Würde man zum Jahresende 2011 die Frage aufwerfen, wie es um den Antidoping-Kampf bestellt ist, müsste man zweifellos den Daumen senken. Das gilt international: Gerade hat die Welt-Anti-Doping Agentur 47 Ländern attestiert, die Regeln zu ignorieren – der Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees ist das egal. Statt solche Verstöße zu ahnden, verlor sie bei ihrer Tagung in dieser Woche kein Wort darüber. Das gilt national: Unter Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) besinnt sich der Bund auf einen strikt rückwärtsgewandten Kurs. Imposantester Beleg: der angekündigte Rückzug aus der Finanzierung der Nationalen Anti-Doping Agentur.
Eigentlich sind das gute Zeiten für Dopingprävention – denn die wird von Funktionären und Politikern gern ins Spiel gebracht, wenn der Schlingerkurs zwischen öffentlicher Moralpredigt und interner Toleranz gegenüber Doping verschleiert werden soll. Hierzulande existiert sogar ein Maßnahme-Paket, das großspurig "Nationaler Doping-Präventionsplan" heißt.
Mit der Vorstellung, dass dergleichen sonderlich fruchtbar gewesen sei, räumt jetzt Andreas Singler gründlicher auf. Der Sportwissenschaftler und Journalist, Mitarbeiter am Zentrum für Dopingprävention in Heidelberg, hat ein Buch mit dem Titel "Dopingprävention – Anspruch und Wirklichkeit" vorgelegt. Das klingt trockener, als es der Inhalt der Schrift ist. Ihre größte Stärke: Was seriöser Präventionsarbeit entgegensteht, wird von Oben nach Unten praxisnah durchbuchstabiert.
"Oben" – das meint Bundesinnenministerium, Sport-Dachverband DOSB und die Spitzenverbände. Selbst auf dieser Ebene, konstatiert Singler, fehle die Bereitschaft, "Doping als ein Problem wahrzunehmen, das mehr ist als eine Ansammlung von moralischen Fehlleistungen einiger weniger charakterschwacher Individuen". Prävention verlange jedoch Kenntnis der systematischen Zwänge, die auf ambitionierte Athleten wirken. Singler zeigt an vielen Beispielen, wo diese beginnen: bei Politikern und Spitzenfunktionären. So präsentiert er eines jener Geheimpapiere, mit denen die Verbände auf Medaillenzahlen verpflichtet werden, um sich die Fördermittel vom Bund zu verdienen. Vom Deutschen Skiverband verlangt die so genannte Zielvereinbarung nicht nur sieben Goldmedaillen bei Olympia in Sotchi, auch die Junioren müssen zwischen 2011 und 2014 jährlich 18 Medaillen von ihren Weltmeisterschaften liefern. Singler wertet dies "als indirekte Aufforderung zum Doping". Wer von Verhältnisprävention spreche, dürfe davon nicht schweigen.
Ähnlich plastisch geht es im zweiten Teil des Buches zu. Erstmals werden Daten aus einem Bundesland vorgestellt, Ergebnisse einer Befragung von Funktionären der Fachverbände in Rheinland-Pfalz. Zunächst erstaunt, dass die Mehrzahl den Antidoping-Kampf in Deutschland für unglaubwürdig hält. Entsprechend gering geschätzt wird Prävention. Die Funktionäre meinen etwa, Doping sei in ihren Sportarten wirkungslos, oder sie sind überzeugt, das Thema halte Eltern davon ab, ihre Kinder in den Sport zu schicken. Singler geht fair mit solchen Haltungen um, beschreibt auch Überforderungen. Jedoch wird man diese regionale Analyse ernst nehmen müssen. Denn sie liefert eine Teilerklärung dafür, warum hierzulande von rund sieben Prozent gedopter minderjähriger Kaderathleten ausgegangen werden kann. Zu diesem Schluss kam eine Studie im vergangenen Jahr – vor allem in Funktionärskreisen wurde sie mit ablehnender Ungläubigkeit quittiert.
Fazit des Buches: Die Bundesrepublik ist einer effizienten Dopingbekämpfung notorisch unverdächtig. Das gilt auch für die Präventionsarbeit. Längst, schreibt Singler, agieren Sport und Politik in Frankreich, Italien oder in der Schweiz innovativer. Die Strategien dort werden knapper vorgestellt, als man sich wünschen würde – der beinahe einzige Kritikpunkt an diesem Buch, das im Schlussteil überdies einige kluge Handlungsempfehlungen enthält. Zweiter Kritikpunkt: Für 138 Seiten werden 39,80 Euro abverlangt. Trotzdem: Die Lektüre lohnt die Investition.
Das Buch von Andreas Singler: "Dopingprävention – Anspruch und Wirklichkeit” ist soeben im Shaker Verlag Aachen erschienen.
Eigentlich sind das gute Zeiten für Dopingprävention – denn die wird von Funktionären und Politikern gern ins Spiel gebracht, wenn der Schlingerkurs zwischen öffentlicher Moralpredigt und interner Toleranz gegenüber Doping verschleiert werden soll. Hierzulande existiert sogar ein Maßnahme-Paket, das großspurig "Nationaler Doping-Präventionsplan" heißt.
Mit der Vorstellung, dass dergleichen sonderlich fruchtbar gewesen sei, räumt jetzt Andreas Singler gründlicher auf. Der Sportwissenschaftler und Journalist, Mitarbeiter am Zentrum für Dopingprävention in Heidelberg, hat ein Buch mit dem Titel "Dopingprävention – Anspruch und Wirklichkeit" vorgelegt. Das klingt trockener, als es der Inhalt der Schrift ist. Ihre größte Stärke: Was seriöser Präventionsarbeit entgegensteht, wird von Oben nach Unten praxisnah durchbuchstabiert.
"Oben" – das meint Bundesinnenministerium, Sport-Dachverband DOSB und die Spitzenverbände. Selbst auf dieser Ebene, konstatiert Singler, fehle die Bereitschaft, "Doping als ein Problem wahrzunehmen, das mehr ist als eine Ansammlung von moralischen Fehlleistungen einiger weniger charakterschwacher Individuen". Prävention verlange jedoch Kenntnis der systematischen Zwänge, die auf ambitionierte Athleten wirken. Singler zeigt an vielen Beispielen, wo diese beginnen: bei Politikern und Spitzenfunktionären. So präsentiert er eines jener Geheimpapiere, mit denen die Verbände auf Medaillenzahlen verpflichtet werden, um sich die Fördermittel vom Bund zu verdienen. Vom Deutschen Skiverband verlangt die so genannte Zielvereinbarung nicht nur sieben Goldmedaillen bei Olympia in Sotchi, auch die Junioren müssen zwischen 2011 und 2014 jährlich 18 Medaillen von ihren Weltmeisterschaften liefern. Singler wertet dies "als indirekte Aufforderung zum Doping". Wer von Verhältnisprävention spreche, dürfe davon nicht schweigen.
Ähnlich plastisch geht es im zweiten Teil des Buches zu. Erstmals werden Daten aus einem Bundesland vorgestellt, Ergebnisse einer Befragung von Funktionären der Fachverbände in Rheinland-Pfalz. Zunächst erstaunt, dass die Mehrzahl den Antidoping-Kampf in Deutschland für unglaubwürdig hält. Entsprechend gering geschätzt wird Prävention. Die Funktionäre meinen etwa, Doping sei in ihren Sportarten wirkungslos, oder sie sind überzeugt, das Thema halte Eltern davon ab, ihre Kinder in den Sport zu schicken. Singler geht fair mit solchen Haltungen um, beschreibt auch Überforderungen. Jedoch wird man diese regionale Analyse ernst nehmen müssen. Denn sie liefert eine Teilerklärung dafür, warum hierzulande von rund sieben Prozent gedopter minderjähriger Kaderathleten ausgegangen werden kann. Zu diesem Schluss kam eine Studie im vergangenen Jahr – vor allem in Funktionärskreisen wurde sie mit ablehnender Ungläubigkeit quittiert.
Fazit des Buches: Die Bundesrepublik ist einer effizienten Dopingbekämpfung notorisch unverdächtig. Das gilt auch für die Präventionsarbeit. Längst, schreibt Singler, agieren Sport und Politik in Frankreich, Italien oder in der Schweiz innovativer. Die Strategien dort werden knapper vorgestellt, als man sich wünschen würde – der beinahe einzige Kritikpunkt an diesem Buch, das im Schlussteil überdies einige kluge Handlungsempfehlungen enthält. Zweiter Kritikpunkt: Für 138 Seiten werden 39,80 Euro abverlangt. Trotzdem: Die Lektüre lohnt die Investition.
Das Buch von Andreas Singler: "Dopingprävention – Anspruch und Wirklichkeit” ist soeben im Shaker Verlag Aachen erschienen.