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Nordkorea-Forscher Ballbach
"Die Qualität der Sanktionen hat sich Schritt für Schritt geändert"

Die Ankündigung Nordkoreas, seine Atom- und Raketenprogramme auszusetzen, gehe auch auf verschärfte Sanktionen des UN-Sicherheitsrats zurück, sagte der Nordkorea-Forscher Eric Ballbach im Dlf. Das habe eine völlig neue Qualität bewirkt - und für Nordkorea eine neue Art von Druck.

Eric Ballbach im Gespräch mit Dirk Müller |
    Eric Ballbach, Nordkorea-Forscher an der Freien Universität Berlin
    Bei den Sanktionen gehe es darum, die Wirtschaft als Ganzes und die nordkoreanische Wirtschaft als solche zu treffen, sagte Eric Ballbach (dpa)
    Dirk Müller: Keine weiteren Raketentests, keine weiteren Atomtests, dieses Signal haben wir eben bekommen aus Nordkorea. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, soll Ronald Reagan in diesem Zusammenhang einmal gesagt haben. Unser Thema mit Eric Ballbach von der FU Berlin, dort tätig im Institut für Koreastudien. Guten Tag!
    Eric Ballbach: Guten Tag!
    Müller: Herr Ballbach, wie verlässlich ist Kim Jong-un?
    Ballbach: Nun ja, wir haben ähnliche Situationen, wie gerade in dem Vorbericht ja auch bereits angekündigt wurde, in der Vergangenheit immer wieder gehabt, dennoch haben wir eine spezielle Lage gerade auf der koreanischen Halbinsel. Wir haben mehrere Prozesse, die parallel laufen, einmal auf der innerkoreanischen Ebene, aber eben auch auf der Ebene zwischen Nordkorea und den USA. Dazu kommt, dass Nordkorea aus einer anderen Position heraus nun in etwaige Verhandlungen gehen wird, nämlich als de facto Nuklearmacht, und das verändert die Situation doch grundlegend.
    Müller: Und das ist klipp und klar, unbestritten, Nordkorea ist Atommacht?
    Ballbach: Es hat zumindest die Fähigkeiten durch die Testaktivitäten in den vergangenen Monaten und Jahren eindeutig unter Beweis gestellt. Es gibt natürlich noch immer Unstimmigkeiten unter den Experten, dass einzelne Schritte hin zur vollständigen Atommacht eventuell noch nicht vollzogen sind – das sind solche Fragen wie der Wiedereintritt beispielsweise oder ähnliche technische Sachen –, aber in der Regel hat Nordkorea im vergangenen Jahr eben unter Beweis gestellt, dass es zumindest maßgebliche Fortschritte sowohl im Raketenprogramm als auch im Nuklearprogramm gemacht hat und deshalb sich diese Situation in und für Verhandlungen grundlegend geändert hat.
    "An China wird kein Weg vorbeiführen"
    Müller: Das ist ja immer wieder von Forschern und Wissenschaftlern zu lesen, die ernsthafte Zweifel daran haben, an dieser Möglichkeit, an diesem Potenzial auch, was die Trägerraketen anbetrifft und auch was die nuklearen Potenziale betrifft, wie auch immer. Sie sagen, ist im Grunde nicht so entscheidend, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wir können das Risiko nicht eingehen, das auszuprobieren.
    Ballbach: Ganz genau, denn dabei handelt es sich eben nicht nur um eine militärische Gefahr. Es geht nicht nur um die Bombe und die Rakete an sich, sondern es geht um viele weitere Fragen, wie beispielsweise Proliferationsgefahren, die mit dem nordkoreanischen Nuklearprogramm dann eben auch verbunden sind, also wird Nordkorea entweder Waffen, Waffenteile oder auch Waffentechnologie an andere Länder, Staaten oder vielleicht sogar nicht staatliche Akteure weitergeben. Das sind ernste Gefahren. Es besteht auch die politische Gefahr, nämlich dass die Glaubhaftigkeit, die Glaubwürdigkeit des internationalen Nichtverbreitungsregime weiter leidet unter diesem fortgeschrittenen nordkoreanischen Nuklearstreben. All das sind Dinge, da kann die internationale Gemeinschaft am Ende kein Risiko eingehen.
    Müller: Herr Ballbach, auch wenn wir jetzt Gefahr laufen, ein bisschen die Schlachten von gestern zu schlagen beziehungsweise ein Interview jetzt zu führen, was man im Grunde auch vorgestern hätte führen können, noch einmal die Frage: Wer hat Nordkorea dabei geholfen, so weit zu kommen? Ist das schon klarer?
    Ballbach: Diese Nuklearfrage geht ja im Grunde genommen bis in die 50er-Jahre zurück. Das heißt, bereits in den 50er-Jahren hat Nordkorea entsprechende Abkommen damals noch mit der Sowjetunion unterzeichnet, es wurde Schritt für Schritt eine nukleare Infrastruktur aufgebaut bis in die 70er-Jahre, und es wurde im Grunde genommen in den 80er-Jahren dann zu einem Problem der internationalen Politik, nämlich dass über beispielsweise Satellitenüberwachungen und Ähnliches eben deutlich wurde, das, was Nordkorea hier vorhat, weit über das hinausgeht, was eben zur reinen Energiegewinnung beispielsweise notwendig wäre. So ist Nordkorea dann in die internationale Atomenergiegemeinschaft sozusagen mit eingetreten, hat aber bis in die 90er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre vermieden, diese sogenannten Safeguard Agreements mit der Atomenergiebehörde zu unterzeichnen. Und das ist die Grundlage sozusagen dann auch des Problems gewesen, mit dem wir uns auch noch bis heute beschäftigen.
    Müller: Aber Russland, China, Iran, das sind ja alles Akteure, die immer wieder genannt worden sind, die auch nach wie vor genannt werden, das sind immer noch die Big Player in dieser Auseinandersetzung?
    Ballbach: Also der Iran ist sicherlich ein Kooperationspartner und auch Abnehmer nordkoreanischer Raketentechnologie beispielsweise, und das sind sicherlich wichtige Akteure, aber am Ende wird diese politische Frage zwischen Nordkorea und den USA entschieden werden müssen. Da wird der Einfluss anderer Staaten sich nicht vermeiden lassen, das heißt, eine langfristige Lösung muss auf die ein oder andere Weise sicherlich auch China und Südkorea miteinbeziehen. Und es bleibt die Frage, welche Rolle Russland spielen wird in diesem Prozess, denn gerade Moskau hat sich in den vergangenen Monaten in der Korea-Frage doch sehr zurückhaltend gegeben, und es wird sich zeigen in den nächsten Wochen, ob Moskau da eine andere Strategie noch einschlagen wird oder nicht. Aber an China wird kein Weg vorbeiführen, wenn es um eine Lösung dieses Problems geht.
    "Vor allem Verdienst der internationalen Gemeinschaft"
    Müller: Herr Ballbach, war das gut, dass Donald Trump so martialisch gedroht hat?
    Ballbach: Ich glaube nicht, dass die Rhetorik großartig dazu beigetragen hat. Nordkorea hat immer wieder in der Vergangenheit gezeigt, dass es rhetorisch sicherlich hier in der gleichen Liga spielt. Es ist meiner Meinung nach vor allem der Verdienst der internationalen Gemeinschaft als solcher gewesen, denn hätte nur die USA eine Druckpolitik umgesetzt, hätte man sicherlich nicht das erreicht, was die internationale Gemeinschaft jetzt erreicht hat. Es war der Schulterschluss, der Zusammenhalt und eben auch die Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft.
    Müller: Aber wer waren da die Akteure, also außer China und den Amerikanern?
    Ballbach: Beispielsweise in der Sanktionspolitik war es eben wichtig, dass die Vereinten Nationen, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als solcher diese Sanktionen gegen Nordkorea beschlossen hat. Dass diese Sanktionen dann eben auch von internationalen Akteuren wie beispielsweise der EU mitgetragen und auch umgesetzt wurden, auch wenn es hier immer noch Probleme gibt …
    Müller: Aber seit vielen Jahren ist das ja so, es hat sich ja zunächst mal nichts geändert.
    Ballbach: Na ja, aber die Qualität der Sanktionen hat sich Schritt für Schritt geändert. Was wir seit 2017 sehen an Sicherheitsratssanktionen hat eine völlig neue Qualität bekommen, denn es geht ja nicht mehr nur darum, Personen und Institutionen ökonomisch zu treffen, die mit dem Nuklear- oder Raketenprogramm direkt in Verbindung stehen, sondern es geht darum, die Wirtschaft als Ganzes und die nordkoreanische Wirtschaft als solche zu treffen. Das hat eine völlig neue Qualität und für Nordkorea sicherlich eine ganz neue Art von Druck ausgelöst.
    "Kein reines Einknicken"
    Müller: Also Sie sagen, das ist nicht entscheidend gewesen, dennoch fragen sich ja jetzt nun viele, dass unter Barack Obama da nicht besonders viel passiert ist, dass es auch im Grunde immer weiter eskaliert ist. Jetzt, ausgerechnet unter Donald Trump, zumindest jetzt in dieser Amtszeit und auch in dieser aktiven Zeit der frontalen Auseinandersetzung, knickt Nordkorea, Pjöngjang plötzlich ein. Folgerichtig?
    Ballbach: Das ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Dass Nordkorea jetzt bereit ist zum Dialog, hat auch damit zu tun, dass sie in den vergangenen Monaten und vor allem in dem vergangenen Jahr eben solche Fortschritte im Raketen- und Nuklearprogramm gemacht haben. Es ist eben nicht ein reines Einknicken, und ich warne auch davor, die Erwartungen jetzt zu hoch zu schrauben, denn für Nordkorea ist dieses Nuklearprogramm am Ende eine Frage von Überleben, von politischem Überleben für das nordkoreanische Regime, und man wird das nicht einfach aufgeben. Wir haben, glaube ich, ein grundlegendes Problem, und das besteht unter anderem auch darin, dass wir eventuell unterschiedliche Definitionen oder Vorstellungen davon haben, was am Ende dieses Prozesses steht und wie der Weg dorthin aussieht.
    Müller: Wenn ich Sie unterbrechen darf noch mal, Herr Ballbach – also Sie sagen auch, das hat schon Substanz, dieses Argument, was jetzt ja immer wieder angeführt wird, in vielen Kommentaren auch zu lesen ist, Nordkorea, Pjöngjang fühlt sich jetzt auf einer Augenhöhe mit den Amerikanern aufgrund der nuklearen Kapazitäten, jetzt können wir einen Deal machen.
    Ballbach: Das ist sicherlich ein ganz wesentlicher Faktor. Wir müssen hier die nordkoreanische Strategie auch kennen, auf deren Grundlage Kim Jong-un operiert, und das ist die sogenannte (Wort ist nicht verständlich, Anmerk. der Red.)-Strategie, die auf der einen Seite die Fortschritte in der nuklearen Bewaffnung, nuklearen Verteidigungskraft vorsieht, aber auf der anderen Seite eben auch die wirtschaftliche Entwicklung ins Zentrum stellt. Die wirtschaftliche Entwicklung kann aber letztlich nicht auf der Grundlage der gegebenen Sanktionen gegen Nordkorea gelingen, sprich, eine erfolgreiche Wirtschaft in Nordkorea wird es nur dann geben, wenn die Sanktionen geändert werden. Und eine Sanktionsänderung wird es nur dann geben, wenn Nordkorea eben wirklich glaubhaft in der Denuklearisierungsfrage Fortschritte anbietet.
    Müller: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk Eric Ballbach von der FU Berlin vom Institut für Koreastudien. Danke, dass Sie für uns Zeit gefunden haben, Ihnen noch ein schönes Wochenende!
    Ballbach: Sehr gerne, ein schönes Wochenende!
    Müller: Danke, auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.