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Nordwest-Afrika
IS und Al Kaida rücken vor

Die Zahl der von Terror-Anschlägen bedrohten Staaten in Nordwest-Afrika wächst. Gleichzeitig ist eine Art Konkurrenzkampf der Terror-Milizen zu beobachten: Der sogenannte Islamische Staat auf der einen, Al Kaida auf der anderen Seite.

Von Jens Borchers |
    Sicherheitskräfte halten in der Nähe des Anschlagsortes Angehörige zurück. Im Hintergrund sind Krankenwagen zu sehen.
    Auch Tunesien geriet ins Visier der Terroristen. (AFP / Fethi Belaid)
    Senegal versucht, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Die Behörden des westafrikanischen Staates haben Hotels zu Sicherheitsmaßnahmen verdonnert. Sie sollen vor Terror-Anschlägen nach dem Muster von Ouagadougou oder Bamako schützen. Wer diese Sicherheitsmaßnahmen nicht befolgt, dessen Hotel werde geschlossen. Gleichzeitig forderte die Regierung die Senegalesen zur Wachsamkeit auf. Das Resultat: 900 Hinweise auf verdächtiges Verhalten an einem einzigen Wochenende. Die Angst vor Anschlägen grassiert.
    Senegal hat bisher keine Terror-Attacke erlebt. Aber Präsident Macky Sall sagt rundheraus: Die Bedrohung ist da.
    "Sie ist total präsent bei uns. Obendrein gibt es eine ungeheure Propaganda für diese Organisationen im Internet, unkontrollierbar. Und eine Finanzierung gewisser Nichtregierungsorganisationen die sich in die Religion einmischen, obwohl die Staaten sehr wachsam sind."
    Jetzt arbeiten die Extremisten wieder zusammen
    In Westafrika haben die Staats- und Regierungschefs aufmerksam verfolgt, wie Al Kaida im islamischen Maghreb die Bedrohung immer weiter nach Westafrika hineinträgt. Der Anschlag in Burkina Faso war der Beweis dafür, sagt der französische Extremismus-Experte Wassim Nasr. Al Kaida im islamischen Maghreb war längere Zeit mit anderen Terror-Milizen zerstritten. Nicht zuletzt mit dem aus Algerien stammenden Extremisten Mokthar Belmokthar. Jetzt arbeiten sie wieder zusammen, sagt Experte Wassim Nasr, mit veränderter Strategie:
    "Es war – in Anführungszeichen – ein Traum von Mokthar Belmokthar, den Kampf weiter nach Süden zu tragen. Das die Aktion in Ouagadougou von Al Kaida akzeptiert wurde – das zeigt: Es gibt einen Konkurrenzkampf mit anderen Terror-Gruppen in der Region. Natürlich mit dem Islamischen Staaten in Libyen, Nigeria und anderswo."
    Al Kaida operierte bisher vor allem in Mali, teilweise auch in Algerien. Jetzt weitete das Terror-Netzwerk das Angriffsfeld weiter nach Süden aus. Burkina Faso war das erste Ziel. Und benachbarte Staaten fragen sich: "Wer ist als Nächster dran?"
    Mit den Anschlägen aufs Hotels in Ouagadougou und Bamako erreichte Al Kaida gemeinsam mit der verbündeten Miliz al-Mourabitoune aus Terroristen-Sicht optimale Ergebnisse: Weltweite Aufmerksamkeit. Viele getötete Ausländer. Bei vergleichsweise geringem Aufwand. Die Attentäter waren in beiden Fällen sehr jung. Und in beiden Fällen wurden keineswegs alle Angreifer getötet: Mehrere Täter konnten wahrscheinlich sowohl in Bamako als auch in Ouagadougou entkommen.
    Al Kaida galt als geschwächt
    Tatsache ist aber auch: Während die Welt seit Langem fast nur auf den sogenannten Islamischen Staat starrt, galt Al Kaida als geschwächt. Vor allem im Wettlauf um neue Rekruten, Erfolgs-Image, Geld und Einfluss-Zonen. Dschihadismus-Experte Wassim Nasr:

    "Während der laufenden Operation in Ouagadougou hat einer der Täter mit der Propagandastelle von Al Kaida im islamischen Maghreb telefoniert. Und noch einmal seine Treue zu Al Kaida-Chef Al-Zawahiri beschworen. Al Kaida fürchtet den zunehmenden Druck des Islamischen Staates. Der IS ist in Nigeria präsent, hat dort die Gefolgschaft von Boko Haram. Und er ist präsent in Schwarzafrika."
    Auch der Terrorismusforscher Philippe Hugon vom Institut internationale und strategische Studien in Paris verfolgt diese Entwicklung. Der Islamische Staat, sagt er, sucht die Expansion in Afrika:
    "Der IS will offensichtlich seinen Einfluss ausweiten. Boko Haram war früher nur im Nordwesten von Nigeria aktiv. Dann hat Boko Haram schrittweise seine Angriffe in die Region um den Tschad-See ausgeweitet. Also in Niger, Kamerun und Tschad. Dann haben sie dem IS Gefolgschaft geschworen. Das bedeutet nicht, dass sie vollständig in den IS integriert sind, aber es gibt die Verbindung."
    Al Kaida weitet seine Angriffsziele immer weiter auf das südliche Westafrika aus. Unterdessen versucht der sogenannte IS zunehmend südlich von Libyen Einfluss zu gewinnen. Von dort aus gehen Waffentransporte in Richtung Westafrika. Gleichzeitig versucht der IS, Tunesien zu destabilisieren. Das Attentat auf einen Bus mit Soldaten der Wachmannschaft des tunesischen Präsidenten ist nur ein Beleg dafür. Ende November sprengte sich ein Selbstmordattentäter in einem Bus der Präsidentschaftsgarde in die Luft – zwölf tunesische Gardisten starben. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag. Für Extremismusforscher Kader Abderahim ist die Botschaft klar:
    Klare Botschaft: Niemand kann den Präsidenten schützen
    "Dass niemand wirklich den tunesischen Präsidenten schützen kann. Auch nicht diejenigen, die den Präsidenten eigentlich vor Anschlägen bewahren sollen. Die Botschaft der Angreifer ist: Entweder gab es Fehler im Sicherheitsapparat des Präsidenten oder es gab Komplizen. Beide Möglichkeiten sind gravierend."
    Tunesien fürchtet die Unterwanderung durch den IS. Marokko, vielleicht der Staat mit dem stabilsten Sicherheitssystem in Nordafrika, meldet ein ums andere Mal die Verhaftung angeblicher Terror-Zellen. Und was in Algerien geschieht, entzieht sich weitgehend der Öffentlichkeit.
    Die Staaten Nordwestafrikas versuchen, eine Terrorismusabwehr aufzubauen. Zumindest was Polizei und Militär anbetrifft. Gleichzeitig fürchten sie aber, dass Organisationen wie Al Kaida und der sogenannte Islamische Staat weiter Zulauf bekommen. Senegals Präsident Macky Sall vermutet: Auch in seinem Land gebe es genug junge Menschen, die für die Botschaften der Extremisten empfänglich sind:
    "Natürlich sind die jungen Leute ohne Lebensperspektive leichte Beute für die Terroristen. Es ist unsere Verantwortung als Staatschefs und Entscheider dieser Jugend eine Perspektive zu geben."
    Wie die Staatschefs und Entscheider in der Region dieser Jugend eine Perspektive geben wollen – dafür fehlen in etlichen Staaten allerdings noch klare politische Konzepte.