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Nordirland
Starker Polizeieinsatz bei protestantischen Paraden

Alte Konflikte sorgen immer wieder für neue Unruhe: Die Protestanten zelebrieren in diesen Tagen den Sieg ihres Königs über die Katholiken vor 326 Jahren. In Belfast, der immer noch in protestantische und katholische Wohnviertel aufgeteilten Stadt, haben diese Feiern bis heute ein hohes Konfliktpotenzial.

Von Gabi Biesinger |
    Die Peace Line trennt das katholische und protestantische West-Belfast, aufgenommen 1998.
    Die Peace Line trennt das katholische und protestantische West-Belfast, aufgenommen 1998. (picture-alliance / dpa / Geray Sweeney)
    Der Scheiterhaufen, den die jungen Männer mit den Kapuzenpullis auf einem Parkplatz mitten im Zentrum von Belfast errichtet hatten, war so hoch wie das Hotel gleich nebenan – etwa sieben Stockwerke. Bis das riesige Freudenfeuer aus Industriepaletten um Mitternacht in Flammen aufging, hockten die jungen Männer ganz oben auf dem Plateau auf der Spitze und guckten stolz auf die irischen Nationalfahnen runter, die sie auf dem Scheiterhaufen befestigt hatten.
    Die grün-weiß-orangefarbenen Flaggen fingen mit dem Holz Feuer, ebenso wie Wahlplakate von katholischen Sinn-Fein-Politikern, die mit unflätigen Schimpfwörtern beschmiert worden waren. Norman und Gilli standen mit Bierdosen im beißenden Qualm der züngelnden Flammen und stießen an auf die Nacht des Jahres:
    "Wir feiern, dass König William 1690 hierher kam."
    Der protestantische König Wilhelm von Oranien besiegte damals vor 326 Jahren in der Schlacht am Fluss Boyne seinen katholischen Vorgänger Jakob II, nachdem er ihn vom Thron verjagt hatte. Und darum gehen auch heute noch irische Flaggen in Flammen auf:
    "Wir sind schließlich Nordiren, Briten. Und wir zeigen der Republik Irland, dass wir sie nicht wollen."
    Auch Gilli fand das nicht weiter anstößig.
    "Die Katholiken verbrennen auf ihren Scheiterhaufen, ja auch unsere Queen. Das ist hier einfach so ein kulturelles Ding."
    Im Feuerschein des Scheiterhaufens bot es sich auch mal an, über den Brexit zu reden, den Ausstieg der Briten aus der EU. Machen Norman und Gilli sich deswegen Sorgen? 56 Prozent der Menschen in Nordirland wollten immerhin in der Union bleiben. Doch die beiden gehörten nicht dazu:
    "Ich habe Brexit gewählt, hätte aber nie gedacht, dass es passiert. Aber es wird schon irgendwie weitergehen."
    Gilli wollte vor allem den Politikern im nordirischen Parlament in Stormont einen Denkzettel verpassen:
    "Die streiten immer nur, man sollte sie alle rauswerfen."
    Polizei hofft auf überwiegend friedliche Paraden
    Norman beeilte sich zum Schluss, noch zu sagen, dass er viele katholische Freunde und Kollegen hat. Alles gar kein Problem. Aber die hätte er lieber nicht mitgebracht, die hätten die Feier am Scheiterhaufen wohl nicht so witzig gefunden.
    Nach der Nacht der Freudenfeuer erreichen die Feierlichkeiten zum Jahrestag der Battle of the Boyne heute mit der der großen Oranier-Parade in Belfast ihren Höhepunkt. 10.000 Teilnehmer und über 100.000 Zuschauer werden erwartet. Insgesamt finden in dieser Juliwoche im kleinen Nordirland rund 3.000 protestantische Märsche statt.
    Die meisten verlaufen ohne Zwischenfälle, weil die Protestanten nur durch ihre eigenen Wohngebiete ziehen. Doch eine Handvoll sorgt jedes Jahr für Ärger, wenn sie die Route verlassen und durch katholische Straßen marschieren. Die Polizei ist mit mehreren 1.000 Kräften in Alarmbereitschaft, rechnet aber damit, dass es überwiegend friedlich bleibt.
    Auch Norman und Gilli werden die Parade verfolgen. Gilli meinte zum Abschied, heute sei eigentlich alles gut in Nordirland. Naja, zumindest besser als in den 70er- und 80er-Jahren schränkte sie beim Blick in die lodernden Flammen ein.