Archiv

Nordkorea-Sanktionen
"Kim Jong-un will den Dialog auf Augenhöhe mit den USA"

Die UN hat erneut ihre Sanktionen gegen Nordkorea verschärft. Hartmut Koschyk vom Deutsch-Koreanischen Forum geht davon aus, dass die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft durchaus auf Kim Jong-un wirke. Wichtig sei dennoch, die Tür zu Verhandlungen offen zu lassen.

Hartmut Koschyk im Gespräch mit Dirk Müller |
    Der CSU-Politiker Hartmut Koschyk
    Der CSU-Politiker und Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums Hartmut Koschyk: "Das Wichtigste ist, dass die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft beibehalten wird" (picture-alliance / dpa / David Ebener)
    Dirk Müller: Es häufen sich die Sanktionen, sie sind fast schon ein politischer Automatismus geworden im Konflikt mit Nordkorea. Zum zehnten Mal verschärfen die Vereinten Nationen die Strafmaßnahmen in den vergangenen zehn Jahren. Dabei haben es die Amerikaner geschafft, auch Moskau und auch Peking erneut mit ins Boot zu holen, obwohl Washington wegen der Jerusalem-Entscheidung derzeit heftig unter Beschuss steht, vor allem eben auch aus den Reihen der UNO. Dennoch eine gemeinsame Resolution jetzt gegen Nordkorea.
    Bericht von New York-Korrespondent Kai Clement:
    Audio Player
    Die UN also handelt - wieder einmal Sanktionen gegen das Regime in Pjöngjang. Am Telefon ist nun der CSU-Politiker Hartmut* Koschyk, Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums, er hatte mehrfach die Gelegenheit, Nordkorea zu besuchen. Guten Tag!
    Hartmut Koschyk: Guten Tag, Herr Müller!
    Müller: Herr Koschyk, kann irgendetwas Kim Jong-un beeindrucken?
    Koschyk: Ich glaube schon, dass diese Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft, wie sie jetzt auch durch diesen neuen, einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrates mit Zustimmung Russlands und Chinas zustande gekommen ist, Kim Jong-un beeindruckt. Aber eins ist klar: Diese internationale Geschlossenheit wird nur halten, wenn auch die Tür von Verhandlungen offen bleibt. Und das ist ja vor allem das Petitum von China und Russland, dass man zwar den Druck erhöht, aber auch an den Verhandlungstisch geht.
    Und hinter den Kulissen wird, glaube ich, im Moment sehr viel daran gearbeitet, eine Stimmung und eine Konstellation zu erzeugen, die es irgendjemandem auf allen Seiten ermöglicht, unter Gesichtswahrung irgendwo Verhandlungen aufzunehmen. Und darauf wird es jetzt ganz entscheidend ankommen.
    "Kim Jong-un setzt jetzt alles auf eine Karte"
    Müller: Aber ist das konsistente Politik? Sie sagen, auf der einen Seite zum zehnten Mal eben Strafmaßnahmen gegen Pjöngjang, auf der anderen Seite hinter den Kulissen der Versuch, wieder ins Gespräch zu kommen. Man war ja schon mal im Gespräch, jetzt eben wieder die nächste Initiative, vor allen Dingen von Peking aus gesteuert, in diese Richtung wieder zu gelangen. Ist das nicht ein Widerspruch?
    Koschyk: Ich glaube, dass es keine Alternative gibt. Auf der einen Seite kann die internationale Gemeinschaft Kim Jong-un nicht das Gefühl geben, dass sie machtlos ist und überhaupt nicht auf seine ständigen Provokationen reagiert, auf der anderen Seite wird es nur eine diplomatische Lösung geben.
    Und meine Einschätzung seit Langem ist, Kim Jong-un setzt jetzt alles auf eine Karte, er will den direkten Dialog mit den USA auf Augenhöhe und er will auch erst einmal als Nuklearstaat anerkannt werden, um dann aus dieser Position der Stärke und der Ebenbürtigkeit mit den USA Sicherheitsgarantien für das Überleben seines Regimes zu verlangen. Und bisher …
    "Man scheint an diplomatischem Ausweg zu arbeiten"
    Müller: Aber ist nicht gerade dieser Sanktionsreigen, wenn ich Sie hier noch mal unterbrechen darf, Ausdruck von Machtlosigkeit?
    Koschyk: Na ja, es ist sehr wichtig auf der einen Seite, all die an Bord zu behalten, die man braucht, um wirklich Kim Jong-un die Rote Karte zu zeigen. Und das ist Russland und das ist China. Und Kim Jong-un hätte gewonnen, wenn diese internationale Geschlossenheit auseinanderbräche. Und natürlich wird es entscheidend darauf ankommen, dass die USA jetzt mal klären, was sie wirklich wollen. Wir haben ja unterschiedliche Signale aus den USA. Der Außenminister Tillerson hat sich mehrfach für Verhandlungen auch ohne Vorbedingungen ausgesprochen, dann gibt es immer diese sprunghafte Rhetorik des amerikanischen Präsidenten, der einmal mit Kim Jong-un einen Burger essen möchte, auf der anderen Seite mit Feuer und Schwert droht.
    Also entscheidend wird es darauf ankommen, dass die USA jetzt auch einmal eine konsistente diplomatische Strategie entwickeln. Ich glaube, sie sind dabei, sonst würden ihnen China und Russland nicht ständig auch zu diesen einstimmigen Beschlüssen im UN-Sicherheitsrat die Hand reichen. Und wir haben es ja gerade in dem Bericht aus New York gehört: Bis zum Schluss haben intensive Abstimmung zwischen China und den USA stattgefunden, es hat in dieser Woche Telefonate zwischen Trump und Putin gegeben. Also hinter den Kulissen scheint man doch zwischen den USA, China und Russland auch an einem diplomatischen Ausweg aus der Krise zu arbeiten.
    "Kriegsrhetorik löst nicht das Problem"
    Müller: Und mit konstruktiv meinen Sie, mit Blick auf Washington, weniger Kriegsrhetorik?
    Koschyk: Kriegsrhetorik löst nicht das Problem, sondern was jetzt gefragt ist, ist, wie das mal der schwedische Botschafter in den Vereinten Nationen, im UN-Sicherheitsrat formuliert hat, kreative Diplomatie. Es wird ja im Januar eine internationale Konferenz in Vancouver stattfinden, USA, Kanada, Indien, Südkorea, Japan, auch Schweden. Und ich glaube, dass Schweden bei dieser Konferenz, wie auch schon immer wieder in schwierigen Phasen der Lage auf der koreanischen Halbinsel, auch besonders Lösungsansätze im Bereich der Diplomatie und des Dialogs in diese Konferenz einbringen.
    Müller: Aber wenn das Problem nur Kim Jong-un ist, wovon viele ja ausgehen und sagen, es ist ein ganz kleiner Zirkel in diesem Regime in Pjöngjang, angeführt von Kim Jong-un, der nach wie vor den gesamten Staatsapparat mit seinen Helfershelfern sehr effektiv, sehr effizient kontrolliert, dann geht es doch -und das ist meine Frage - im Grunde nur um ihn. Dann geht es nur darum, ihn zu überzeugen. Und da sagen viele Beobachter: Unmöglich!
    Koschyk: Das glaube ich nicht. Kim Jong-un hat auch die Politik seines Vaters und seines Großvaters intensiv verinnerlicht. Und sowohl bei Kim Il-sung, aber auch bei Kim Jong-il hatten wir auch immer Eskalation, Auftrumpfen, aber dann - auch für die internationale Gemeinschaft immer wieder überraschend - auch die Bereitschaft zu diplomatischen Lösungen und zu einem Dialog. Und deshalb sage ich noch mal: Er setzt jetzt alles auf eine Karte, er ist ja lange unterschätzt worden, ich kenne viele Militärexperten, die lange Zeit nicht geglaubt haben, dass Nordkorea sowohl in der Nukleartechnik als auch in der Raketenträgertechnik so weit kommen wird, wie es heute ist. Also man hat ihn lange unterschätzt …
    "China und Russland halten sich an Sanktionen"
    Müller: Wer hat denn Nordkorea geholfen, Herr Koschyk, dass Nordkorea so weit gekommen ist?
    Koschyk: Wissen Sie, Nordkorea hat sich in Zeiten, in denen noch nicht so streng Proliferation und auch Know-how-Austausch im Bereich von Trägertechnik und Atomnukleartechnik …, hat es sich ein Grundwissen erarbeitet und jetzt natürlich auch, trotz der Autarkie, an diesem Projekt weitergearbeitet, weil es die höchste Priorität ist. Und das ist lange unterschätzt worden …
    Müller: Die Materialien, wo sind die hergekommen?
    Koschyk: Die sind in den Jahren, bevor das Sanktionsregime so eng wurde, überall hergekommen. Ich will jetzt nicht öffentlich mutmaßen und spekulieren, aber …
    Müller: Iran?
    Koschyk: Iran wird sicher eine Rolle gespielt haben, auch …
    Müller: Europa?
    Koschyk: Ich schließe nicht aus, dass auch Dinge durch Unterlaufen von Sanktionsbeschlüssen, als die noch nicht so streng waren, auch aus anderen Teilen der Welt dorthin gekommen sind. Aber wissen Sie, das hilft uns jetzt alles nicht. Ich glaube, momentan ist der Sanktionsgürtel ganz eng gezurrt, nach allem Anschein halten sich auch China und Russland daran, weil sie auch nicht daran interessiert sind, dass die Situation eskaliert und dass wir in Nordostasien eine nukleare Aufrüstung bekommen.
    Müller: Das ist noch ein interessanter Punkt, Herr Koschyk, sie sagen: Offenbar halten sich Moskau und Peking auch an diese Sanktionen. Das wäre meine nächste Frage gewesen. Wir haben zum zehnten Mal Sanktionen, es soll jetzt treffen Benzin, wieder einmal, also Benzinkürzungen, Rohöllieferungen sollen auch weiter eingeschränkt werden, auch die landwirtschaftlichen Produkte, das hat es schon viele, viele, viele Male gegeben. Da fragen sich viele, wie kann Nordkorea, wie können die Menschen dort immer noch überleben? Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass diese Sanktionen auch wirklich eingehalten werden?
    "Das Wichtigste ist internationale Geschlossenheit"
    Koschyk: Also vieles spricht dafür und es gibt bislang keine Anzeichen, dass sich Russland und China nicht an die Sanktionsbeschlüsse halten. Ich bin aber davon überzeugt, dass China und Russland diesen Weg nur weiter mitgehen werden, wenn die USA - und das scheint der Fall zu sein - auch die Bereitschaft zum Dialog und zur Diplomatie erklären. Sonst würden China und Russland diesen Weg nicht weiter mitgehen. Denn China vor allem möchte nicht, dass durch Überziehen der Sanktionen Nordkorea zusammenbricht und dann eine Situation entsteht, die für China vor allem als unmittelbarem Nachbarn, aber auch für Russland, das ja auch unmittelbarer Nachbar ist, unbeherrschbar wird.
    Und deshalb halte ich es für das Wichtigste, was zurzeit getan werden kann, diese Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft vor allem zwischen USA, Russland und China, dass die beibehalten wird. Weil, das ist der einzige Weg, Kim Jong-un an den Verhandlungstisch zu bekommen.
    "Aufpassen, nicht eine humanitären Katastrophe zu erzeugen"
    Müller: Sie haben ja nach wie vor intensive Kontakte - nach Südkorea, aber eben über diesen Umweg, über dieses Medium, wenn wir das so bezeichnen wollen, ja auch Kontakte indirekt nach Nordkorea. Können die Menschen noch überleben? Wir haben ja häufig auch über Hungerskatastrophen, über diese Armut berichtet.
    Koschyk: Natürlich treffen die Sanktionen auch die einfachen Menschen. Und es gibt ja Fachleute des World-Food-Programms der Vereinten Nationen, auch von humanitären Hilfsorganisationen, die sagen, man muss natürlich aufpassen, dass am Schluss die Balance gehalten wird, dass nicht wir wieder zu einer humanitären Katastrophe in Nordkorea kommen, wie wir es schon einmal gehabt haben.
    Und deshalb ist es ja wichtig, dass wir nach wie vor auch mit der internationalen Gemeinschaft dort vertreten sind. Man hat ja mal vonseiten der USA Deutschland quasi aufgefordert, seine Botschaft dort zu schließen, auch andere europäische Länder. Und um aber wirklich zu wissen, was in dem Land vor sich geht und wie vor allem die Versorgungslage ist auch der einfachen Menschen, ist es so wichtig, dass Deutschland, dass Großbritannien, dass Schweden, dass Polen, dass die Tschechische Republik mit ihren Botschaften in Pjöngjang vertreten bleiben.
    Müller: Bei uns heute Mittag live im Deutschlandfunk der CSU-Politiker Hartmut Koschyk, Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums. Vielen Dank, Herr Koschyk, dass Sie für uns Zeit gefunden haben! Und wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest!
    Koschyk: Vielen Dank, Herr Müller!
    Müller: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    * Der Moderator stellte Hartmut Koschyk in der Anmoderation irrtümlich als Hans Koschyk vor.