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Nordkoreanischer Regent setzt eigene Akzente

"Da schießen die Spekulationen auch ein bisschen ins Kraut", kommentiert Lars-André Richter, Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, die aktuelle Debatte um den Kurs des jugendlich wirkenden nordkoreanischen Regenten Kim Jong-un.

Lars-André Richter im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Im Vorfeld der Olympischen Spiele hat es gestern einen ersten sportlich-politischen Fauxpas gegeben. Und zwar bei einer ersten Vorentscheidung im Wettbewerb der Frauenfußballerinnen: bei der Partie Nordkorea gegen Kolumbien. Vor dem Spiel wurde im Stadion fälschlicherweise die Flagge von Südkorea gezeigt statt der von Nordkorea. Die nordkoreanischen Spielerinnen haben das Feld daraufhin verlassen und konnten erst nach einer Stunde dazu überredet werden, wieder zurück aufs Spielfeld zu kommen.

    – Am Telefon ist jetzt Lars-André Richter von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Herr Richter, wieso löst eine solche Kleinigkeit bei Sportlerinnen aus Nordkorea eine solche Reaktion aus?

    Lars-André Richter: Na ja, das mutet natürlich für unsere westlichen Augen ein wenig skurril an, was wir da erlebt haben. Aber man muss natürlich eben auch einfach sehen, dass hier noch so etwas herrscht, was wir in Europa mal als Kalten Krieg bezeichnet haben. Hier ist sozusagen die Uhr ein bisschen stehen geblieben. Jetzt kommt hinzu, dass sich das Verhältnis der beiden Länder in den letzten Jahren leider wieder ein bisschen abgekühlt hat. Es gab ja mal Zeichen der Entspannung, so um das Jahr 2000 herum – Stichwort "Sonnenscheinpolitik" mit Kim Dae-jung, der damalige südkoreanische Staatspräsident. Das ist allerdings in den letzten Jahren unter der konservativen Regierung wieder ein bisschen abgekühlt. Und das mag eben auch ein Grund dafür sein, dass es zu dieser Situation gestern Abend gekommen ist.

    Armbrüster: Herr Richter, lassen Sie uns kurz ein bisschen sprechen über Nordkorea. Wir haben gestern erfahren, dass der neue, jugendlich aussehende Machthaber dort, Kim Jong-un, geheiratet hat. Was ist über diese Hochzeit bekannt?

    Richter: Über die Hochzeit selbst nicht sehr viel. Das war eben so, dass das staatliche Fernsehen die beiden, das frisch vermählte Paar sozusagen, gezeigt hat bei der Begehung eines Vergnügungsparks in Pjöngjang und dabei gemeldet hat, dass man hier jetzt Kim Jong-un und seine Frau sehe. Und damit ist eben offiziell, worüber in den letzten Tagen und Wochen schon viel spekuliert worden ist. Es war ja lange Zeit gar nicht so richtig klar, wer diese Dame an seiner Seite eigentlich ist. Es ist viel gemutmaßt worden, was auch im Grunde typisch für Nordkorea ist. Es ist viel gemutmaßt worden, es sei seine Schwester, es sei eine Sängerin. Man hat einen ganz anderen Namen mal gehandelt. Und nun ist eben rausgekommen: Es ist seine Frau.

    Armbrüster: Und wenn jetzt diese Bilder von den beiden verbreitet werden, können wir dann sagen, steckt dahinter möglicherweise auch eine politische Botschaft?

    Richter: Das mag sein. Auch darüber kann man erst mal nur spekulieren. Was man, denke ich, sagen kann, dass man auf jeden Fall einen neuen Stil erlebt. Dass mit diesem sehr jugendlich wirkenden neuen Regenten ein neuer Stil eingezogen ist. Da kommt ja einiges zusammen, wenn Sie an diese Disney-Show vor zwei Wochen denken, wo die beiden sich ja auch erstmals wohl zusammen in der Öffentlichkeit gezeigt haben. Das gab es ja vorher so nicht. Ich meine, diese Disney-Figuren, das war immer so ein bisschen der Inbegriff der Dekadenz, der westlichen Dekadenz. Das ist jetzt einfach so zu sehen gewesen ist. Es kommt natürlich noch einiges hinzu an inhaltlich-politischen Dingen. Die hiesigen Medien berichten über eine mögliche Öffnung der Märkte. Wie gesagt, das ist im Moment alles noch sehr, sehr spekulativ. Es ist erst mal Symbolpolitik, aber ein bisschen was steckt vielleicht auch dahinter.

    Armbrüster: Muss man in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung an der Spitze der nordkoreanischen Armee sehen? Kim Jong-un hat ja vor wenigen Tagen dort einen hochrangigen General ausgetauscht, das kam ziemlich überraschend.

    Richter: Auch da gibt es natürlich eben sehr, sehr viele Mutmaßungen. Die Zeitungen hier, auch die internationale Presse ist voll von Konflikt zwischen Partei auf der einen Seite und Militär auf der anderen Seite. Wobei man natürlich immer dazu sagen muss, beide Seiten sind auch sehr stark verwoben. Wie gesagt, da schießen die Spekulationen auch ein bisschen ins Kraut. Was man auf jeden Fall sagen kann, ist, dass mit dem, was in der letzten Woche vorgefallen, passiert, entschieden worden ist, dass Kim Jong-un seine Macht gefestigt hat. Denken Sie natürlich an die Entlassung, denken Sie aber eben auch an die Verleihung des Marschall-Titels. Das ist auch etwas gewesen, was sehr ungewöhnlich ist. Man ist titelorientiert, auch das ist wie gesagt aus westlicher Perspektive vielleicht ein bisschen skurril. Aber dieser Marschall-Titel ist wirklich nur sehr, sehr selten verliehen worden. Es ist der zweithöchste militärische Titel. Aber da steckt natürlich auch eine Botschaft hinter, nämlich eben einfach eine weitere Festigung der Macht von Kim Jong-un.

    Armbrüster: ..., sagt Lars-André Richter von der Friedrich-Naumann-Stiftung im südkoreanischen Seoul. Besten Dank, Herr Richter, für diese Einschätzungen.

    Richter: Gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.