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Kommentar zu Nordhausen
Wie der Sieg der AfD verhindert wurde

In der thüringischen Kreisstadt Nordhausen hat ein breites Bündnis dazu beigetragen, dass AfD-Kandidat Jörg Prophet nicht Oberbürgermeister wird. Ein Beispiel, wie der kommunale Erfolg von Rechtsextremen gebremst werden kann, meint Henry Bernhard.

Ein Kommentar von Henry Bernhard |
Oberbürgermeisterkanditat Jörg Prophet (AfD) beantwortet fragen von Journalisten. Im Thüringer Nordhausen bleibt der parteilose Buchmann Oberbürgermeister
Der AfD-Kandidat Jörg Prophet verlor die Stichwahl um das Amt des Oberbürgemeisters in Nordhausen (picture alliance / dpa / Matthias Bein)
Man stelle sich vor: Im April 2025 jährt sich die Befreiung des mörderischen Konzentrationslagers Mittelbau-Dora zum 80. Mal. Unter den geladenen Gästen des Totengedenkens für 20.000 Ermordete steht der amerikanische Generalkonsul. Denn die US-Armee hat am 11. April 1945 das KZ befreit und in der Folge die nur noch 500 vorgefundenen Häftlinge hingebungsvoll gepflegt und wieder aufgepäppelt. Gleich neben dem amerikanischen Konsul stünde der Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen, an deren Rand die heutige KZ-Gedenkstätte liegt.
Hätte am Sonntag der AfD-Kandidat Jörg Prophet die Stichwahl gewonnen, dann stünde er also dort und würde dem US-Konsul gegenüber vielleicht wiederholen, was er vor drei Jahren auf der Internetseite seines AfD-Kreisverbandes geschrieben hat: Dass die Befreier, die US-Soldaten, moralisch genauso niedrig stünden wie die Nationalsozialisten, dass die wahren Opfer des Zweiten Weltkriegs die Deutschen und Japaner seien.

Buchmanns Sieg ist fast ein Wunder

Diese Szene ist uns erspart geblieben. Aber es hätte nicht viel gefehlt. Der AfD-Kandidat galt bis zum Schluss als Favorit der Stichwahl und führte nach dem ersten Wahlgang mit großem Vorsprung vor dem parteilosen Amtsinhaber Kai Buchmann. Angesichts der Tatsache, dass Buchmann fast gar keinen Wahlkampf gemacht hat und durch ein Disziplinarverfahren als angezählt galt, grenzt sein eindeutiger Sieg fast an ein Wunder.
Im kommenden Jahr stehen in einigen ostdeutschen Ländern Kommunalwahlen an. Da lohnt der Blick darauf, wie in Nordhausen verhindert wurde, dass ein Mann der AfD, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, zum ersten Oberbürgermeister wird.

Klarheit ohne Bevormundung

Zuerst ist zu sagen, dass aus der Landratswahl in Sonneberg gelernt wurde, wo im Juni alle Parteien jenseits der AfD zur Wahl des CDU-Kandidaten aufgerufen hatten. Vergebens: Die einheitliche Front mobilisierte dort vermutlich noch mehr Bürger, den AfD-Kandidaten zu wählen. In Nordhausen haben sich die Parteien zurückgehalten, ohne dabei im Unklaren zu lassen, wen man keinesfalls zum Oberbürgermeister wählen solle. „Klarheit ohne auch nur den Anschein einer Bevormundung“ könnte man das Konzept benennen.
Zweitens, statt der Parteien wurden Bürger laut: Unter dem Motto „Nordhausen zusammen“ fanden sich Kommunalpolitiker, Künstler, engagierte Bürger, Vereine, das Theater, die Hochschule, die KZ-Gedenkstätte, Gewerkschaften, Pfarrer, die Diakonie zusammen, um die Stadt nicht zum Meilenstein der AfD auf dem Weg zu weiteren kommunalen Erfolgen werden zu lassen. Sie trommelten dafür, den Amtsinhaber wiederzuwählen. Mit ganz konkretem Blick darauf, wofür oder wogegen die AfD bislang im Stadtrat gestimmt hat. Hier ist Zivilgesellschaft im Osten sichtbar geworden und selbstbewusst aufgetreten.
Und drittens lohnt immer ein genauer Blick darauf, wen die AfD da aufstellt, wer da im bürgerlichen Habitus Ressentiments verbreitet und die deutsche Geschichte umschreiben will.