Archiv

Nordirland
Die Mauer in den Köpfen

Der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwischen Protestanten und Katholiken ist eigentlich längst Geschichte. Seit dem Karfreitagsabkommen von 1998 geht es in Nordirland friedlicher zu. Doch die Gesellschaft ist nach wie vor gespalten, wie sich am Beispiel des nordirischen Bildungssystems zeigt.

Von Arian Fariborz und Petra Tabeling |
    Politisches Graffiti auf der Peace Line, welche katholische und protestantische Viertel in Belfast voneinander trennt. (Falls Road, Katholischer Bereich).
    Politisches Graffiti auf der Peace Line, welche katholische und protestantische Viertel in Belfast voneinander trennt. (picture alliance / dpa / Antti Aimo-Koivisto)
    "Ich kann mich noch an die Wochen im Juni 2001 erinnern, als die Unruhen und Tumulte begannen. Wir durften uns damals in der Schule nämlich nicht zu sehr den Fenstern in den Klassenzimmern nähern. Dann begannen die Schulferien. Als schließlich Anfang September wieder die Schule losging, machte ich mich wie gewöhnlich fertig, stellte aber fest, dass meine Mutter sehr angespannt war. Ich verstand nicht, warum. Dann liefen wir den Weg zur Schule hoch und stellten fest, dass es dort Absperrungen gab und wir nur durch einen schmalen Durchlass gehen konnten – Hunderte Eltern mit ihren Kindern mussten da durch. Ich konnte überhaupt nicht begreifen, weshalb. Es gibt dafür keine Worte: Ich war völlig verwirrt."
    Belfast im Juni 2001: Über mehrere Wochen hinweg blockieren aufgebrachte Bürger den Schulweg zu der katholischen Holy-Cross-Grundschule, die im protestantischen Stadtviertel Upper Ardoyne liegt. Die Schulkinder aus dem benachbarten Ardoyne können nur mithilfe eines massiven Polizeiaufgebots zum Unterricht kommen. Ein Spießrutenlauf, erinnert sich die damals achtjährige Schülerin Amanda Bowes.
    Geschützt von Polizisten gehen katholische Familien mit ihren Schulmädchen am 7.9.2001 durch ein protestantisches Viertel zu der katholischen Holy Cross-Schule in Belfast.
    Geschützt von Polizisten gehen katholische Familien mit ihren Schulmädchen am 7.9.2001 durch ein protestantisches Viertel zu der katholischen Holy Cross-Schule in Belfast. (picture alliance / dpa / AFP)
    "Als wir die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten, begann dieses Klatschen und Rufen. Man konnte die Nervosität der Polizisten spüren, die uns begleiteten. Es war das erste Mal, dass ich ganz vorne mitlief, sonst hatten wir immer versucht, in der Mitte zu bleiben. Direkt neben uns ging ein Polizist. Und dann sagte meine Mutter zu mir: Du wirst jetzt nirgendwo hinlaufen, bleib immer bei mir. Und das war ein guter Rat von ihr, denn im nächsten Augenblick flogen auch schon Ziegelsteine und Flaschen auf uns nieder. Wir mussten uns schnell bücken und ausweichen. Der Polizist nahm uns in Schutz und sagte: Nicht stehen bleiben. Versucht einfach, weiterzugehen und an nichts zu denken. Wir konnten hören, wie die Ziegelsteine an seinem Schild abprallten, während wir unter seinem Schutz weiterliefen. Und dann ging irgendwo eine Bombe hoch und wir hörten, wie hinter uns geschrien wurde. Von da an weiß ich nur noch, dass ich gerannt bin – wie Usain Bolt, der Leichtathletikstar. Schließlich erreichten wir die Schule. Und waren alle zutiefst geschockt."
    Amanda Bowes ist Zeugin und Opfer eines politischen Konfliktes, der die nordirische Provinz Ulster jahrzehntelang in Atem hielt. Ein Konflikt, in dem pro-irische Katholiken unter der Führung der Untergrundorganisation IRA gegen protestantische, pro-britische Loyalisten kämpften.
    Karfreitagsabkommen als wichtiger Schritt
    Mit dem Abschluss des Karfreitagsabkommens zwischen Katholiken und Protestanten im Jahr 1998 glaubte man, dem gesellschaftlichen Frieden endlich einen entscheidenden Schritt näher gekommen zu sein. Die Troubles – wie der Nordirlandkonflikt auch landläufig bezeichnet wird – schienen Geschichte.
    Doch nur drei Jahre darauf erfolgte der politische Rückschlag: Die Proteste an der Holy-Cross-Schule zählen mit zu einem der traurigsten Kapitel in der jüngeren Geschichte des Nordirlandkonflikts. Noch heute, 15 Jahre nach den Unruhen an der Holy-Cross-Schule, kommt es vor, dass Amanda Bowes ein Gefühl der Angst beschleicht, wenn sie zu Fuß durch bestimmte protestantische Stadtviertel gehen muss. Dann kommen die Erinnerungen von damals wieder hoch. Auch, wenn sie Belfast heute für eine äußerst lebenswerte Stadt hält, die sich sehr zum Besseren gewandelt habe.
    "Früher war es so, dass ich instinktiv den Reißverschluss meines Anoraks hochgezogen habe, um meine rote Schuluniform zu verbergen, sobald ich irgendwo den Union Jack sah. Diese Schuluniform verriet ja sofort, dass man auf eine katholische Schule ging. Und das Reißverschlusshochziehen war sozusagen eine Art Schutzreflex. Heute gehe ich damit gelassener, ja zynischer um, würde ich sagen. Ich will auch nicht über alle Protestanten urteilen. Doch unter ihnen gibt es bis heute noch militante. Und diesen Leuten gegenüber habe ich meine Vorbehalte. Aber meine besten Freunde sind Protestanten: Ich bin zusammen mit Protestanten auf dieselbe Universität gegangen, mein bester Freund spielt in einer Band des Oranier-Ordens."
    Vielen ihrer früheren katholischen Schulfreundinnen geht es nicht anders. Doch auch bei den Protestanten haben die Ausschreitungen im Sommer 2001 ihre Spuren hinterlassen. Bei den Schülern der Wheatfield-Grundschule, keine 50 Meter von der katholischen Holy-Cross-Schule entfernt. Die Erzieher und Lehrer beider Schulen verband einst eine vertrauensvolle Zusammenarbeit: gemeinsame Lernprogramme, Klassenausflüge und andere Freizeitaktivitäten. Vertrauen, das nach den Protesten verloren gegangen war. Erst Jahre nach den Holy-Cross-Protesten fassten Lehrer und Erzieher wieder Mut, aufeinander zuzugehen, den Dialog zu suchen und gemeinsame Bildungsprogramme ins Leben zu rufen – gegen Diskriminierung, Vorurteile und interkonfessionellen Hass.
    Längst nicht alle Friedensinitiativen in Nordirland verlaufen so erfolgreich. Eine Ursache hierfür ist die räumliche Trennung, die Segregation Nordirlands. Bis heute mischen sich Katholiken und Protestanten kaum. Jede Konfession lebt für sich – die Katholiken in ihren Stadtvierteln, die Protestanten in ihren. Und wie ein Spiegelbild der gespaltenen Gesellschaft wirkt sich das auch auf das Schulsystem aus: Katholiken besuchen überwiegend Schulen, die von der katholischen Kirche verwaltet werden. Und protestantische Eltern schicken ihre Kinder auf staatliche Schulen.
    Weiterhin viele Peace Lines in Belfast
    John Reilly ist Taxifahrer in Belfast. Seine Route führt vorbei an den zahlreichen Peace Lines, auch Peace Walls genannt. Es sind meterhohe Trennwände, die katholische von protestantischen Stadtvierteln trennen. Manchmal sind es engmaschige Metallzäune mit Kameras, manchmal auch Betonmauern, die martialische politische Wandbilder und Graffiti zeigen, um die jeweilige konfessionelle Zugehörigkeit eines Viertels zu markieren. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Friedenslinien noch weiter gestiegen. Über 100 soll es inzwischen allein in Belfast geben. Um zu zeigen, wie Katholiken und Protestanten nebeneinander wohnen, fährt John in die Shankill Road im östlichsten Stadtteil Belfasts – dort steht eine der berühmtesten und ältesten Peace Lines, eine meterhohe graue hässliche Mauer, die hier Friedenslinie genannt wird. Sie soll Katholiken und Protestanten vor gegenseitigen Übergriffen schützen.
    "Das hier ist die Mauer, die Protestanten von der katholischen Falls Road trennt. Auf dieser Seite leben die Protestanten, auf der anderen Seite findet man nur katholische Häuser. Die Mauer wurde vor Jahrzehnten gebaut, als es hier besonders viele Unruhen gab. Protestanten und Katholiken haben sich gegenseitig mit Steinen beworfen, weil ihre Häuser so nah beieinanderliegen. Dort drüben ist Niemandsland. Einige Leute sagen, das hier sei die Berliner Mauer. Und fragen sich, wie lange die Mauer noch steht. Ich sage, dass es noch lange dauern wird. Aber es hat ja auch niemand geglaubt, dass die Berliner Mauer einmal fallen würde."
    Die Peace Line trennt das katholische und protestantische West-Belfast, aufgenommen 1998.
    Die Peace Line trennt das katholische und protestantische West-Belfast, aufgenommen 1998. (picture-alliance / dpa / Geray Sweeney)
    Die Mauer, die Shankill und Falls Road voneinander trennt, existiert seit über 45 Jahren. Zwar hat die nordirische Regierung angekündigt, innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Großteil der Peace Walls zu beseitigen, allerdings dürfte das Vorhaben auf Widerstand bei vielen Nordiren stoßen. Denn sie sehen die Zäune und Mauern im Vorgarten ihrer Häuser als Schutz vor Übergriffen und sogenannter sektiererischer Gewalt an, insbesondere in den sozial schwächeren Stadtteilen. Laut neuesten Schätzungen leben heute Zweidrittel der Katholiken und Protestanten in Wohngebieten, die mindestens zu 80 Prozent entweder ausschließlich katholisch oder protestantisch sind. Gerade einmal etwa zehn Prozent der Katholiken und sieben Prozent der Protestanten leben in Gegenden, die man als gemischt bezeichnen könnte.
    "In den letzten Jahren habe ich viel gesehen. Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der es sehr viele Unruhen gab. Ich kannte Leute, die ermordet wurden und welche, die zu paramilitärischen Gruppen gegangen sind. Dort fährt gerade ein Wagen der Bombensicherung entlang. Das war noch vor zehn Jahren kein ungewöhnlicher Anblick, als es in der Stadt fast jede Woche Bombendrohungen gab. Wenn man hier aufwächst, ist es schwer, keine politische Meinung zu haben."
    John wünscht sich, dass seine Kinder und Enkelkinder niemals Steine auf ihre Nachbarn werfen werden. Doch immer wieder heizen protestantische oder katholische Extremisten die Stimmung auf.
    "Es hat sich viel Hass aufgebaut. Es dauert bestimmt noch eine Generation, bis der Konflikt vorbei ist, vielleicht noch länger. Die Menschen sind inzwischen auf den Geschmack des Friedens und der Freiheit gekommen. Es sind nur einige Radikale, die das nicht wollen."
    Innenstadt mittlerweile nicht mehr abgeschottet
    Die Innenstadt der 300.000 Einwohner zählenden Metropole Belfast zeigt sich längst von einer anderen Seite als noch zu früheren Zeiten – als auf dem Höhepunkt der Troubles noch ein Schutzwall, der berüchtigte Ring of Steel, die City vor Bombenanschlägen abschottete. Heute reihen sich in der Innenstadt moderne Bürokomplexe und pittoreske Boutiquen, Bars und Hotels aneinander.
    Doch wenn John Reilly durch andere Stadtteile, wie das Viertel rund um Shankill und Falls Road oder durch Ardoyne, fährt, ist das wie eine Fahrt in die Vergangenheit – eine blutgetränkte: Seit 1969 sind über 3.600 Menschen in den Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten ermordet worden. Doch nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs haben sich die Konfliktlinien heute verschoben – von einer ausschließlichen Auseinandersetzung um Konfessionszugehörigkeit und Identität hin zu einem Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und sozialen Aufstieg, meint der protestantische Menschenrechtsaktivist Alan McBride.
    "Ohne Arbeit und Zukunftsperspektiven verliert Identität an Bedeutung. Die meisten Leute wollen sich in ihrem Leben vom Teenager- zum Erwachsenenalter weiterentwickeln, etwas erreichen. Und das gelingt einem in der Regel nur, indem man die Universität besucht oder einen guten Job findet und später dann eine Familie gründet. Und genau diese Lebensplanung scheint in den Arbeitervierteln nicht mehr zu funktionieren."
    Wandbilder erinnern rund um die Falls Road in Belfast an den Osteraufstand von 1916 in Dublin, aufgenommen am 01.03.2016.
    Wandbilder erinnern rund um die Falls Road in Belfast an den Osteraufstand von 1916 in Dublin. (picture alliance / dpa / Teresa Dapp )
    Alan McBride ist Mitarbeiter der Northern Ireland Human Rights Commission. 1993 verlor eine seine Frau durch einen Bombenanschlag der IRA. Alan McBride stammt aus dem Osten Belfasts, in dem viele Protestanten leben, jahrzehntelang in wirtschaftlichem Wohlstand. Doch mit dem Werftensterben in Belfast in den 1980er-Jahren setzte der Niedergang des Stadtteils ein, die Arbeits- und Perspektivlosigkeit der jüngeren Generation nahm drastisch zu, berichtet Alan McBride.
    "Heute ist die soziale Kluft zwischen den verarmten und sehr wohlhabenden Bürgern in Ost-Belfast gewaltig. Und genau in dieses Vakuum stoßen die Paten der protestantischen Paramilitärs, die Anführer radikaler bewaffneter Clans, die mit ihren teuren Wagen durch das Viertel fahren und ein schönes Leben führen – wobei ihr Reichtum auf Drogenhandel und Prostitution zurückzuführen ist. Doch für die jungen perspektivlosen Jugendlicher werden sie zu Vorbildern in ihrem Viertel. Der Konflikt dreht sich heute also weniger um Territorium und Identität, als vielmehr um Eigentum, Reichtum und Verteilung."
    Konfliktlinien nicht mehr so eindeutig ausmachbar
    Die Konfliktlinien sind nicht mehr so offensichtlich auszumachen, wie noch vor einem Jahrzehnt. Der Hass bricht sich heute auf vielerlei Art in der nordirischen Gesellschaft Bahn, beobachtet auch der Belfaster Politikexperte und Kommentator Chris Donnelly.
    "Interessanterweise lässt sich in jüngster Zeit beobachten, dass die unionistische Basis aufbegehrt, was sich zum Beispiel durch den Flaggen-Protest ausdrückt. Ein Aufruhr aufgrund der Tatsache, dass Belfast heute eine mehrheitlich von Katholiken bewohnte Stadt ist und der Union Jack, die englische Nationalfahne, nicht jeden Tag wie selbstverständlich über der Stadt weht. Und das bringt die Loyalisten auf die Barrikaden, weil sie darauf bestehen, dass ihre englischen Fahnen permanent zu sehen sein müssen. Und auch, was das Festhalten an Oranier-Märschen und Paraden durch katholische Wohngebiete angeht: Im Grunde genommen handelt es sich hierbei um eine Art Sehnsucht nach ihrem mittlerweile abhandengekommenen Überlegenheitssinn. Sie wollen zurück zur Vergangenheit, als alles noch in ihrem Sinne in Ordnung war, als die nordirische Gesellschaft noch ganz klar als britisch und unionistisch erachtet wurde. Doch das ist vorbei. Nordirland reflektiert heute das Republikanische und Unionistische gleichermaßen."
    Noch immer allgegenwärtig in Nordirland: die IRA. Ein Wandbild an der Falls Road in Belfast erinnert an Bobby Sands, der 1981 beim Hungerstreik der IRA-Häftlinge ums Leben kam.
    Noch immer allgegenwärtig in Nordirland: die IRA. Ein Wandbild erinnert an Bobby Sands, der 1981 beim Hungerstreik der IRA-Häftlinge ums Leben kam. (imago / ecomedia / Robert Fishman)
    Doch nicht nur das Beharren der politischen Eliten, die gewachsene soziale Kluft, die Faszination der perspektivlosen Jugend für sektiererische Gewalt und die kriminellen Machenschaften der Bosse der Paramilitärs erklären die Schwierigkeiten Nordirlands. Der Belfaster Politikexperte Chris Donnelly sieht vor allem in der fehlenden konfessionellen Durchmischung der Stadtviertel das größte Hindernis auf dem Weg zu einem nachhaltigen, konfliktfreien Umgang miteinander.
    "Die Menschen in Nordirland sind zwar überaus glücklich, dass wir die Zeit hinter uns gelassen haben, als man die Radios und Fernsehgeräte anstellte und ständig von Toten und Bombenattentaten die Rede war. Wir sind jetzt gut zwei Jahrzehnte weiter, wenn auch die diesem Konflikt zugrunde liegenden Spaltungen weiter in unserer Gesellschaft existieren. Das Problem besteht heute darin, dass die Leute noch immer ein sehr voneinander getrenntes Leben führen – nicht nur, was das Wohnen angeht, sondern auch was den sozialen Austausch und das berufliche Umfeld betrifft. Wir leben immer noch in einer segregierten Gesellschaft."
    90 Prozent der Schüler gehen in protestantische oder katholische Schule
    Etwa 90 Prozent der Schüler und Schülerinnen in Nordirland lernen entweder in einer protestantischen oder katholischen Schule. Bis heute ist der Widerstand groß, Kinder auf gemischte, sogenannte Integrated Schools zu schicken, meint Cliodhna Scott-Wills, Lehrerin und Mitarbeiterin im Nordirlandrat für integrierte Erziehung.
    "Ich glaube, dass das katholische Bildungssystem vielen Katholiken aus der Arbeiterklasse ermöglicht hat, zur Universität zu gehen. Vor allem in meiner Generation. Das hat es davor noch nicht gegeben. Daher sind sehr viele Menschen dankbar dafür, weshalb sie heute loyal gegenüber dem katholischen Bildungssystem sind. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die Protestanten diese Möglichkeit in dieser Form nicht hatten. Theoretisch begrüßen zwar alle Seiten eine integrierte Schulerziehung für Nordirland, aber es gibt bis heute diese Loyalität zu dem alten System, von dem sie profitierten."
    Gerade einmal knapp zehn Prozent der nordirischen Schulen sind integrierte Schulen. Eigentlich sollten es längst mehr sein. Denn Bildungsstudien belegen, dass es Kindern von integrierten Schulen eher gelingt, sich vom Zwang zur Konformität in ihrer jeweiligen politisch-religiösen Herkunftsgemeinschaft zu lösen und interkonfessionelle Freundschaften aufzubauen. Diversität, Toleranz und gegenseitiger Respekt als Bildungsmaxime. Doch die Vorbehalte gegen integrierte Bildungskonzepte und den Ausbau konfessionsübergreifender Schulen in Nordirland sind nach wie vor groß. Alan McBride, Mitarbeiter der Northern Ireland Human Rights Commission:
    "Seien wir ehrlich: Wenn wir in Nordirland wieder von vorne anfangen könnten, würde es dann wieder ein geteiltes Bildungssystem geben? Nein, mit Gewissheit nicht. Wir hätten dann bestimmt ein einziges Bildungssystem, das vom Staat finanziert würde. Doch Tatsache ist, dass wir Opfer unserer eigenen Geschichte sind. Ich würde mir wünschen, dass wir eines Tages nicht mehr die Wahl zwischen geteilten und integrierten Schulen haben müssten, sondern dass grundsätzlich alle Schulen integriert sind. Aber ich befürchte, dass ich das wohl nicht mehr erleben werde."