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Not really amused

Dieser Besuch wird kein leichter. Papst Benedikt XVI. wird heute in Großbritannien erwartet. Zum Staatsbesuch, auf Einladung der Queen, doch die Begeisterung der britischen Bevölkerung hält sich in Grenzen.

Von Ruth Rach | 16.09.2010
    Der Papstbesuch, umfassende Berichterstattung tönt es in der BBC.

    "Ich freue mich schon sehr, Gott segne die Menschen im Vereinigten Königreich,"

    … so Papst Benedict.

    Aber bereits im Vorfeld verdunkelt sich der Horizont. Der Papst unter Druck. Neue Enthüllungen über pädophile Priester.

    Laut einer Umfrage des Fernsehsenders ITV glauben neun von zehn britischen Katholiken, dass Skandal über Kindesmissbrauch die katholische Kirche dauerhaft schädigt.
    Vier Fünftel der Briten sind– laut der Tageszeitung "Guardian" – am Papstbesuch schlichtweg nicht interessiert. Und die meisten ärgern sich, dass sie als Steuerzahler einen Teil der Kosten übernehmen.

    In der südenglischen Kleinstadt Lewes wird einmal im Jahr eine Strohpuppe des Papstes verbrannt. Schon seit 1605: zur Erinnerung an den gescheiterten Versuch des Katholiken Guy Fawkes, das Parlament in London in die Luft zu sprengen. Aber die historisch bedingten Animositäten gegen den Katholizismus seien längst vergessen, versichern Richard und Kathy Jones, beide Anglikaner. Die zwei Rentner sitzen in einem alten Pub in Lewes, im Schatten einer riesigen schwarzen Papstfigur aus Pappmaschee. Richard Jones deutet auf eine Boulevardzeitung, die für ihre rituellen Seitenhiebe gegen den "Mann aus der Hitlerjugend" bekannt ist. Für Richard Jones ist die Tatsache, dass es sich um einen deutschen Papst handelt, nicht relevant.

    "Seine Nationalität ist mir egal. Was mich stört ist seine Scheinheiligkeit. Wie kann man das Zölibat predigen und die Schandtaten innerhalb der Kirche so lange ignorieren."

    Die ganze Art wie man den Papst auf einen Sockel stelle, sei ihr als Anglikanerin fremd, meint Kathy Jones. In Irland wäre er viel besser aufgehoben.

    Wenig Begeisterung für den Papst auch auf dem Straβenmarkt. Der junge Steward, - spirituell aber nicht religiös - versteht nicht, wie die katholische Kirche ihre Sünden so lange verbergen konnte.

    "Der Papst hat eine vordringliche Aufgabe: diese schrecklichen Dinge zu bereinigen."

    Maria, italienische Migrantin und Katholikin, ärgert sich maβlos über die Kosten der Visite.

    "Der Vatikan ist so reich. Wenn der Papst hierher kommen will, soll er selbst dafür zahlen. Ich werde ihn jedenfalls nicht sehen. Höchstens im Fernsehen."

    Und Mike, Atheist, findet, der Papstbesuch löse in ihm nur eines aus: das Bedürfnis gegen ihn zu demonstrieren.

    Tatsächlich hat sich in Großbritannien ein breit angelegtes Protestbündnis formiert. Im Brennpunkt ihrer Kritik: nicht nur Kindesmissbrauch, sondern auch die Haltung des Vatikan zu Geburtenverhütung, Abtreibung, Priesterweihe von Frauen und Homosexualität.
    Der Katholizismus stecke in der tiefsten Krise seit der Reformation, schreiben britische Zeitungen. Papst Benedikt sei rückständig und doktrinär.

    "Ich glaube nicht, dass der Papst im 21. Jahrhundert angekommen ist,"

    … sagt auch Claire, eine junge britische Katholikin: Sie kann sich nicht vorstellen, dass Papst Benedikt seine Einstellung zu Abtreibung und Homosexualität je ändern würde. Aber für sie sei das noch lange kein Grund, aus der Kirche auszutreten.

    Die Tickets für die päpstlichen Auftritte verkaufen sich zögerlich. Aber aus der Kleinstadt Lewes ist eine starke Delegation zu erwarten. Pfarrer Richard Biggerstaff von der St Pancras Kirche macht sich mit 65 Schäflein auf: nach London und Birmingham.

    Wenn das katholische Oberhaupt ein protestantisches Land besucht, hat das einen riesigen Symbolcharakter. Natürlich ist jede Art von Missbrauch entsetzlich, aber ich bin sehr betrübt darüber, wie die Botschaften des Papstes in den Medien verzerrt werden. Papst Benedikt ist ein bescheidener Mann mit einem herausragenden Intellekt. Er will keine Celebrity sein.

    Am bedeutsamsten findet die Patrica Mc Guire von der St Pancras Kirche die Messen unter offenem Himmel.

    Für mich ist zählt die Tatsache , dass der Papst so viele Menschen zusammenbringt, Die Beziehung innerhalb der christlichen Gemeinschaft ist sehr wichtig. Wir müssen miteinander einen Weg finden, um eine christliche Gesellschaft zu schaffen. Denn im Moment fällt unsere Gesellschaft an vielen, vielen Stellen auseinander.