Die Frauen-Initiative "Pro Quote Regie" hat auf dem Potsdamer Platz gut sichtbar für alle Berlinale-Besucher eine durchsichtige Blase aufgebaut. Das kugelige Zelt soll Transparenz symbolisieren. Daran mangelt es nämlich, sagen die über 260 deutschen Filmregisseurinnen, die den Aufruf unterschrieben haben. Schon bei der Filmförderung fange es. Die bekämen fast nur Männer. So wie auch die allermeisten Filme, die in Kinos, im Fernsehen und auf Festivals laufen, von Männern gedreht würden. Die Zahlen belegen ihre Kritik. Das Männer-Frauen-Verhältnis beim Film solle 50 zu 50 sein, fordern die Frauen.
Sehr gerecht. Aber kann es in Kunstdingen um Gerechtigkeit gehen? Könnte man eine Frauenquote für Museen zeitgenössischer Kunst fordern, nach der die Hälfte aller Werke von Frauen stammen müßte? Müßte die Hälfte aller veröffentlichen Romane dann auch von Autorinnen verfaßt sein? Was würde geschehen, wenn die Frauenkunstquote mangels Auswahl nicht zustande käme? Müßten die überschüssigen Männer rausgeworfen werden oder mit der zweiten Garde, also mit den mittelmäßigen Werken von Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und Regisseurinnen die fehlenden Prozente aufgefüllt werden? Das klingt absurd!
Ideologischer Aktionismus
Über die Gründe für den Mangel an Regisseurinnen sollte allerdings dringend nachgedacht werden. Erkenntnisse sind bei der Entscheidung für Handlungsoptionen durchaus hilfreich. Aber gleich ein bürokratisches Diktat zu fordern, hat etwas von einem ideologischen Aktionismus. Auf gleiche Weise könnten dann auch die männlichen Schauspieler und das männliche Berlinale-Publikum eine Männerquote für Männerthemen bei den Filmfestspielen von Festivalchef Dieter Kosslick fordern. Denn im Wettbewerb durften sich in den Hauptrollen bislang fast ausschließlich Frauen tummeln und Frauenthemen verhandeln: Juliette Binoche spielte in "Niemand will die Nacht" eine selbstbewußte Arktis-Reisende Anfang 1900, Nicole Kidman in "Queen of the desert" eine Orient-Reisende und einflußreiche Politikberaterin, Léa Seydoux in "Tagebuch einer Kammerzofe" ein widerständiges Zimmermädchen, María Mercedes Coroy in "Ixcanul" eine kluge Maya-Frau, Charlotte Rampling in "45 years" eine ebenso starke wie bezaubernde alte Dame und Laila Costa in "Victoria" eine jugendliche Powerfrau im wilden Berlin heute. Frauen auf der Leinwand prägen die Berlinale. Ohne sie wären die Regisseure nichts.