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Nordkorea
Propagandamittel Geheimniskrämerei

Putsch, Krankheit, Tod? Angebliche Gründe für das Verschwinden des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un gab es viele. Nun aber ist er wieder da. Eine Fußoperation soll der wahre Grund für sein Abtauchen gewesen sein. Was harmlos klingt, ist für Nordkoreas Propaganda-Apparat eine Herausforderung.

Von Jürgen Hanefeld |
    Kim Jong-Un wurde mit einem Gehstock gezeigt
    Kim Jong-Un wurde mit einem Gehstock gezeigt (afp / Rodong Sinmun)
    Mit dem üblichen Pathos vermeldete das nordkoreanische Fernsehen die Inspektionstour des "Großen Nachfolgers" - wie Kim Jong-un in seiner Heimat genannt wird.
    Nach der Ansage waren Standbilder zu sehen: Der Machthaber umgeben von Getreuen, wie er eine Neubausiedlung besichtigt. Wann die Fotos entstanden sind, blieb ebenso geheim wie der Grund seiner langen Abwesenheit. 40 Tage war er aus der Öffentlichkeit verschwunden, ein geradezu biblischer Zeitraum gemessen an der Tatsache, dass Prominente - ob Popstar oder Politiker - so oft wie möglich in den Medien erscheinen wollen, um nicht in Vergessenheit zu geraten.
    "Der Norden berichtet weiterhin über Führungsaktivitäten"
    Bei Kim ist es anders. Das scheinbare Verschwinden brachte ihm mehr Schlagzeilen als jeder Raketentest. Je länger er von der Bildfläche verschwunden war, desto stärker brodelte die Gerüchteküche. Alle möglichen und unmöglichen Krankheiten wurden ihm angedichtet - bis hin zu einer angeblichen Käse-Sucht. Auch Putsch-Gerüchte wurden in Umlauf gebracht und Zweifel daran, dass er überhaupt noch lebt. Dem setzte der Sprecher des südkoreanischen Vereinigungsministeriums vor wenigen Tagen die nüchterne Botschaft entgegen:
    "Als die nordkoreanischen Spitzenbeamten hier waren, überbrachte Hwang Pyong-so, der Leiter des Politbüros der Volksarmee, Grüße von Kim Jong-un an unsere Präsidentin. Der Norden berichtet auch weiterhin über die Führungsaktivitäten von Kim Jong-un. Im Licht dieser Umstände sieht es so aus, dass Kim Jong-uns Führung ganz normal weiter besteht."
    Diese Einschätzung hat sich offenbar bewahrheitet. Auch die Meldung einer südkoreanische Zeitung am Tag vor Kims Auftauchen wirkt plausibel: Ein französischer Arzt habe den Jungdiktator Mitte September an beiden Fußgelenken operiert. Das würde das Humpeln des etwa 31-Jährigen bei seinen letzten Auftritten Anfang September erklären - und auch, dass er auf den aktuellen Fotos am Stock geht.
    "Käme Kim ins Stolpern, was würde dann aus Nordkorea?"
    Dass eine letztlich harmlose OP die Welt über Wochen in Atem hält, hat mit der Geheimniskrämerei zu tun, die Nordkorea selbst um sich entfaltet. Warum der Staatschef so lange verschwunden war, warum er humpelt und am Stock geht, zu diesen Fragen gibt es einfach keine offizielle Stellungnahme. Nur zum Vergleich: Als Angela Merkel Anfang des Jahres einen Beckenriss erlitt, war das eine Nachricht, aber nichts, was Zweifel an der Stabilität der Bundesrepublik geschürt hätte. Dem nordkoreanischen Propaganda-Apparat dagegen fällt es schwer, den Erben einer Dynastie, die sich als Quell von Stärke, Macht und Vollkommenheit darstellt, am Krückstock zu zeigen. Denn alles in diesem Staat ist auf ihn, den "wohlwollenden Führer" zugeschnitten. Käme Kim ins Stolpern, was würde dann aus Nordkorea? Immerhin eine Militärdiktatur mit Atompotenzial. Es zeigt sich aber auch, wie perfekt die Nachrichtensperre funktioniert. Kein Journalist, kein Diplomat und auch keiner der gern zitierten Nordkorea-Experten hat auch nur einen Schimmer, was wirklich hinter dem Ab- und Auftauchen des Diktators steckt. Tatsache ist nur: Er ist wieder da.
    "Lasst uns voranschreiten zum letzten Sieg!" - sagt Kim Jong-un. Notfalls am Stock.