Oberbürgermeisterwahl
AfD-Kandidat unterliegt bei Stichwahl in Nordhausen

Kai Buchmann bleibt Oberbürgermeister von Nordhausen – AfD-Kandidat Jörg Prophet unterliegt bei der Stichwahl. Prophet gilt als Holocaust-Verharmloser. Es wäre das erste Mal gewesen, dass die AfD einen Oberbürgermeister in Deutschland stellt.

    AfD-Kandidat Jörg Prophet am Montag, 28. August 2023, in seinem Büro des AfD-Kreisverbandes in Nordhausen
    Jörg Prophet gehört dem als rechtsextrem eingestuften Thüringer Landesverband der AfD an (IMAGO / Funke Foto Services)
    Es war ein knappes Rennen um das Oberbürgermeisteramt in der thüringischen Stadt Nordhausen: In der Stichwahl lag Amtsinhaber Kai Buchmann letztlich mit 54,9 Prozent deutlich vor AfD-Kandidat Jörg Prophet, der auf 45,1 Prozent kam. Im ersten Wahlgang zwei Wochen zuvor hatte Buchmann nur 24 Prozent der Stimmen erhalten - fast 19 Prozentpunkte weniger als Prophet. Die Stichwahl war notwendig geworden, weil beim ersten Urnengang keiner der sechs Kandidaten die notwendige absolute Mehrheit erreicht hatte.
    Die Wahl in der Industrie- und Hochschulstadt mit rund 41.000 Einwohnern war bundesweit mit Interesse verfolgt worden. Ein Wahlsieg von Prophet wäre der dritte eines AfD-Kandidaten bei Kommunalwahlen gewesen, nach den jüngsten Erfolgen der Partei in der thüringischen Gemeinde Sonneberg und in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt. Dort holte die AfD erstmals ein hauptamtliches Bürgermeisteramt.

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    Wie sind die Reaktionen auf den Wahlsieg Kai Buchmanns?

    Beim Blick auf das Ergebnis der Stichwahl in Nordhausen herrscht vor allem Erleichterung. Der siegreiche Kandidat Kai Buchmann sagte nach Verkündung des Ergebnisses: "Ich freue mich sehr, dass ich jetzt in die zweite Legislatur als Oberbürgermeister gehe." Offenbar seien die Chancen der AfD überschätzt worden.
    Klar Position gegen Prophet hatte in den vergangenen Wochen auch die Stiftung Buchenwald und Mittelbau-Dora bezogen. Das ehemalige KZ-Gelände, auf dem 20.000 Häftlinge zwischen 1943 und 1945 mit Zwangsarbeit zu Tode gequält wurden, liegt auf Nordhausener Stadtgebiet. "Mir ist ein riesengroßer Stein vom Herzen gefallen", sagte Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner. "Es wäre eine unerträgliche Vorstellung gewesen, in Nordhausen einen Oberbürgermeister zu haben, der den Holocaust verharmlost, das Leiden der KZ-Häftlinge kleinredet."
    Verhindert habe das die Zivilgesellschaft mit vielen jungen Menschen "aus der Hochschule, aus der Kirche, aus Vereinen", so Wagner. Sie hätten "das in den letzten zwei, drei Wochen noch einmal mit einem riesigen Engagement gedreht".
    Tatsächlich hatten in den vergangenen beiden Wochen Unterstützer aus Parteien, Initiativen und einem Bürgerbündnis mobilisiert, einen AfD-Oberbürgermeister in Nordhausen zu verhindern. Anders als bei den Landratswahlen in Sonneberg hatten sich die Kandidaten der anderen Parteien aber mit einer geschlossenen Wahlempfehlung für Buchmann zurückgehalten. Denn in Sonneberg hatte das zu Unmut bei Wählerinnen und Wählern geführt. Es war etwa von „Einheitsfront“ die Rede gewesen.

    "Das haben andere für ihn gewuppt"

    Sophie Meinecke etwa, die für die SPD im Stadtrat sitzt, ist zufrieden über Buchmanns Sieg: "Die AfD stimmt immer gegen Jugendprojekte, und er hat diese immer mit angekurbelt." Dass die Demokratie in Nordhausen gesiegt habe, könne "ein Zeichen für Deutschland sein, dass wir stärker sind als die AfD".
    Aber es gibt auch Kritik: Die Grünen-Stadträtin Wilma Busch hätte sich etwas mehr Einsatz des Kandidaten Buchmann gewünscht. "Das haben andere für ihn gewuppt, das muss man wirklich ehrlicherweise sagen." Sie nennt die Gewerkschaften, die Zivilgesellschaft.
    Buchmann hatte, anders als die AfD, die sehr präsent war, in Nordhausen vor der Stichwahl kaum noch Wahlkampf gemacht. Er habe als Oberbürgermeister gearbeitet und habe versucht, gezielt Wechselwähler anzusprechen, sagte Buchmann am Wahlabend.
    Der unterlegene AfD-Kandidat Jörg Prophet ließ am Wahlabend seinen Kreissprecher Andreas Leupold für sich sprechen - der gratulierte Buchmann zum Sieg, verwies zugleich aber auch auf Prophets "respektables und tolle Ergebnis aus unserer Sicht".

    Wer ist Jörg Prophet und welche Positionen vertrat er im Wahlkampf?

    Der 61-jährige Unternehmer gehört seit sechs Jahren der AfD an. Er ist Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Nordhäuser Kreistag und Stadtrat.
    In seinem Wahlkampf beschränkte sich Prophet auf Lokal-Themen: Die lokale Wirtschaft stärken, mehr Radwege schaffen und den öffentlichen Nahverkehr verbessern, gehörte zu seinen Zielen. Er versprach unter anderem, Nordhausen regional weiter aufzuwerten, die Schulen zu verbessern und mehr Bäume um die Stadt herum zu pflanzen, um sie CO2-neutral zu machen, aber auch mehr Parkplätze zu schaffen.
    Prophet lobte auch die Arbeit des Theaters in Nordhausen, das für Lessing und die Aufklärung steht. Gleichzeitig forderte er, dass das Theater auch unterhalten und mit Events wie Jugendweihen und Vereinsjubiläen mehr Geld einspielen solle. Nach Einschätzung von Dlf-Landeskorrespondent Henry Bernhard ging es dabei indirekt um "Eingriffe in den Spielplan".
    Der thüringische Landesverband der AfD, dem Prophet angehört, wird ebenso wie dessen Vorsitzender Björn Höcke vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft.
    Auch Prophet benutze die radikale Rhetorik seiner Partei, schimpfe im Wahlkampf über „Klima, Gender und Kriegsanleihen“. Er kritisierte die Holocaust-Gedenkkultur als „Schuldkult der Deutschen“ und stellte die alliierten Sieger des Zweiten Weltkriegs auf eine Stufe mit den Nationalsozialisten.

    Warum war die Aufmerksamkeit für die Wahl in Nordhausen so groß?

    Das Interesse an der OB-Wahl in Nordhausen war bundesweit hoch, denn bei einem Erfolg des AfD-Kandidaten hätte die AfD erstmals in Deutschland einen Oberbürgermeister gestellt.
    Neben dem ehemaligen Konzentrationslager Mittelbau-Dora auf dem Gebiet der Stadt und den Folgen, die bei einem Sieg des AfD-Kanidaten für die Gedenkstätte befürchtet wurden, riefen die beiden vorangegangenen Wahlerfolge der AfD auf kommunaler Ebene Sorgen hervor: In Sonneberg in Thüringen wurde der AfD-Kandidat Robert Sesselmann im Juni 2023 zum Landrat gewählt. Im Juli holte die AfD dann in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt mit Hannes Loth erstmals ein hauptamtliches Bürgermeisteramt.
    In Nordhausen ließen Äußerungen von Passanten vor der Wahl auf eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung schließen: Es müsse sich etwas ändern, auch wirtschaftlich sehe es nicht gut aus, hieß es. Außerdem wurden große Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen deutlich - diese würden bevorteilt.
    Das erinnerte besonders an Sonneberg: Dort hatte Sesselmann Flüchtlinge zum Wahlkampfthema gemacht - und war zum Landrat gewählt worden.

    Warum wurden dem parteilosen Kai Buchmann geringere Chancen eingeräumt?

    Kai Buchmann wurde 2017 erstmals zum Oberbürgermeister von Nordhausen gewählt. 1967 in Nordhausen geboren, war der studierte Betriebswirt zuvor als Projektmanager und Referent der Geschäftsführung einer Klinik tätig.
    Buchmann war mit einer großen Belastung in die Wahl gegangen: Der Landrat hatte ihn im März 2023 wegen angeblicher Dienstpflichtverletzungen und aufgrund von Mobbingvorwürfen gegen die erste Beigeordnete der Stadt, Alexandra Rieger (SPD), vom Dienst suspendiert. Rieger war ebenfalls als Kandidatin in der Oberbürgermeisterwahl angetreten, war im ersten Wahlgang aber nicht über Platz 3 hinausgekommen.
    Kai Buchmann (parteilos), stellt sich vor der Oberbürgermeister-Wahl den Fragen der Journalisten.
    Kai Buchmann (parteilos) war bereits seit 2017 Nordhausens Oberbürgermeister. Nun wurde er wiedergewählt. (IMAGO / Funke Foto Services )
    Ein Verwaltungsgerichtsbeschluss ermöglichte Buchmann im August wieder ins Amt zurückzukehren. Das Disziplinarverfahren läuft jedoch weiter.
    Als Wahlziele hatte Buchmann bei Wahlkampfveranstaltungen laut einem Bericht des MDR ausgegeben: Nordhausen solle finanziell handlungsfähig bleiben, marode Straßen sollten saniert, Verwaltung und Feuerwehr modernisiert werden. Zu den Rechtsextremismus-Vorwürfen gegen seinen politischen Gegner wollte er sich nicht äußern.

    Henry Bernhard, AFP, tha, abr