - Bildung für alle, Mädchen und Jungen, obligatorisch und gemischt - sowie eine sehr weitreichende Gesundheitspolitik. Das war also eine kleine soziale Revolution."
Und Habib Bourguiba war noch weiter gegangen: "Er führte Bildungsreformen durch […] - Bildung für alle, Mädchen und Jungen, obligatorisch und gemischt - sowie eine sehr weitreichende Gesundheitspolitik. Das war also eine kleine soziale Revolution."
Am 25. Juli 1957 dann die Vollendung von Habib Bourguibas Traum: die Ausrufung der Republik. In den ersten Wahlen gewann seine Partei, die Neo-Destour, alle Sitze im tunesischen Parlament. Der Befreier und Volksheld wurde Staatspräsident und plante für Tunesien einen sozialistischen Weg:
"Die grundlegende Strategie meines Handelns ist es so vorzugehen, dass die Tunesier ihres Glückes Schmied sind. [...]. Dafür muss man Kader um sich bilden, […] Aktivisten, die ganz zu unserer Sache stehen, die ergeben sind und direkt auf das Volk Einfluss nehmen, […] so dass sich die materielle und gesundheitliche Lage verbessert - sowie die Moral, der Geist, die staatsbürgerliche Gesinnung."
Kein Raum für Opposition
Doch das sozialistische Experiment lief auf Verhältnisse wie in der DDR hinaus: auf einen Einparteienstaat mit Wahlergebnissen von weit über 90 Prozent.
"Bourguiba hat das Kapital seiner Popularität, das er von 1956/57 bis in die 60er-Jahre hinein hatte, schlecht verwaltet – bis hin zur Autokratie. 1974 wurde für seine Präsidentschaft auf Lebenszeit gestimmt. Das waren [...] meiner Meinung nach Zeichen der Schwäche", so Professorin Kmar Bendana.
"Es gab mehrere Krisen, auch wirtschaftliche. Bourguiba war populär, aber es existierte auch eine Opposition gegen ihn: schon früh, ab den 60e- Jahren, seitens linksextremer Studenten und anderer. Er gab dieser Opposition keinen Raum, kein Existenzrecht. Er ließ seine Hauptgegner […] töten und versperrte dessen Sympathisanten den Weg. […] Er war sehr grausam."
Auch wenn der Tourismus Devisen ins Land brachte, stagnierte die Politik immer mehr. Der 1957 durch die Einführung der Republik geweckte Traum von mehr Freiheit und Demokratie war ausgeträumt. Volksheld Habib Bourguiba verspielte viel von seinem Ansehen - bis zu seiner Absetzung 1987. Und das totalitäre Trauerspiel setzte sich unter seinem Nachfolger Ben Ali fort – bis hin zum arabischen Frühling 2011: zur Jasmin-Revolution.