Schon als Laibach in den 80er-Jahren in den hiesigen gängigen Subkulturkreisen immer bekannter wurden, hinterließen sie vor allem Rätsel. Was sollte das sein, dieser Flirt mit faschistischer Ästhetik, Hirschgeweihen, gerolltem R und Maschinen-Marschmusik? Wie im Himmel sollte man das rezipieren, lange bevor Rammstein Laibachs Konzept zu ihrem augenzwinkernden, totalitären Stadionrock weiterentwickelten? Laibach zwangen den Hörer, sich mit ihnen zu beschäftigen. Also las man über dieses mysteriöse hierarchisch aufgebaute Künstlerkollektiv NSK, Neue Slowenische Kunst, von dem sie ein Teil waren. Schon ihr Bandname, der alte deutsche Name der slowenischen Metropole Ljubljana, war in Titos slawischem Utopiemodell eine Provokation. Laibach erklärten ihren Kunstansatz so:
"Kunst und Totalitarismus schließen sich nicht aus. Totalitäre Regime heben die Illusion der revolutionären individuellen Freiheit der Kunst auf. Laibachkunst ist das Prinzip der bewussten Entsagung, des persönlichen Geschmacks, des Urteils, der Überzeugung."
Konzept der Monumental-Retro-Avantgarde
Sie nannten ihr Konzept Monumental-Retro-Avantgarde. Im besten post-modernen Sinne bedienten sie sich schamlos aller totalitären Zeichen und Symbole, die im 20. Jahrhundert so angefallen waren. Sie taten es, um der brutalen Wirkmächtigkeit dieser Symbole auf den Grund zu gehen und durch "affirmative Überidentifizierung", wie sie es nannten, im besten Fall eine Art Exorzismus durchzuführen.
Als 1989 der staatliche Sozialismus kollabierte und sich Jugoslawien in der Folge auflöste, schienen Laibach im ersten Moment arbeitslos. Aber der Schein trog genauso wie das Gerede vom Ende der Geschichte. Laibach machten einfach weiter, weil totalitäre Strukturen auch immer weiter bestehen werden. Wenn der Westen über das System Nordkorea die Nase rümpft mit seinen tragikomischen Propagandaritualen und dem schrecklichen Gulagsystem, dann tut er das natürlich zurecht.
Allmachtsfantasien und totalitär anmutende Verführungsmechanismen finden wir aber auch hier, wir sind ständig von ihnen umgeben: in der allgegenwärtigen gehirnerweichenden Produktwerbung, bei der Lektüre der "Bild"-Zeitung, in Diskursen über TTIP und Griechenland, in Maggie Thatchers berühmter Heiligsprechung der Freiheit der Märkte "There is no alternative".
"Es ist leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus", so hat es der britische Kulturtheoretiker Mark Fisher umschrieben. Und wenn Laibach Popbands von den Stones bis zu Opus covern, ist die Dekonstruktion perfekt. Darf man überhaupt seinen eigenen Gefühlen trauen?
Auf dem Gipfel ihrer Konzeptkunst
Mit ihren beiden Konzerten bei der gegenwärtigen Mutter aller Diktaturen sind Laibach auf dem Gipfel ihrer Konzeptkunst angekommen. Schon die beiden Plakate, die sie dafür entwarfen, spiegeln diesen Sieg wieder. Eines zeigt ein Victory-V inmitten einer Militärparade, geformt von menschlichen Pixeln, im Hintergrund prangt der Schriftzug Believe. Das andere zeigt in bester sozialistischer Propagandamanier eine Kalaschnikow vor Friedenstaube und Modellmenschen – Widersprüche noch und noch. Dazu die Bewerbung des Broadway-Musicals "The Sound of Music", mit dem Laibach hauptsächlich ihre Pjöngjang-Konzerte bestreiten.
In "The Sound of Music", geschrieben 1959, geht es um eine österreichische Familie, die sehr viel singt und vor den Nazis in die USA flieht. Inwieweit diese Doppelbödigkeit bei den nordkoreanischen Behörden Sodbrennen auslöste, kann man an der Meldung ablesen, dass drei Stücke angeblich zensiert wurden und auch an der Videoperformance gefeilt werden musste. Auf Laibachs Facebook-Seite kursieren schon Bilder vom gestrigen Konzert. Das Publikum wirkt, als säße es in der Oper.
Freundlicher Applaus, mehr wird nicht passiert sein. Die spannende Frage bleibt, was sich das angeblich so humorlose Regime von Laibachs Konzerten versprochen hat. Kulturelle Aufwertung und Imagegewinn, gewiss. Die Wirkung nach innen, sie wird zu vernachlässigen sein, dieses Risiko konnte es eingehen.
Durfte man an Laibachs Stelle diese Einladung annehmen? Wenn, dann sie. Laibach spielen mit allem, auch mit der medialen Rezeption ihrer Kunst. Es ist auch immer die Frage, was wir denn sehen wollen? "Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken", heißt ein berühmtes Bild von Martin Kippenberger, das um dieselbe Fragestellung kreist. "Laibach sind so sehr Faschisten, wie Hitler ein Künstler war", hat die Band einst kolportiert. Und wenn die Köpfe in den Feuilletonredaktionsstuben rauchen, weiß man, dass sie gewonnen hat. Solange Laibach weiter Fragezeichen produzieren können, bleiben sie relevant.