Dichter Verkehr brummt auf den sechs Spuren der Straße des 17. Juni vor der Technischen Universität in Berlin. Doch das bereitet Prof. Wolfgang Frenzel, Professor für Umweltchemie und Luftreinhaltung keine Kopfschmerzen. Schließlich gibt es links und rechts neben den Fahrbahnen große Parkplätze und auf der Nordseite auch breite Lücken zwischen den Gebäuden. Viel Raum, in dem sich Schadstoffe verteilen und verdünnen können. Problematisch wird es, wenn hohe Häuser in dichter Reihe nah an der Fahrbahn stehen.
"Wenn ein hohes Verkehrsaufkommen ist, hat man erst einmal eine hohe Emissionsquelle. Und durch die Straßenschlucht ist der Luftaustausch einfach behindert. D.h., die freigesetzten Abgase aus den Fahrzeugen können nicht so schnell entweichen und dadurch gibt es einen Staueffekt."
Höchste Stickstoffwerte an Kreuzungen
Das klingt logisch, aber nach wie vor gibt es kaum Daten zu diesem Effekt. Deshalb hat Wolfgang Frenzel entlang der besonders belasteten Leipziger Straße mehrere Dutzend Messröhrchen aufgehängt. Dabei zeigt sich: obwohl die Autos überall gleichviel Abgase auspusten, verteilt sich die Belastung sehr unterschiedlich.
"Da wo Kreuzungen von zwei größeren Straßen sind, explizit an der Ecke Friedrichstraße und Ecke Wilhelmstraße, waren die höchsten Werte. Die deutlich auch höher lagen als die Jahresmittelwerte, was man unbedingt vergleichen kann, die eben für die Leipziger Straße ansonsten gefunden werden. Es gab auf der anderen Seite aber auch kleinere Abschnitte, insbesondere da, wo Häuser etwas zurückgesetzt waren, wo es kleine Grünflächen gab, wo die Werte dann etwa nur halb so hoch waren wie an den höchstbelasteten Stellen."
Auf Kniehöhe ist die Stickstoffkonzentration in der Regel höher
Auch wenig befahrene Querstraßen senken die Belastung, einfach, weil hier die Schadstoffe seitlich ausweichen können. In einem neuen Projekt will Wolfgang Frenzel zusammen mit seinen Studenten die Stickoxidkonzentrationen in Schöneberg nahe der ebenfalls sehr befahrenen Hauptstraße auslotsen. Vorversuche zeigen, schon eine Straße neben der Hauptstraße ist die Belastung deutlich geringer, genauso wie in Hinterhöfen. Die Messröhrchen werden auch in verschiedenen Stockwerken aufgehängt.
"Direkt in Straßenhöhe, also Kniehöhe ich sag manchmal Kinderwagenhöhe sind die Konzentrationen in der Regel höher. Das ist doch verständlich, da ist die Quelle, das ist eben der Auspuff von den Fahrzeugen die hohe Stickoxid Emission haben. Wenn man dann auf größere Höhen guckt, dann sieht man, dass es wieder Gradienten gibt, die zu einer deutlichen Abnahme führen."
Sind die Häuser niedrig, ist die Luft an vielbefahrenen Straßen schon im ersten Stock wieder erträglich. Bei einer hohen Bebauung kann die Belastung aber noch im zweiten oder dritten Stock problematisch sein. In engen Straßen können hier auch die Berlintypischen Straßenbäume eine Rolle spielen. Ein dichtes Blätterdach kann wie ein Deckel wirken und die Schadstoffe in Bodennähe halten. Die grünen Blätter selbst sehen zwar frisch und gesund aus, scheinen aber nach ersten Messungen die Stickoxidkonzentrationen in der direkten Umgebung nicht zu senken. Unterm Strich zeigt sich, ob die Stickoxide zum Problem werden, hängt nicht nur von der Verkehrsdichte ab, sondern ganz maßgeblich auch von den lokalen Gegebenheiten in jeder Straße. Dazu kommt noch ein dritter Faktor: der Wind. Der kann die Schadstoffe wegblasen, es kommt aber entscheidend auf die Richtung relativ zum Straßenverlauf an. Das hat gerade eine Masterarbeit aus Göteborg gezeigt. Bläst der Wind die Straße entlang, drückt er Abgase einfach nur weiter.
Auch der Wind spielt eine Rolle
"Senkrecht zur Straßenschlucht auftretender Wind führt auch nicht unbedingt zu einer Verdünnung, weil es so eine Art Wirbelbildung gibt, das die Zirkulation innerhalb der Straße bleibt. Und die beste Situation ist eben offensichtlich dann gegeben, wenn der Wind in einem gewissen Winkel eintritt, weil dann ein höherer Austausch der Luftmassen stattfindet."
Den passenden Wind kann man nicht bestellen. Auch die Form der Bebauung oder die Lage der eigenen Wohnung kann der Einzelne nur selten beeinflussen. Deshalb bleibt es am Ende doch entscheidend, die Quelle der Abgase, den Verkehr zu regulieren.