Norwegen verlässt sich für seine nahezu CO2-freie Stromversorgung auf Regen- und Schmelzwasser. Große Stauseen sammeln es im Herbst und Frühjahr; je nach Bedarf lassen es die Stromversorger über Turbinen abfließen und erzeugen damit Strom. Diese Stauseen sind das Rückgrat der Stromerzeugung zwischen Oslo und Narvik, sie speichern weit mehr Energie, als die Norweger in einem Jahr verbrauchen können. Den Grund dafür erklärt Stefan Jörg Göbel, Geschäftsführer des Norwegischen Stromkonzerns Statkraft in Deutschland, so:
"Es ist ausgelegt für den schlimmsten möglichen Fall, nämlich dass es drei Jahre lang vergleichsweise kalt ist und vergleichsweise wenig regnet."
Denn nur sehr wenige Stauseen in Norwegen sind Pumpspeicherwerke. Bei den meisten wird das Wasser für die Stromerzeugung einfach abgelassen und ist damit für die erneute Nutzung verloren. Die Norweger legen sich mit den Stauseen quasi einen Wasservorrat für die Stromerzeugung an:
"Das Potenzial ist enorm, das sind 85 Terawattstunden - also 85 Milliarden Kilowattstunden Speichervolumen, jetzt im Vergleich dazu: Deutschland hat 0,04 Terawattstunden Speichervolumen."
Jetzt werden Norwegen und Deutschland durch das Hochspannungs-Gleichstromkabel Nord-Link mit großer Kapazität miteinander verbunden. Ist es fertig, lässt sich dieser Wasservorrat als eine Art indirekter Energiepuffer für Deutschland nutzen, sind Experten beider Länder überzeugt. Die Idee ist: Erzeugen Kraftwerke hierzulande mehr Strom, als die Deutschen verbrauchen, könnte dieser Strom nach Norwegen fließen. Und deren Stromversorger, so Göbel, "machen einfach das Wasser aus. Wenn der Strom von Süden kommen würde."
2020 soll das Kabel in Betrieb gehen
Norwegen verbraucht dann also Strom, der in Deutschland erzeugt wurde. Umgekehrt, wenn die Stromlieferung von Süden ausbleibt, lassen die Norweger einfach Wasser ihrer Stauseen ab. Ihre Wasserkraftwerke erzeugen mehr Strom als normalerweise, und liefern ihn über das Kabel nach Deutschland. Vor allem dann, wenn hierzulande PV- und Windanlagen wenig Energie liefern. Die Norweger gehen künftig also großzügiger mit ihren Wasservorräten um als bisher. Doch das ist aus ihrer Sicht kein Problem:
"Weil wir wissen, dass wir im Notfall, wenn das Wasser nicht mehr vom Himmel regnet, dass wir dann immer wieder aus Deutschland auch immer wieder Strom nach Norwegen importieren könnten."
2020 soll das Kabel zwischen Deutschland und Norwegen in Betrieb gehen und so viel Energie übertragen können wie ein großes Kraftwerk erzeugt. Norwegens Wasserkraftwerke liefern dann im Takt der Deutschen Stromerzeugung weniger oder mehr Energie.
Umweltexperten sehen allerdings einen Haken: Das Kabel wird den CO2-Ausstoß Norwegens mindestens indirekt erhöhen. Denn solange Braunkohlekraftwerke in Deutschland Strom erzeugen, wird auch deren Strom nach Skandinavien fließen, nicht nur Strom aus erneuerbaren Quellen. Das könnte die gute CO2 Bilanz der Norweger etwas eintrüben.