Wer in das Lager von Grande-Synthe, 25 Kilometer vor Calais gelegen, hinein will, muss erst einmal eine Polizeikontrolle über sich ergehen lassen. Nachdem alles penibel überprüft wurde, warum auch immer, darf man das Lager betreten. Es ist eine Katastrophe, und es ist eine Schande.
"C'est honteux", sagt der Vorsitzende der französischen Medicins sans Frontieres, der Ärzte ohne Grenzen. Und er hat weiß Gott schon viele Lager gesehen.
"Ich war überall auf Welt und habe dort Flüchtlingslager besucht, und das hier ist das Schlimmste, ich bin überrascht, dass man in Frankreich nicht in der Lage ist, so etwas zu organisieren, wie in Griechenland oder Italien, das ist frustrierend"
Die meisten Flüchtlinge kommen aus dem Irak
Terzian ist zum ersten Mal in Grande-Synthe, die Ärzte ohne Grenzen betreiben dort eine Ambulanz, sie haben auch eine Wasserleitung installiert, die heute eingefroren ist. Die meisten Flüchtlinge hier kommen aus dem Irak, sie sind Kurden wie der 20-jährige Isa und seine Mutter
"Wir sind wegen der Terrormiliz Islamischer Staat geflohen, es war nicht mehr sicher."
Zu sechst waren er, seine Mutter und seine Brüder vor sechs Monaten aus Mossul aufgebrochen, in Griechenland wurden sie getrennt, im Lager von Grande-Synthe fanden sie sich wieder. Jetzt sitzen sie in einem provisorischen Zelt vor einer offenen Feuerstelle aus einer LKW-Felge und Isa sagt:
"France is not good for us."
Flüchtlinge fühlen sich von der Polizei schlecht behandelt
Frankreich ist keine Option. Die allermeisten Flüchtlinge in Grande-Synthe, derzeit hausen dort etwa 2.500 unter Plastik-Planen, auf Holzpaletten auf dem gefrorenen Boden, wollen nicht bleiben, sondern weiter:
"Die Polizei hier behandelt uns schlecht, und unsere Familie ist in Großbritannien"
Viele haben Geschwister oder Familie auf der Insel, sie sprechen englisch. Und Frankreich lässt sie auf dem nackten Boden schlafen:
"Wenn man sieht, wie sie hier empfangen werden, versteht man schon, dass sie nicht bleiben wollen",
sagt Amin Trouver-Bagdusch, von den medicins du monde. Dabei versucht der französische Staat so einiges, die Flüchtlinge zum Bleiben zu bewegen. Im berüchtigten Dschungel von Calais werden Flyer verteilt. Jeden Dienstag und Freitag fahren von dort Busse Migranten in Aufnahmezentren, und der junge Mann von der Präfektur erzählt stolz:
sagt Amin Trouver-Bagdusch, von den medicins du monde. Dabei versucht der französische Staat so einiges, die Flüchtlinge zum Bleiben zu bewegen. Im berüchtigten Dschungel von Calais werden Flyer verteilt. Jeden Dienstag und Freitag fahren von dort Busse Migranten in Aufnahmezentren, und der junge Mann von der Präfektur erzählt stolz:
"Die Flüchtlinge hier fahren in die Aufnahmezentren, bislang haben wir 2.200 Menschen in die Zentren gebracht, dort können sie nachdenken, ob sie in Frankreich bleiben wollen"
Dumm nur, dass viele nach dem ersten Nachdenken und ein paar Nächten im Willkommenszentrum doch lieber wieder den Weg in den Dschungel und danach irgendwie nach England suchen. Christian Salomé von der Auberge des Migrants spricht von einer No-Go-Zone
"Wir haben bereits 50 Kilometer Zäune, in zweier Reihen, Flutlicht, das nicht nur die Straße, sondern auch die Abschnitte daneben beleuchtet, das ist militärisches Sperrgebiet."
Die französische Regierung spielt auf Zeit
Das massive Polizeiaufgebot rund um Calais, die bedrohlichen vier Meter hohen Zäune an Autobahn und Hafen, die mit doppeltem Nato-Stacheldraht bestückt sind, all das hindert die Flüchtlinge zwar daran, nach England zu kommen. Aber in Frankreich wollen sie nicht bleiben. Immerhin hat man in Calais nun ein Container-Dorf geschaffen, für 1.500 Menschen:
"Glücklicherweise gab es diesen Fortschritt, sagt die stellvertretende Direktorin des Container-Dorfs, Sophonie Perrard, so können wir den Menschen, die hier blockiert sind, wenigstens einen minimalen Komfort bieten, aber das hier ist keine Dauerlösung"
Keine Lösung auf Dauer. Wie so oft spielt die französische Regierung, die das Container-Dorf mitfinanziert, auf Zeit. Wie lange die Container stehen werden, weiß keiner, auch nicht Sophonie Perrard.
"Wenn ich Ihnen das sagen könnte, wäre ich Gott", sagt sie mit entwaffnender Ehrlichkeit. Immerhin kann sie mit den Containern ein paar Menschen eine menschenwürdige Unterkunft bieten.