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Norwegen
Das Ende der UKW-Ära

Norwegen startet den Countdown: Die ersten Sender beginnen, bis Ende des Jahres sollen die restlichen folgen - mit der Umstellung auf das Digitalradio. Doch nicht alle sind überzeugt von dem radikalen Bruch mit der Vergangenheit.

Von Carsten Schmiester |
    Eine Frau drückt am 19.12.2015 in Gevelsberg im Ennepe-Ruhr-Kreis (Nordrhein-Westfalen) auf einem alten Radio die Taste für den Mittelwellen-Empfang. Am 31. Dezember zieht sich mit dem Deutschlandfunk das letzte deutsche öffentlich-rechtliche Radio aus der Mittelwelle (MW) zurück.
    Acht Millionen alte UKW-Empfänger fallen der Umstellung zum Opfer. (picture alliance/dpa/Jonas Güttler)
    Harte Überzeugungsarbeit braucht lustige Werbung: Ein Mann sitzt im Wald in einem Klohäuschen. "Mach auf", sagt ein kleines Digitalradio. Plötzlich fallen Tür und die Seitenwände um, und vor dem verdutzten Mann stehen die berühmtesten Radiomoderatoren Norwegens mit der schwedischen Schlagerikone Tommy Nilsson. Sein Hit "Öffne Die Tür" sollte in diesem von öffentlichen und privaten Sendern gemeinsam produzierten Fernsehspot sprichwörtlich der "Türöffner" für das Digitalradio sein und die Menschen auf das Ende der UKW-Ära vorbereiten. Dieses Ende ist seit 1995 geplant, schließlich vom Parlament beschlossen worden – und jetzt ganz nahe. Abschaltung der ersten Sender im hohen Norden des Landes am 11.1. um 11.11 Uhr, bis Jahresende gibt es Radio dann überall In Norwegen nur noch digital. Lediglich kleinere lokale Stationen dürfen noch bis 2022 auf UKW weitersenden.
    Thor Gjermund Eriksen ist Generaldirektor des öffentlichen Senders NRK. In einem Interview bei den vergangenen "Radiodays Europe" ließ er dezent durchblicken, dass er nicht wirklich glücklich ist mit dieser UKW-Abschaltung. Und was denken die Hörer? "Das wissen wir noch nicht. Es ist ja auch nicht unsere Entscheidung, sondern die der Regierung - und die ist an Bedingungen geknüpft."
    Das Problem mit den Autos
    Eine der Bedingungen war, dass die UKW-Abschaltung erst dann passieren darf, wenn 99,95 Prozent aller norwegischen Haushalte sicheren digitalen Radioempfang haben, eine andere - siehe Werbespot - war die Zusammenarbeit öffentlicher und kommerzieller Sender. Die Häkchen sind dran, also beginnt das Aufhören. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das neue digitale Radio in den Privathaushalten und Büros gut durchsetzen wird. Das ist kein Problem, die Leute kaufen ja schon neue Empfänger. Aber Autos sind doch noch eine große Herausforderung."
    Tatsächlich hat erst ein knappes Drittel aller Autos in Norwegen diese neue Technik an Bord. Und Umfragen zufolge sind noch zwei Drittel der Norweger nicht wirklich überzeugt von dem, was da auf die zukommt. Sie halten das UKW-Ende zumindest für voreilig, wenn nicht sogar für ganz und gar unsinnig und haben keine Lust, bei entsprechend vielen Altgeräten mehrere Hundert Euro für Umrüstung oder Neukauf auszugeben. Nur 17 Prozent sind begeistert, und dann gibt es Leute wie Tor Sortaslokken, die Pro und Contra abwägen: "Naja, in neuen Autos ist die Technik ja schon drin. Aber zu Hause oder in alten Autos brauchst du andere Radios, das wird teuer. Auf der anderen Seite bringt diese Technik aber auch viele Vorteile mit sich."
    Aus für acht Millionen alte UKW-Empfänger
    Arnt Aspeslaen verkauft in seinem Laden in Oslo genau diese Geräte und eigentlich sollte er sich freuen über den vermutlich ja doch erhöhten Absatz in den kommenden Monaten. Tut er aber nur bedingt, denn er spürt die Zurückhaltung der Norweger ganz unmittelbar: "Jeden Tag habe ich so um die zehn Leute hier, die wissen wollen, ob sie wirklich neue Radios kaufen müssen und ob die Abschaltung nicht vielleicht doch noch verschoben wird."
    Nein, sie wird nicht verschoben, sondern durchgezogen. Weil laut Regierung damit die landesweite Radioversorgung besser wird und auch deutlich billiger. In einem dünn besiedelten Land wie Norwegen sei das aufwändige UKW-Netz eine nicht mehr zeitgemäße Lösung, heißt es. Radioempfang mit den neuen Digitalradios, auch über übers Handy oder übers Internet, das sei nun einmal die Zukunft. Der jetzt zunächst einmal geschätzt acht Millionen alte UKW-Empfänger zum Opfer fallen. Aber dafür gibt es künftig auch etwas. "Seien sie bereit für mehr Radio", wirbt der Türöffner-Spot.