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NRW-Gesundheitsminister zu Corona-Impfstoff
Laumann: "Aufsuchende Impfung von Haus zu Haus nicht möglich"

Pflegebedürftige, die zu Hause gepflegt werden, erreiche man mit dem Impfstoff von Biontech vorerst nicht, sagte Karl-Josef Laumann (CDU) im Dlf. Die notwendige Kühlung von minus 70 Grad mache eine aufsuchende Impfung von Haus zu Haus nicht möglich, erklärte der NRW-Gesundheitsminister.

Karl-Josef Laumann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Eine medizinische Fachangestellte setzt bei einem Probedurchlauf im Impfzentrum Bamberg bei einer Dame zur Impfung an. In der Spritze befindet sich kein Impfstoff. Im sich noch im Aufbau befindlichen Impfzentrum in der Bamberger Brose Arena wurden bereits Probeabläufe durchgeplant.
Eine medizinische Fachangestellte während eines Probedurchlaufs in einem Impfzentrum. In der Spritze befindet sich kein Impfstoff. (picture alliance / AP / Markus Schreiber)
Der Corona-Impfstoff der Unternehmen Biontech und Pfizer ist nun auch durch die Europäische Arzneimittelaufsicht EMA zugelassen.
"Eine Impfung, wie man sich das vorstellt, dass der Hausarzt in eine Wohnung kommt und die Menschen impft, ist mit der Beschaffenheit dieses Impfstoffes so nicht möglich", sagte Laumann. Hintergrund sei, dass der Impfstoff bei minus 70 Grad in Pulverform geliefert wird. "Und in dem Moment, wo er verflüssigt wird, ist er nicht mehr transportierbar."
Anders sei die Lage bei Pflegeheimen, erklärte der NRW-Gesundheitsminister. Dort können und sollen ihm zufolge mobile Impfteams im Einsatz sein. "Das sind in Nordrhein-Westfalen 175.000 Menschen, die in Altenheimen leben", betonte Laumann.
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"Informieren Sie sich", plädierte der CDU-Politiker an Menschen, die einer Impfung skeptisch gegenüberstehen. Chancen und Risiken würden schließlich objektiv dargestellt. Am Ende müssten alle selbst entscheiden und man wolle niemanden zwingen, sich impfen zu lassen.
Laumann: "Aber nach allem, was ich darüber weiß, gibt es sehr, sehr gute Gründe, sich impfen zu lassen. Es ist eine Möglichkeit, sich selber zu schützen und dann am Ende natürlich auch einen Beitrag zu leisten."
Laumann betonte die Wichtigkeit einer zentralen Terminkoordination für die Impfungen und verwies auf die deutschlandweit einheitliche Telefonnummer 116117.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)

Das Interview in voller Länge:
Dirk-Oliver Heckmann: Am Sonntag soll es also losgehen. Weshalb dauert das so lange? Weshalb kann nicht mit der offiziellen Zulassung sofort mit den Impfungen angefangen werden?
Karl-Josef Laumann: Ich glaube, das ist jetzt ein ganz einfaches logistisches Problem. Wir können ja erst dann in den Ländern loslegen, wenn der Impfstoff bei uns in Nordrhein-Westfalen angekommen ist, und er wird im Laufe des Tages 26. Dezember bei uns eintreffen. So sind jetzt die Informationen vom Hersteller. Und dann werden wir ihn auf unsere 53 Kreise – Nordrhein-Westfalen ist ja ein großes Land – verteilen, so dass man dann am 27. Anfangen kann zu impfen.
Heckmann: Das hätte man nicht beschleunigen können aus Ihrer Sicht?
Laumann: Ich glaube nicht, dass das beschleunigt werden könnte. Jetzt ist ja auch die Frage, wenn man mal ehrlich ist, ob es jetzt wirklich auf einen Tag ankommt. Wichtig ist ja, dass wir danach auch sehr viel Impfstoff kriegen. Schauen Sie, bei der Impfung, die da am 27. stattfindet, kriegt ein Land wie Nordrhein-Westfalen gut 9.000 Impfdosen. Das ist ja eher ein Symbol. Wichtig ist, dass es danach jede Woche mit 130.000 bis 140.000 Impfdosen bei uns in Nordrhein-Westfalen weitergeht.
Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens
Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens (Picture alliance: Flashpic/ Jens Krick)

Spezialspedition sorgt für gekühlten Transport des Impfstoffs

Heckmann: Aber wir sind uns einig, Herr Laumann, dass jeden Tag sich viele, viele Menschen anstecken, und die Folge ist, dass viele Menschen sterben.
Laumann: Ja gut. Das ist aber jetzt wirklich eine Debatte, die uns nicht weiterführt. Wenn der Impfstoff da ist, werden wir ihn in den Ländern zügig verimpfen. Deswegen fangen wir auch am 27. unmittelbar mit der Impfung an. Die Situation ist nun mal so: Der Bund ist zuständig, um den Impfstoff in die Länder zu bringen. Dann, wenn er im Land ist, ist das Land zuständig, und da sind wir gut vorbereitet.
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Heckmann: Wie genau kommt der Impfstoff denn jetzt an die Menschen? Können Sie das noch mal ein bisschen näher erklären?
Laumann: Das läuft so, dass der Impfstoff durch den Bund den Ländern in sogenannten Zentrallagern angeliefert wird. Sie wissen ja, dass dieser Impfstoff hohe Ansprüche an seine Transport- und Lagerfähigkeit stellt.
Heckmann: Weil er tiefgekühlt werden muss.
Laumann: Er muss mit 70 Grad minus gekühlt werden. Das haben wir natürlich sichergestellt. Dann haben wir es in Nordrhein-Westfalen so gemacht, dass wir eine Spezialspedition haben, die dann diesen Impfstoff unter diesen Bedingungen minus 70 Grad in die Impfzentren bringt. Bei uns in Nordrhein-Westfalen hat jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt ein Impfzentrum. Wir haben denen gesagt, sie müssen eine Impfstraße bauen pro 70.000 Einwohner ihres Kreises beziehungsweise der kreisfreien Stadt. Die sind unterschiedlich groß. Dort trifft der Impfstoff dann ein. Dann entscheidet der Oberbürgermeister oder der Landrat, in welchen Altenheimen man anfängt zu impfen.

Aufsuchende Impfung von Haus zu Haus sei nicht möglich

Heckmann: Das heißt, die Impfzentren selber, die werden am ersten Tag gar nicht verwendet in dem Sinne, sondern sie schicken erst mal mobile Teams in die Pflegeheime?
Laumann: Wir schicken mobile Teams in die Pflegeheime. Wir sind uns ja in ganz Deutschland einig – wir hatten gestern noch mal wieder eine Schalte aller 16 Gesundheitsminister -, dass wir jetzt erst mal anfangen wollen, und das ist ja auch von den Richtlinien her klar gedeckt, dass wir die Menschen in den Altenheimen impfen wollen. Das sind in Nordrhein-Westfalen 175.000 Menschen, die in Altenheimen leben. Dann müssen wir natürlich gleichzeitig und parallel sehen, dass wir das Personal in den Krankenhäusern impfen, zumindest ganz prioritär auch die Menschen, die mit Covid-infizierten Patienten arbeiten und an diesen Menschen arbeiten.
Heckmann: Jetzt ist es so: Sie sagen, es werden erst mal die mobilen Teams losgeschickt, um die Pflege- und Altenheime zu versorgen. Jetzt ist es aber so, dass 70 Prozent aller Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause gepflegt werden, die meisten von ihnen auch von pflegenden Angehörigen. Wie erreichen Sie die?
Laumann: Die erreichen wir wahrscheinlich mit diesem Impfstoff gar nicht, weil der Biontech-Impfstoff leider die Eigenschaft hat, dass dann, wenn er für die Impfung vorbereitet ist – er ist ja gefroren, er ist in Pulverform, er muss verflüssigt werden. In dem Moment, wo er verflüssigt wird, ist er nicht mehr transportierbar. Deswegen sind wir jetzt erst mal darauf angewiesen, dass wir mit den Altenheimen anfangen, dass wir uns dann um das Krankenhauspersonal kümmern. Dann müssen wir sehen, welcher Teil von den Pflegebedürftigen, die zu Hause sind, sind noch so mobil, dass sie vielleicht in ein Impfzentrum kommen können. Dann ist das kein Problem. Aber eine aufsuchende Impfung von Haus zu Haus, wie wir uns das von Hausärzten etwa bei der Grippeschutzimpfung vorstellen, ist einfach aufgrund der Beschaffenheit dieses Impfstoffes nicht möglich.
Heckmann: Das heißt, ich verstehe Sie richtig? Diejenigen Pflegebedürftigen, die zu Hause gepflegt werden, aber nicht so mobil sind, um sich in ein Impfzentrum zu begeben, für die ist das eine schlechte Nachricht?
Laumann: Wir werden natürlich auch viele Menschen, die Ansprüche an ihren Transport stellen, in ein Impfzentrum bringen können. Aber ich will damit sehr deutlich sagen: Eine Impfung, wie man sich das vorstellt, dass der Hausarzt in eine Wohnung kommt und die Menschen impft, ist mit der Beschaffenheit des Biontech-Impfstoffes so nicht möglich. Wir haben ja auch andere Impfstoffe bestellt, der Bund für uns, der in dieser Frage einfacher ist.
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Heckmann: Die noch nicht zugelassen sind. Da warten wir noch drauf.
Laumann: Ja! Aber wir gehen ja davon aus, dass die in den nächsten Wochen zugelassen werden, und dann würde man natürlich logischerweise, wenn man einen Impfstoff hätte, der in der Frage nicht so anspruchsvoll ist, wie er verimpft werden muss, den natürlich gerade da einsetzen, wo man das unbedingt braucht.
Heckmann: Was ist mit den pflegenden Angehörigen? Die Diakonie beispielsweise sagt, die müssten genauso schnell geimpft werden wie diejenigen, die zu Hause gepflegt werden.
Laumann: Es ist so, dass wir eine Richtlinie des Bundes haben, die ja auch fußt auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Die Impfkommission wiederum hat ja nach wissenschaftlichen objektiven, evidenzbasierten Parametern eine Impfreihenfolge festgelegt. Wir sind uns in den Ländern auch einig, dass wir uns an diese Reihenfolge halten werden.
Heckmann: Sie sind zufrieden mit dieser Reihenfolge?
Laumann: Ich bin deswegen zufrieden, weil ich sie für evidenzbasiert halte. Es nützt ja nichts, wenn man so nach Gefühlen arbeitet, sondern wir haben ja auch mit dem Leiter der Ständigen Impfkommission eine lange Telefonschalte mit den Gesundheitsministern gehabt. Er hat ganz eindeutig erklärt, wie sie zu diesem Parameter gekommen sind. Da geht es natürlich vor allen Dingen um die Frage: Wen muss man zuerst impfen, um zum Beispiel Krankenhäuser zu entlasten? Aber natürlich spielt auch die Frage eine große Rolle: Wen muss man zuerst impfen, um möglichst viele Lebenstage zu retten? Danach ist diese Liste entstanden und ich finde, dann ist das auch in Ordnung.

"Die Frage, wer zuerst geimpft wird, darf keine politische Entscheidung sein"

Heckmann: Die Reihenfolge ist auch für viele, denke ich, nachvollziehbar. Mir war aufgefallen: Menschen mit Trisomie21, Demenzkranke, auch Transplantationspatienten, die sind in der Gruppe zwei, nicht in der Gruppe der am meisten gefährdeten verortet und werden dementsprechend auch erst später geimpft. Weshalb sind die später an der Reihe? Sind deren Leben weniger wert?
Laumann: Ich glaube nicht, dass deren ... es geht ja nicht um die Frage, ob deren Leben weniger wert ist, sondern dann haben Wissenschaftler und Menschen, die das medizinisch besser beurteilen können wie ich, festgelegt, dass sie in diese Kategorie nach ihrem persönlichen Gefährdungspotenzial letzten Endes gehören. Ich glaube auch, dass uns eine Frage, da jetzt die eine Gruppe gegen die andere auszuspielen, nun wirklich nicht weiterhilft. Ich finde, die Frage, wer zuerst geimpft wird, darf keine politische Entscheidung sein, sondern muss eine medizinische Entscheidung sein. Deswegen finde ich und bin ich auch so dankbar, dass wir da klare Spielregeln durch das RKI vorgegeben bekommen haben.
Heckmann: Jetzt haben die einzelnen Bundesländer ein Einladungsmanagement jeweils aufgesetzt. Das sieht allerdings überall etwas anders aus. In den einen Bundesländern sollen alle abwarten, bis sie einen Brief bekommen; andere bieten eine Hotline an. Wie ist es in Nordrhein-Westfalen und wie problematisch ist es, dass es überall unterschiedlich ist?
Laumann: Wichtig ist ja erst mal, dass die Menschen einen einheitlichen Zugang, glaube ich, haben zu den Informationssystemen und auch zu der Terminkoordination. Deswegen ist ja erst mal wichtig, dass wir in ganz Deutschland eine einheitliche Telefonnummer haben. Das ist die 116117. Was dann hinter dieser Telefonnummer geschaltet ist, ist erst mal nicht so wichtig. Hauptsache es funktioniert. Wir hier in Nordrhein-Westfalen machen das in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Da sind zum Beispiel für unser Land alleine in der Frage, wenn das mit dem Terminmanagement losgeht, Callcenter in einer Stärke von fast 1.000 Stellen hintergeschaltet, wo die Menschen dann einen Termin bekommen können und wo dann auch sofort der zweite Termin abgemacht wird. Jetzt müssen wir sehen, wie geht es weiter? Wenn wir das Thema Heime und Krankenhäuser geimpft haben, dann ist ja die Situation so, dass dann nach den Richtlinien erst einmal alle Menschen über 80 Jahre geimpft werden sollen. Das ist ja schon eine sehr große Bevölkerungsgruppe. Dann wird man natürlich diese Menschen über 80 Jahre aufrufen, jetzt mit den jeweiligen einen Termin abzusprechen für das in ihrer Nähe befindliche Impfzentrum. Die Geburtstage sind den Menschen bekannt. Ich bin auch sicher, dass das über die öffentlichen Medien und auch die regionalen Medien, denn die Impfzentren sind ja wie gesagt in Kreisen und kreisfreien Städten angedockgt, dass da eine gute Information stattfindet. Wir werden jetzt in den nächsten zwei, drei Tagen in Nordrhein-Westfalen entscheiden, ob wir da noch mal anschreiben, oder ob es auch so geht, aber das wird auf jeden Fall noch vor den Feiertagen geschehen.
Heckmann: Da stellen sich noch viele, viele Fragen. Wir könnten das Interview jetzt auch noch lange fortsetzen, aber gleich kommen die Nachrichten. Deswegen zum Abschluss die Frage, Herr Laumann: Was sagen Sie denn denen, die sagen, ich habe Angst, mich impfen zu lassen mit diesem neuartigen genbasierten Impfstoff von Biontech und Moderna?
Laumann: Denen kann ich eigentlich nur sagen, informieren Sie sich. Es wird ja alles objektiv, finde ich, dargestellt, Chancen und Risiken des Impfstoffes. Und dann muss man selber entscheiden! Wir brauchen und wir wollen keine Impfpflicht. Wir wollen auch niemand zwingen, sich impfen zu lassen. Aber alles, was ich darüber weiß, gibt es sehr, sehr gute Gründe, sich impfen zu lassen. Es ist eine Möglichkeit, sich selber zu schützen und dann am Ende natürlich auch einen Beitrag zu leisten, dass wir diese Pandemie, die ja eine Geisel für die ganze Menschheit auf dieser Erde ist, auch so wieder leben können, wie wir es vielleicht vorher konnten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.