Hendrik Wüst (CDU) ist erst seit Oktober 2021 Ministerpräsident, als Nachfolger von Armin Laschet. Für ihn und die CDU, die Nordrhein-Westfalen aktuell noch in Koalition mit der FDP regiert, stand einiges auf dem Spiel. In den Umfragen vor der Landtagswahl sah es lange nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD mit Herausforderer Thomas Kutschaty aus. Laut dem vorläufigen Endergbis ist die CDU jetzt aber mit 35,7 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, während die SPD mit 26,7 Prozent sogar noch schlechter abschneidet als bei der Wahl vor fünf Jahren. 2017 erreichte die CDU 33 Prozent, während die SPD die größten Stimmenverluste erlitt und 31,7 Prozent erzielte.
Die größten Gewinne können diesmal die Grünen mit Spitzenkandidatin Mona Neubaur erzielen: Sie fahren laut dem vorläufigen Endergbis mit 18,2 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis ein und steigern sich im Vergleich zu 2017 um 12 Prozentpunkte. Damit werden sie Königsmacher sein, wenn es um die künftige Landesregierung geht.
Verlierer der Wahl ist außer der SPD die FDP, die deutliche Stimmverluste im Vergleich zu 2017 hinnehmen muss und nur noch auf 5,9 Prozent kommt. Leichte Verluste gibt es auch für die AfD (5,4 Prozent). Die Linke wird erneut nicht im Landtag vertreten sein.
Vorläufiges Endergebnis
Die Landtagswahl in dem mit 18 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Bundesland gilt seit jeher als "kleine Bundestagswahl". Sie wird auch als Stimmungstest für die Ampel in Berlin gewertet.
Mögliche Koalitionen
Die aktuelle Koalition in NRW aus CDU und FDP hat künftig keine eigene Mehrheit mehr. An den Grünen dagegen wird bei der Regierungsbildung wohl kein Weg vorbeiführen. Soll es nicht auf eine Große Koalition hinauslaufen, werden sie gebraucht. Es kommen verschiedene Bündnisse mit Beteiligung der Grünen infrage.
Analysen zum Wahlergebnis
Die schwarz-gelbe Regierung ist abgewählt, die CDU bleibt aber stärkste Kraft. Für die FDP ist es die dritte verlorene Landtagswahl in Folge. Sie kann offenbar nicht von ihrer Beteiligung an der Ampel-Koalition profitieren - anders als die Grünen: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck werden als prägende Gesichter der Bundesregierung und starke Zugpferde gesehen. Spitzenkandidatin Mona Neubaur wird mitentscheiden, wer in die Staatskanzlei in Düsseldorf einzieht. Sie hat sich intensiv mit Handwerk, Industrie und Gewerkschaften vernetzt und gilt als Kandidatin für das Wirtschaftsministerium in NRW. Die FDP dagegen besetzt bislang in der Landesregierung mit den Ressorts Verkehr, Bildung und Justiz Bereiche, die derzeit weniger im Fokus stehen. FDP-Chef Christian Lindner wird zu erklären haben, wie er die FDP nun ausrichten möchte.
Die Zufriedenheit mit der Landesregierung war den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute zufolge nicht besonders groß - das hätte eigentlich der SPD nutzen können. Sie wurde aber nicht als echte Alternative angesehen, nur die Hälfte der Befragten traute ihr zu, Probleme besser lösen zu können als die CDU.
SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hatte zudem weniger gute persönliche Zustimmungswerte als Ministerpräsident Hendrik Wüst. Auf bundespolitischer Ebene ist das schlechte Wahlergebnis der SPD in NRW auch ein Schlag in die Magengrube für Olaf Scholz: Ihm ist es in der aktuellen Krisensituation offenbar nicht gelungen, sich als Krisenkanzler zu profilieren, der seine Partei damit nach vorne zieht.
Die Linke wird erneut nicht im Landtag von NRW vertreten sein. Bundesparteichefin Janine Wissler forderte ihre Parteikolleginnen und - kollegen auf, Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern zurückgewinnen. Die AfD hat mit ihrem Ergebnis und dem Verbleib im Landtag ihr Minimalziel erreicht, konnte aber mit ihren Themen nicht durchdringen.
Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung lag bei rund 56 Prozent. Das sind etwa 9 Prozent weniger als bei der letzten Wahl. Der Anteil der Briefwähler lag bei 47 Prozent.
Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten
Hendrik Wüst, CDU
Thomas Kutschaty, SPD
Joachim Stamp, FDP
Mona Neubaur, Die Grünen
Markus Wagner, AfD
Carolin Butterwegge und Jules El-Khatib, Die Linke
Die wichtigsten Wahlthemen
Die Corona-Pandemie hat in NRW schonungslos offengelegt, was zu verbessern ist: Schulpolitik, Digitalisierung, überlasteter Nahverkehr, Gesundheitsversorgung. Wegen ihrer Coronapolitik war die NRW-FDP rund um Familienminister Joachim Stamp mehrfach in die Kritik geraten. Stamp hatte sich wiederholt für Lockerungen der Coronaregeln ausgesprochen. Auch die nordrhein-westfälische Ministerin für Schule und Bildung, Yvonne Gebauer, ebenfalls FDP, sorgte für Schlagzeilen - vor allem wegen des Chaos bei den Coronatests an Schulen und Kitas und wegen vieler unbesetzer Lehrerstellen.
Für die Wählenden waren laut einer Umfrage vom Januar 2022 somit die wichtigsten Wahlthemen die Bewältigung der Coronakrise und der Themenkomplex Bildung, Schule und Ausbildung. Auch der Kohleausstieg und der Klimaschutz haben bei der Wahl eine große Rolle gespielt.
Umfrage zu den wichtigsten politischen Problemen in Nordrhein-Westfalen 2022:
Zuletzt hatte der Rücktritt (7. April) der ehemaligen Umweltministerin Ursula Heinen-Esser für Schlagzeilen gesorgt. Die CDU-Politikerin war während der Flutkatastrophe in NRW im Urlaub gewesen und hat angekündgt, kein Mandat im Landtag anzunehmen, selbst wenn sie gewählt würde.
Die Wahlprogramme der Parteien
Die CDU will Nordrhein-Westfalen laut ihrem Wahlprogramm "noch sozialer, noch sicherer, noch stärker und noch nachhaltiger machen". Dazu setzt sie vor allem auf die Themen Arbeitsplätze, Klimaschutz, Digitalisierung, Familie und Innere Sicherheit mit dem Kampf gegen Clan-Kriminalität.
Das Wahlprogramm der FDP soll ein "Fortschrittsprogramm" sein. Die FDP will nach der Pandemie ein Leben in Normalität ohne Einschränkungen ermöglichen und die Digitalisierung vorantreiben.
Die SPD setzt in ihrem Wahlprogramm auf "unser Land von Morgen" und besinnt sich auf soziale Themen wie bezahlbaren Wohnraum, Arbeitsplatzsicherheit und Erhaltung von Krankenhäusern. Bildung will die SPD zur Chefsache machen.
Klimaschutz und Bürgerbeteiligung sind die Kernthemen im Wahlprogramm der Grünen. Der öffentliche Nahverkehr soll weiter ausgebaut werden. Die Themen Kohleausstieg und Energiewende spielen eine große Rolle, ebenso der Konflikt um den Hambacher Forst und den rheinischen Braunkohle-Tagebau.
Der Widerstand der AFD gegen eine Corona-Impfpflicht und eine Ausbreitung des Islams gehören ebenso wie Forderungen nach mehr Abschiebungen zu den Kernthemen in ihrem Wahlprogramm.
Die Linke setzt ihren Schwerpunkt laut ihrem Wahlprogramm auf das Thema Gerechtigkeit. Der Pflegenotstand soll durch besser bezahltes Personal entschärft werden.
Auch der Krieg in der Ukraine war Thema im Wahlkampf. Die CDU in NRW hat sich in diesem Zusammenhang für eine Sensibilität der Parteien ausgesprochen. "Für Wahlkampf war schon angesichts der Pandemie aktuell kein Raum. Noch weniger Verständnis hätten die Menschen für parteipolitischen Streit, während ein Krieg in Europa herrscht", hieß es von einem Sprecher.
Quellen: Felicitas Boeselager, Birgit Wentzien, Jörg Münchenberg, Gudula Geuther, Stephan Detjen, Dirk-Oliver Heckmann, Statista, Abgeordnetenwatch, WDR, Jörg Münchenberg, og, nin