An einem Freitagmorgen Anfang März explodiert in Belfast mitten im morgendlichen Berufsverkehr eine Bombe. Versteckt unter einem Auto, mit dem ein 52-jähriger Gefängnis-Mitarbeiter zur Arbeit fährt. Der Familienvater wird im Krankenhaus notoperiert und stirbt später. Der Anschlag versetzt die nordirische Polizei in Alarmbereitschaft. Die Sicherheitsvorkehrungen werden erhöht, denn rund um den 100. Jahrestag des Osteraufstands könnte in Nordirland neuer Terror aufflammen, befürchtet der stellvertretende Polizeichef von Belfast, Stephen Martin:
"Wenn ich sage, dass ich mir Sorgen mache, dann meine ich das auch. Ich befürchte, dass republikanische Splittergruppen diesen Jahrestag mit Anschlägen auf Polizisten, Gefängnispersonal und Soldaten begehen wollen."
Nordirland ist ein besonders sensibles Pflaster, was die Erinnerungen an den Osteraufstand angeht. Die Rebellion spielte sich 1916 zwar im fernen Dublin ab, doch der Jahrestag weckt im Norden besondere Emotionen schildert Ferghal McGarry, Historiker an der Queen’s University in Belfast:
"Die Menschen im Süden Irlands waren mit dem Osteraufstand zufrieden, sie hatten schließlich später die Unabhängigkeit. Für die Republikaner im Norden bedeutete er dagegen Abspaltung und ein Dasein als benachteiligte Minderheit. Für Republikaner und Nationalisten im Norden bleibt der Osteraufstand unvollendet."
In Belfast scheint die Sonne an diesem Frühlingsmorgen. Die Falls Road in West-Belfast ist Herzland der irischen Republikaner. Hier im Katholikenviertel ist der Osteraufstand eine wichtige Sache. Urszula wohnt neben der Kneipe mit dem schönen Namen "The Rebel‘s Rest" – wo der Rebell Pause macht. Die junge Mutter hat ihren kleinen Sohn im Schlepptau:
"Viele Leute hängen Ostern Fahnen raus, tragen weiße Osterlilien, vielen Leuten bedeutet das hier eine Menge. Vor allem den Älteren, die die Troubles erlebt haben, deren Familien betroffen waren, etwa vom Bloody Sunday, die begehen das sehr leidenschaftlich."
Taxifahrer Ken Harper fährt Touristen durch die einstigen Brennpunktviertel, die Falls Road entlang durchs katholische West-Belfast und die Shankill-Road entlang durchs protestantische Nord-Belfast.
"Ich fahre die Leute auch zum Rathaus und zur Uni, in die schönen Teile der Stadt. Ich zeige gerne, wo die Stadt Fortschritte gemacht hat. Aber die Touristen wollen sich ja gerne fürchten, wollen das hier sehen. Naja, es ist gut fürs Geschäft, wenn die Leute deswegen kommen. Aber ich mache diese Touren hier in der Gegend seit 25 Jahren und muss ehrlich sagen: Nachher bin ich immer ziemlich deprimiert."
Die politischen Malereien an den Mauern
Der Kult um die Murals, die politischen Malereien an den Mauern, wird auf beiden Seiten gepflegt. Bei den Katholiken sind es in der Regel naive gälisch verspielte Malereien der Heldenverklärung. Bei den Protestanten wird gerne die Queen gezeigt. Getrennt werden West- und Nord-Belfast durch die sogenannte Peace-Line, die Friedenslinie. Mal Mauer, mal Zaun, in jedem Fall so hoch, dass man keine Molotow-Cocktails drüberwerfen kann. Ken steuert das Taxi durch ein großes Eisentor:
"Das ist der berühmteste Teil der Friedenslinie in Cooper Way. Um Mitternacht werden die Tore, durch die wir gerade fahren, geschlossen, morgens wieder aufgemacht. Wir sind jetzt auf der protestantischen Seite. Letzte Woche haben sie im Fernsehen ein kleines Mauerstück abgerissen, aber das war nur symbolisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Mauern hier jemals wegkommen. Hoffe aber natürlich, dass ich habe unrecht."
Die Mauer in den Köpfen ist bei vielen noch präsent. Unlängst haben Kollegen Ken Harper wegen seines neuen Schals angemacht. Er zeigt das Corpus Delicti, dunkelblau, dunkelrot kariert, in sehr gedeckten Farben. Warum er sich denn einen Union Jack Schal gekauft habe, wollten die anderen Taxifahrer wissen:
"Blau, weiß, rot ist ein Affront gegen die Nationalisten. Aber hier sind doch nur blau und rot, allenfalls ein bisschen beige – ich mag den Schal einfach, aber die haben mich schräg angeguckt."