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Norddeutsche Kunsthochschul-Bar-Meisterschaft
Die Bar als Kunstform

Kunst und Rausch gehören irgendwie zusammen. Wie viele Kunstwerke sind schließlich unter dem Einfluss eines Rauschmittels entstanden? Vielleicht auch vor diesem Hintergrund war die Bar Thema künstlerischer Auseinandersetzung am vergangenen Samstag in Hamburg. Dort fand die erste Norddeutsche Kunsthochschul-Bar-Meisterschaft statt.

Von Juliane Reil |
    Dicht gedrängt stehen die Leuten im Kunsthaus Hamburg, unterhalten sich und trinken Bier. Man hat nicht den Eindruck im Foyer eines Museums zu stehen. Eher in einem Partykeller mit hohen Decken. Lichterketten, Musik aus dem Lautsprecher und überall Karten mit Getränken. Auch am Tresen eines rosa Palazzos, der entfernt an eine Hüpfburg für Kinder erinnert. Gebaut haben ihn Studenten und Studentinnen der Hochschule für Künste Bremen:
    "Wir verarbeiten alles, was in den Ateliers in den letzten Jahren liegen geblieben ist da drin. Also da sind jetzt Bettlaken mit drin, da sind Bauhölzer, die so ein bisschen gammelig sind mit drin. Und das wird ziemlich improvisiert zusammengezimmert und dann gibt es meistens noch Musik dazu."
    Erklärt die Bremer Kunststudentin Irene Strese. Gemeinsam mit ihren Kommilitonen ist sie angereist und mit einem befreundeten Geiger.
    Die Bremer sind eine von insgesamt fünf Studentengruppen, die bei den ersten Norddeutschen Kunsthochschul-Bar-Meisterschaften antreten. Den kreativsten Bar-Aufbau zeigen, darum geht es bei dem Wettbewerb. Auf einem anderen Tresen steht eine viereckig gelötete Apparatur aus einem einzigen Rohr. Verbunden mit einer Schale aus Eiswasser löst der Aufbau bei den Besuchern nicht nur Neugierde, sondern auch Fragezeichen aus.
    "Was ist das denn hier?"
    "Wir schenken Absinth aus. Und den bereiten wir in einer ganz klassischen Variante zu, indem wir das Schmelzwasser auf Hähne verteilen. Die tropfen dann auf Zucker und das vermischt sich dann unten im Glas mit dem Absinth. Möchten sie einen?"
    Die Idee zu der Veranstaltung ist dabei einem Phänomen geschuldet, das anscheinend seit Längerem an Kunstakademien zu beobachten ist. Zum Beispiel auch an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, wie der Student Johannes Schlüter erzählt.
    "Bei allen Rundgängen, bei Jahresausstellungen, Absolventen-Ausstellungen, eigentlich ist jeder Flur voll mit Bars. Es hat schon so seine Tradition."
    Bars als eigenes Kunstgenre?
    Manchmal sind die Bars improvisiert, manchmal fast kleine Kunstwerke. Auf diese Tradition der temporären Tresen ist auch der Hamburger Künstler Jan Holtmann aufmerksam geworden. Mit alternativen Präsentationsformen von Kunst jenseits des "White Cube", des weißen Ausstellungsraums, setzt er sich auseinander. Gemeinsam mit dem Kunsthaus Hamburg hat er die Studenten eingeladen. Ausganspunkt für ihn war eine Frage:
    "Kann man sich nicht eigentlich diese Bars auch als ein Kunstgenre angucken?"
    Die Bar als Genre gibt es so in der bildenden Kunst nicht. Streng genommen entzieht sich die Kunst ja gerade jedem Gebrauch. Der Tresen ist höchstens ein Motiv. Denke man nur an die berühmten "Nachtschwärmer" des amerikanischen Malers Edward Hopper: vier verlorene Gestalten an einer langen Bar. Als Ort, an dem sich Künstler gern aufhalten, funktioniert die Bar aber immer. Besonders, wenn es Hochprozentiges gibt.
    "Gib mir mal zwei Kurze, bitte."
    Phantasievolle Bars zeigen die Studenten alle an diesem Abend. Manchmal so detailverliebt und durchdacht, dass sie sogar in eine komplett andere Rolle hinter der Theke schlüpfen. Zum Beispiel in die von Bauarbeitern, die ihre Bar aus einem Baugerüst provisorisch sichern.
    Die Baustellen-Bar ist es auch, die am Ende den Publikumspreis erhält. Wahrscheinlich nicht zuletzt aufgrund ihrer "ausgesuchten" Karte. Neben Standards wie Sekt und Korn gibt es auch einige - sagen wir mal - gewöhnungsbedürftige Drinks.
    "Was ist ein Betonmischer?"
    "Betonmischer, das is' so Baileys mit Zitrone. Das flockt so ein bisschen aus. Das ist ein ganz feines Getränk."
    Spiel mit Reminiszenzen der Kunstgeschichte
    Über Trinkwillige können sich die Bar-Erbauer an diesem Abend nicht beklagen - und auch nicht über mangelndes Interesse für ihre Konzepte. Manche sind spaßiger, andere künstlerisch ambitionierter. So wie der begehbare schwarze Lackwürfel von Lennart Münchenhagen. Seine Bar wird zum Schluss von der Fach-Jury prämiert.
    "Und der Preis der Jury geht an Lennart Münchenhagen."
    Der Hamburger spielt mit Reminiszenzen aus der Kunstgeschichte. Etwa dem schwarzen Quadrat, einer Ikone der Malerei des 20. Jahrhunderts. Wie den meisten Teilnehmern der Bar-Meisterschaft ist auch ihm ein Aspekt besonders wichtig.
    "Für mich ist das Interessante, dass sich hier eine Situation einstellt, dass es hier um Kommunikation geht, um lebendige Kunst in dem Sinne, eine lebendige Skulptur, Living Sculpture, und sich Grenzen immer wieder verschieben."