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Nouvelle Vague

Chemie. – In den Syntheselaboren der Chemiker etabliert sich ein Gerät, das inzwischen in fast jeder Küche genutzt wird. Die Mikrowelle soll dort aber keine Fertigmahlzeiten aufwärmen sondern Reaktionen schneller und mit weniger Energiezufuhr ablaufen lassen. Auf dem 1. Europäischen Chemiekongress in Budapest wurde das neue Laborgerät heiß diskutiert.

Von Arndt Reuning |
    Mal schnell eine Pizza heiß machen, das geht nicht mit der Mikrowelle, die Dr. Dirk Elend von Chemspeed Technologies in Budapest vorstellt. Der Ofen selbst ist dafür viel zu klein. Er bietet Platz für Reaktionsgefäße, die ungefähr so groß sind wie ein Reagenzglas. Dafür aber sehr viel stabiler, denn wenn sie verschlossen und bestrahlt werden, verwandeln sie sich in kleine Dampfkocher. Mit denen man chemische Verbindungen besonders effektiv herstellen kann. Was die Geschwindigkeit angeht, bleiben die Laborgeräte nicht hinter den Mikrowellen zurück, die in den Küchen stehen.

    "Die Reaktionszeiten werden dabei natürlich durch die Temperatur und den Druck, der dabei entsteht, sehr beschleunigt, was das ganze auch wieder sehr interessant macht für die Industrie."

    Ein Laborroboter wechselt die Reaktionsgefäße automatisch aus, wenn die Synthese zu Ende ist. Seit einem Jahr erst gibt es dieses Modell für Anwendungen in der Industrie. Nicht nur der Zeitgewinn macht sich hier bezahlt, die Methode gilt auch als umweltfreundlich. Denn oft kann man harmlose Lösungsmittel benutzen. Elend:

    "So wie Wasser zum Beispiel – dann bei 200 Grad. Was dann dazu führt, dass zum Beispiel weniger unerwünschte Nebenstoffe erzeugt werden und das ganze wesentlich effizienter und ‚grüner’ wird dadurch."

    Außerdem fließt die Energie aus der Mikrowelle direkt in das Lösungsmittel oder die Ausgangsstoffe. Bei herkömmlichen Heizungen, Ölbädern zum Beispiel, geht viel Wärmeenergie einfach verloren. Allerdings: Nicht jedes Lösungsmittel lässt sich mit Mikrowellen aufheizen. Bei benzinartigen Flüssigkeiten zum Beispiel funktioniert es nicht. Darauf weist Professor Erik van der Eycken hin, von der katholischen Universität im belgischen Leuven. Ein Pionier der ersten Stunde.

    "Dass man Mikrowellen für chemische Synthesen verwendet, das ist relativ neu. Im Jahr 1986 haben wir die erste Publikation darüber geschrieben. Und erst in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Fachbeiträge exponentiell gestiegen. Ich erwarte, dass in noch einmal zehn Jahren in jedem Syntheselabor die Mikrowelle die herkömmlichen Heizsysteme verdrängt haben wird."

    Das Modell aus dem Supermarkt wird es dann aber wohl eher nicht sein. Denn die Haushaltsgeräte erhitzen ihren Innenraum nur sehr ungleichmäßig. Außerdem – im Labor stellen die Billig-Geräte eine Gefahrenquelle dar. Van der Eycken:

    "Das ist ein Anfängerfehler. Das macht jeder aber nur so lange, bis der erste Ofen explodiert. Haushaltsmikrowellen darf man im Labor nicht verwenden, denn dafür sind sie nicht entworfen worden. Mit ihnen zu arbeiten, das ist einfach nicht sicher."

    Im Moment arbeitet Erik van der Eycken an einer Methode, bei der ein Reaktionsgefäß mit Mikrowellen bestrahlt wird, gleichzeitig aber auch mit Wasser gekühlt. Eigentlich scheint das nicht viel Sinn zu machen, denn beides sollte sich gegenseitig ausgleichen. Aber offenbar funktioniert das besonders gut, wenn die Reaktionspartner oder das Produkt hitzeempfindlich sind. Van der Eycken:

    "Die Idee ist ganz einfach. Wenn man bei der Bestrahlung gleichzeitig kühlt, kann man ein Maximum an Mikrowellen-Energie zuführen. Ich sage Energie, nicht Wärme. Sehr viel mehr davon als in den Fall, wenn man nicht kühlt."

    Was diese Energie aber bewirkt, wenn sie schon nicht das Lösungsmittel aufheizt, darüber diskutieren die Experten noch. Trotzdem kommen solche Kombi-Geräte für das Labor bereits jetzt schon auf den Markt.