Krieg am Meeresgrund
Wie man Tiefseekabel und Gas-Pipelines vor Sabotage schützt

Gas-Pipelines, Strom- und Datenkabel durchziehen die Weltmeere, sie versorgen Staaten mit Energie und Informationen. Wie sicher sind sie und wie werden sie vor Sabotage geschützt?

    Der Querschnitt eines Seekabels in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) am Anlandepunkt der Stromtrasse für Offshore-Windparks nordöstlich der Insel Rügen
    Seekabel wie beispielsweise für Offshore-Windparks oder für Daten- und Kommunikationsverbindungen können Ziele von Sabotageakten werden. (picture alliance / Stefan Sauer)
    Ein Defekt an dem Untersee-Datenkabel "C-Lion1" zwischen Finnland und Deutschland hat wieder einmal gezeigt, wie verwundbar Kabel und Piplines auf dem Meeresgrund sind. Verteidigungsminister Pistorius und Außenministerin Baerbock gehen in dem Fall von Sabotage aus. Doch schon vergangene Vorfälle wie der Angriff auf die Gas-Pipeline Nord Stream haben gezeigt, wie schwer es sein kann, der mutmaßlichen Saboteure habhaft zu werden.
    Für Militärs und Staatschefs gehören Pipelines wie auch Tiefseekabel etwa in Nord- oder Ostsee zur kritischen Infrastruktur, die zu Zielen von Angreifern werden können. Um sie zu schützen, rüsten die Marinen der Länder auf. Doch die Verteidigung bringt unter anderem rechtliche Probleme mit sich.

    Inhalt

    Welche Versorgungsleitungen laufen durch die Meere?

    Gas, Strom, Telefongespräche, E-Mail- und Internetkommunikation: Eine riesiges Netz von Pipelines und Tiefseekabeln transportiert Daten und Energie durch die Weltmeere.
    So läuft beispielsweise 99 Prozent des weltweiten Internet-Verkehrs über Hunderte Datenkabel mit einer Gesamtlänge von über einer Million Kilometern auf dem Meeresgrund. Europa ist über etwa 250 land- und seegestützte Leitungen mit dem Rest der Welt verbunden.
    Und submarine Versorgungsstrukturen werden in Zukunft immer wichtiger. Denn der Strom, den immer mehr Off-Shore-Windanlagen produzieren, wird via Tiefseekabel ins Stromnetz eingespeist.

    Wie sicher sind die Kabel und Leitungen in der Nordsee?

    Die Unterwasserinfrastruktur in Nord- und Ostsee ist verwundbar, warnen Fachleute wie der niederländische Militärexperte Frederik Mertens von der Denkfabrik „The Hague Center for Strategic Studies“ in Den Haag. Er hat sich mit seinem Team mögliche Bedrohungen für die Anlagen genauer angesehen. Deren Knoten- und Anlandepunkte sind laut Mertens potenzielle Ziele für physische Tiefsee-Sabotage. Aber auch „im Cyberbereich“ seien die Anlagen angreifbar.

    Findet in Nord- und Ostsee ein Krieg am Meeresgrund statt?

    Greifen Staaten die Strom- und Telekommunikationskabel oder die Systeme zur Gewinnung von Bodenschätzen anderer Staaten an, spricht man von „Seabed Warfare“, zu Deutsch: Kriegsführung am Meeresgrund. In der Nordsee ereignete sich ein solcher Fall wohl 2021, als unbekannte Täter eine Forschungseinrichtung vor der Küste Norwegens angriffen. Daten- und Stromkabel der Unterwasseranlage wurden durchtrennt, mehr als vier Kilometer Kabel entwendet.
    Ein weiterer Angriff wurde Anfang 2023 anscheinend verhindert. Der niederländische Geheimdienst MIVD warnte damals, Russland bereite möglicherweise Sabotageakte in der Nordsee vor. Russische Akteure hätten versucht herauszufinden, wie die Energieversorgung in der Nordsee organisiert ist – vielleicht mit der Absicht, sie zu stören, wenn sie es wollten, erklärte MIVD-Chef Jan Swillens im Februar 2023.
    Ende 2023 wurde zudem die Ostsee-Pipeline "Balticconnector" zwischen dem Nato-Neumitglied Finnland und dem weiteren Nato-Staat Estland beschädigt – nach Angaben der finnischen Ermittler höchstwahrscheinlich vom Anker eines chinesischen Containerschiffs. Ob es sich bei dem Vorfall um einen Unfall oder um bewusste Sabotage handelte, ist bis heute unklar. Dabei war auch ein Datenkabel zwischen den beiden EU-Staaten beschädigt worden.

    Welche Gefahren drohen, wenn die Infrastruktur nicht geschützt wird?

    Ein Angriff auf die Unterwasser-Infrastruktur der Nordsee kann erhebliche Folgen für die Datensicherheit und Energieversorgung haben. Sabotieren Angreifer Stromkabel, kann das dazu führen, dass Windräder still stehen oder sogar in einer gesamten Region der Strom ausfällt.
    Und die Energie-Infrastruktur in der Nordsee könnte künftig sogar noch verwundbarer werden. Der niederländische Netzbetreiber Tennet plant Plattformen, die den Strom mehrerer Windparks bündeln und an Land schicken sollen. Das wäre genau das richtige Ziel für einen russischen Raketenschlag, falls der Ukraine-Krieg eskaliert, glaubt Frederik Mertens.
    Auch Datenkabel sind kritische Ziele: Mit dem richtigen Equipment können sie gekappt oder abgehört werden. So führte beispielsweise im November 2024 ein Defekt an dem Untersee-Datenkabel "C-Lion1" zwischen Finnland und Deutschland dazu, dass die Kommunikationsverbindungen über das Kabel unterbrochen wurden. Es ist das einzige Untersee-Datenkabel, das direkt von Finnland nach Mitteleuropa führt.
    Zudem wurde im November 2024 ein weiteres Kabel zwischen Schweden und Litauen beschädigt, wie das schwedische Kommunikationsunternehmens Telia bestätigte. Nach Erkenntnissen der litauischen Marine liegt die Beschädigung in internationalen Gewässern.

    Wie schützen sich Staaten vor Sabotage?

    Die internationalen Marinen seien heute schon gut ausgestattet und haben ein Unterwasser-Lagebild, sagt Claudia Lilienthal, Expertin für maritime Systeme beim Rüstungsunternehmen ESG. Doch viele Staaten wollen ihre Tiefsee-Anlagen noch besser schützen und auf feindliche Sabotageakte im Meer möglichst gut vorbereitet sein.
    Großbritannien etwa hat ein Schiff mit unbemannten Tauchbooten in den Dienst gestellt, das den Meeresboden überwachen soll. Auch Frankreich hat seine Aktivitäten verstärkt. Und die Bundeswehr benennt in ihrer Strategie „Marine 2035“ den „Unterwasser-Seekrieg“ als eine reale Gefahr. Entsprechend will sich die Marine verstärkt mit moderner Sensorik und unbemannten Unterwasserfahrzeugen ausrüsten.
    Nach Ansicht von Claudia Lilienthal wird die Sicherung der kritischen Infrastruktur künftig aber gar nicht vor allem vom Militär übernommen werden. Deren private Betreiber werden vielmehr in die Pflicht genommen werden, glaubt sie.
    Eine weitere Schutzmaßnahme besteht darin, Energie- und Kommunikationsnetzwerke so zu konstruieren, dass sie einem Angriff standhalten. Um das zu erreichen, werden schon jetzt zum Beispiel mehr Kabel verlegt als eigentlich nötig. Falls ein Kabel reißt, können andere übernehmen.
    Einige EU-Regierungen planen zudem bereits, grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten, um die gemeinsame Infrastruktur zu schützen.

    Welche rechtlichen Probleme gibt es?

    Juristisch gesehen ist die Abwehr von Sabotageakten an Unterwasser-Pipelines und -kabeln mitunter eine heikle Angelegenheit. „Da klafft eine große rechtliche Lücke“, sagt Thea Coventry, Seerechts-Expertin am Asser-Institut für internationales Recht in Den Haag.
    Beschädige beispielsweise ein unter ausländischer Flagge fahrendes Schiff ein Unterseekabel, habe der Küstenstaat zwar das Recht, Maßnahmen zu ergreifen, aber nur in den eigenen Hoheitsgewässern. Zudem müssen „Beweise für eine bösartige Absicht vorliegen“, so Coventry.
    Kreuzt der Saboteur in internationalen Gewässern und handelt es sich um ein Marineschiff oder ein staatliches Forschungsschiff, dürfen patrouillierende Schiffe eines anderen Staates nicht einschreiten.

    Marten Hahn, Deutschlandfunk, tmk