Lina Hobbach ist 18, und schreibt ihr Chinesisch-Abi. Die Münchner Abiturientin lernt seit der achten Klasse Mandarin, also Hochchinesisch als dritte Fremdsprache. Sie ist damit eine echte Exotin. Denn gerade mal 18 Schüler haben 2012 am Städtischen St.-Anna-Gymnasium mit Chinesisch begonnen – als ein Modellprojekt, das einmalig in Bayern ist. Für ihre Wahl hatten die Schüler ganz verschiedene Gründe:
"Weil’s interessanter ist als Spanisch." - "Es ist, glaub' ich, einfach das Interesse am Neuen, was die ganze Sache einfach so schön macht." – "Wenn du mal eine Bewerbung abgibst und da steht: Die hat Chinesisch gelernt, das finden die Leute einfach beeindruckend."
Heute haben sieben von ihnen das erste Chinesisch-Abitur in Bayern geschrieben. Gegenüber Sprachen wie Französisch oder Spanisch eine besondere Herausforderung. Sagt die Lehrerin Barbara Guber-Dorsch.
"Realistisch gesehen – die Schüler müssen sich ja mit zwei Systemen auseinandersetzen. Einmal mit dem gesprochenen Chinesisch und dann nochmal mit dem komplexen Schriftsystem. Den Schritt, den sie machen müssen zu ihrem Niveau, ist größer als jemand, der Französisch lernt."
Die promovierte Sinologin Barbara Guber-Dorsch ist bisher die einzige Chinesisch-Lehrerin an der Schule. Ihre Schüler paukten die Sprache fünf Jahre lang in je vier Wochenstunden. Ein Lehrbuch gab es für sie nicht. Erst kürzlich ist eines erschienen – es basiert auf Erkenntnissen aus ihrem Pilot-Projekt. Auch einen Lehrplan musste Guber-Dorsch zusammen mit dem Kultusministerium erstellen. Mit ihrem Abi-Wissen können sich die Schüler gut im Alltag verständigen, allerdings mit Einschränkungen.
Hör- und Leseverstehenstests, ein Aufsatz und eine Übersetzung
Barbara Guber-Dorsch: "Ich kann natürlich mich nur – gerade im Schriftlichen – in den Themengebieten sicher bewegen, die ich auch im Unterricht gehabt habe, also wenn wir über Urbanität gesprochen haben, kann ich mich dort über Urbanität kompetent unterhalten, ich kann inhaltlich was sagen, ich kann meine Meinung sagen, ich kann argumentieren, Urteile bilden, aber wenn jetzt ein Philosoph mich nach meiner philosophischen Einstellung zu Konfuzius fragt, werde ich da eher Schwierigkeiten haben, weil das nicht unser Thema war."
Die Prüfung ist formal genauso gestaltet wie ein Englisch- oder Französisch-Abi. Auf Hör- und Leseverstehenstests folgt ein Aufsatz und eine Übersetzung. Rund 800 Schriftzeichen beherrschen die Abiturienten inzwischen. Ein hartes Stück Arbeit. Erzählt der 17-Jährige Leon Habig.
"Fleiß ist auf jeden Fall sehr wichtig, und auch eine gewisse Strategie, wie man’s denn tatsächlich lernt. Also ich persönlich lerne sehr gerne mit Karteikärtchen, schreib mir auch teilweise ganze Sätze auf Karteikarten, um die dann einfach auswendig zu lernen. Oder auch die Schriftzeichen mir wirklich einprägen zu können."
Arbeit, die nicht umsonst sein soll, findet Leon.
"Ich könnte mir auch vorstellen, eventuell nach China zu gehen, und das auch mit der Arbeit zu verbinden, eventuell in wirtschaftlicher Hinsicht. Also ich möchte’s auf keinen Fall zurücklassen, möchte auf jeden Fall weitermachen."
Weitermachen wird auch das Münchner St-Anna-Gymnasium. Das Modell-Projekt wurde inzwischen evaluiert, Chinesisch wird auch weiterhin angeboten.