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"Keine Immobilienblase in Großbritannien"

Im Hausbesitzerland Großbritannien sind die Immobilienpreise durchschnittlich 11,8 Prozent höher als im Juni vor einem Jahr. In einer solchen Situation macht dann immer schnell das Wort Immobilienblase die Runde, doch vielen Briten gelten die steigenden Preise als Zeichen einer segensreichen Wirtschaftsentwicklung.

Von Jochen Spengler |
    London Bridge, dahinter der Palace of Westminster mit Big Ben.
    Die Immobilienpreise in London steigen. (picture alliance / Daniel Kalker)
    So unterschiedlich sind die Wahrnehmungen. Die Moderatorin der BBC spricht angesichts der neuesten Meldung von einem sehr gesunden Immobilienmarkt in Großbritannien. Denn die Preise sind im ganzen Land durchschnittlich 11,8 Prozent höher als im Juni vor einem Jahr. Es ist der größte Anstieg seit Januar 2005.
    Was im Mieterland Deutschland zu einem erschreckten Aufschrei führen würde, gilt im Hausbesitzerland Großbritannien vielen als Zeichen einer segensreichen Wirtschaftsentwicklung. Der durchschnittliche Wert eines britischen Häuschens beträgt jetzt 235.000 Euro - allerdings mit gewaltigen regionalen Abweichungen. In London muss man im Schnitt 500.000 Euro hinlegen. Robert Gardner ist Chefvolkswirt von Nationwide, der größten britischen Bausparkasse, die die jüngsten Zahlen veröffentlicht hat: "Die Preise in London liegen im Jahresvergleich rund 26 Prozent höher, im Rest des Landes sind sie um zwölf Prozent gestiegen, in Schottland um zirka fünf und in Nordengland zwischen sieben und acht Prozent. Die Kluft zwischen London und dem Rest des Landes war niemals größer."
    Starkes Interesse internationaler Investoren
    Die Hauspreise in der Metropole sind wegen des Interesses internationaler Investoren abgehoben und haben die des Boomjahres 2007 längst überflügelt. Manche Experten fürchten eine Immobilienblase, die aber nach Ansicht von Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei Berenberg, noch nicht droht: "Wir haben in Großbritannien derzeit keine echte Immobilienblase. Nach einer Korrektur nach der Lehmann-Krise steigen die Hauspreise wieder erheblich. Allerdings ist das größtenteils nicht kreditfinanziert, sondern drückt aus, dass es eine große Nachfrage nach Wohnraum gibt, während gleichzeitig kaum neue Wohnungen gebaut werden. Also - getrieben durch Kredite und durch die Hoffnung auf immer höhere Preise - das ist eine Blase; einfach höhere Preise, weil die Nachfrage nach Wohnraum zunimmt, das ist für sich genommen keine Blase."
    Zu wenig Wohnungen in Großbritannien
    Tatsächlich liegt Britanniens Hauptproblem im mangelnden Angebot, das Hausbesitzer zu Millionären macht, aber Erstkäufern den Erwerb erschwert. Jährlich werden nur halb soviel Häuser gebaut wie erforderlich, was an bürokratischen Planungsvorgaben liegt und daran, dass Gemeinden keinen steuerlichen Anreiz haben, neue Wohngebiete auszuweisen.
    Und so betont Mark Carney, Gouverneur der britischen Notenbank, dass seine Möglichkeiten begrenzt sind: Wir können als Bank of England ja nicht ein einziges Haus bauen. Was wir beeinflussen können, ist, dass die Banken stark genug sind und genügend Kapital haben, um Risiken abzufedern, dass die Kreditvergaberegeln streng genug sind, so dass Leute nur Hypotheken bekommen, wenn sie sie sich leisten können. Dadurch können wir die Risiken reduzieren auf einem Immobilienmarkt, der sehr tiefe Strukturprobleme hat."
    Hypothekenvergabe erschwert
    Vor einer Woche hat Carney entsprechend gehandelt. Den Leitzins, der seit fünf Jahren bei 0,5 Prozent liegt, hat er unverändert gelassen, wohl aber die Hypothekenvergabe erschwert. Ein Darlehensnehmer soll nur noch einen Kredit bis zum viereinhalbfachen des Jahreseinkommens erhalten und in der Lage sein, ihn auch dann abzuzahlen, wenn die Zinsen um drei Prozentpunkte steigen. Die Maßnahmen dürften vor allem auf lange Sicht einer Immobilienblase vorbeugen.
    Schon jetzt aber ist die Zahl der Hypotheken gesunken und verzeichnen Londoner Makler - der jüngsten Preis-Statistik zum Trotz – eine leichte Abschwächung:
    Wir stellen fest, dass mehr Häuser auf den Markt kommen, gemäßigtere Preise, weniger Interesse, weniger Kaufangebote. Im Ergebnis mehr Balance zwischen Angebot und Nachfrage als bisher."